Monika Heil

Wenn die Idylle trügt


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an.«

      »Nicht so, mein Freund. Ich lasse mich nicht von dir beleidigen.«

      »Ich hatte mich so auf den Abend gefreut.«

      Carolines Stimme klang weinerlich. »Felia hat recht. Du benimmst dich manchmal wirklich unmöglich.«

      »So. Hat sie sich bei dir ausgeweint? Ich muss ja ein schrecklicher Ehemann sein.«

      Adrian warf seiner Frau einen warnenden Blick zu. Caroline tat, als bemerke sie es nicht.

      »Manchmal ja«, warf sie Sven vor. An den Nebentischen wurden andere Gäste aufmerksam. Plötzlich stand Sven auf. Er verneigte sich und verabschiedete sich mit spöttischem Lächeln.

      »Danke für den schönen Abend. Ich empfehle mich.«

      »Ich dich nicht«, dachte Adrian und blieb sitzen.

      Sven stolzierte kerzengerade mit hoch erhobenem Kopf zwischen den Tischen hindurch Richtung Ausgang. Fremde merkten nicht, dass er ganz leicht schwankte. Adrian und Caroline registrierten es genau.

      6.

      Vor der Tür blieb Sven unschlüssig stehen. Nach Hause würde er jetzt auf keinen Fall gehen. Es gab noch eine Bar nahe dem Pferdemarkt. Betont langsam schlenderte er dorthin. Aus der harten Helligkeit des Vorraumes tauchte er in rotes Schummerlicht. Es herrschte eine unruhige Stille. Keine weiteren Gäste. Er steuerte die Theke an, hinter der eine rothaarige, sehr schlanke Frau Gläser polierte. Ihr Alter vermochte er bei diesen Lichtverhältnissen nicht zu schätzen. Er suchte keine Frau. Er brauchte etwas zu trinken. Schwerfällig ließ er sich auf einem Barhocker nieder.

      »Einen Whisky bitte«, bestellte er.

      Scheinbar flüchtig sah Svenja hoch. Trotzdem taxierte sie ihn genau. Berufserfahrung.

      Das kann ja heiter werden, dachte sie. Sie hatte gehofft, bald schließen zu können und nun kam dieser angeheiterte Typ, dessen Blick keine gute Laune signalisierte. Gut sah er aus. Dunkler Anzug, modische Krawatte, teure Uhr.

      »Bitte, der Herr.« Sie schob ihm das Glas zu. Sven war sich bewusst, dass er nichts mehr vertrug. Er umklammerte das Glas, als wollte er sich daran festhalten, hob es der jungen Frau entgegen, setze es wieder ab.

      »Trinken Sie ein Glas mit mir? In Gesellschaft schmeckt es besser.«

      Sie nickte und goss sich aus ihrer Geheimflasche Tee ein.

      »Ich trinke auf Ihr Wohl. Wie heißen Sie?«

      »Svenja. Und Sie?«

      »Sven.«

      »Wie witzig. Prost Sven.«

      »Prost Svenja«, und nach kurzer Pause: »Mein Gott, sind Sie schön.«

      Svenja lächelte sparsam und nur mit den Lippen. Ihre Augen blieben unbeteiligt. Sie dachte an die Falten, die sie heute Abend wieder mühsam weggetuscht hatte.

      »Sie sehen auch gut aus, Sven. So ein Mann wie Sie läuft doch gewiss nicht allein durch die Welt.«

      Sven winkte ab.

      »Sehen Sie noch jemanden? Natürlich bin ich verheiratet. Meine Frau geht nicht in solche Lokale. Sie versteht mich nicht.«

      Der meist gesprochene Satz in allen Bars der Welt. Svenja kannte das. Sie setzte die Sanftes-Lächeln-Variante ein und lehnte sich über den Tresen. Gebannt starrte er auf ihre vollen Brüste. Felia war so flach gebaut. Verdammt, warum war sie in letzter Zeit oft so kühl? Eine Frau wie Svenja, die brauchte er heute. Zum Zuhören, nur zum Zuhören. Auf einmal konnte er reden. Svenja war eine gute Zuhörerin. Als er endlich bereit war, ein Taxi zu bestellen, war er stockbetrunken. Beim Abschied versprach er, bald wiederzukommen. Svenja behauptete, sich darauf zu freuen.

      2. Kapitel

      1.

      Bruno Meiser war zufrieden. Er hatte einen erfolgreichen Tag hinter sich gebracht. Als Manuela gegen Abend sein Atelier betrat, hörte sie ihn laut und falsch pfeifen.

      »Der Künstler ist gut aufgelegt. Sag nur, du hast das Bild verkauft?«

      Bruno warf die Pinsel beiseite, die er zwischen zwei Fingern balancierte und breitete seine Arme aus. Mit schnellen, katzenhaften Bewegungen lief sie auf ihn zu und warf sich mit einem kleinen Jauchzer an seine Brust. Er presste sie an sich.

      »Au, du tust mir weh!«

      Bruno lockerte sofort den Griff. Er vergaß immer wieder, wie schmal und zart sie war.

      »Schätzchen, ich habe den ´Wintermarkt` verkauft.«

      Die gute Nachricht! Sie küsste ihn überschwänglich. Seine schmalen Künstlerhände glitten über ihren Rücken. Erneut zog er sie an sich.

      »Nicht jetzt, Bruno.«

      Sie löste sich rasch aus seinen Armen.

      »Erzähle!«

      Sie übersah seine begehrlichen Blicke, registrierte die flüchtige Enttäuschung. Er setzte sich auf den einzigen freien Stuhl im Zimmer. Manuela glitt mit geschmeidigen Bewegungen auf seine Knie.

      »Die Galerie in Rotenburg hat den ´Wintermarkt` gekauft.«

      Er fischte einen Scheck aus dem Papierwust auf seinem Schreibtisch und wedelte damit vor ihrer Nase hin und her. Mit beiden Händen hielt sie seinen Arm fest, um die Summe lesen zu können.

      »Eintausendzweihundert Euro!«

      Entrüstet sprang sie auf. »Das Bild ist viel mehr wert!«, behauptete sie theatralisch, obwohl sie genau wusste, dass das nicht stimmte.

      »Aber Schätzchen, die müssen doch ihre Handelsspanne dazu rechnen.«

      Mit einem Schlag war seine gute Laune verschwunden. Hatte er nicht am Morgen genau so reagiert? Und genau mit diesem Argument war er abgespeist worden. Natürlich erzählte er ihr das nicht. Die junge Frau spürte den Stimmungswechsel sofort. Nur das nicht! Sie schmiegte sich wieder in seine Arme.

      »Ach Bruno, ich finde, es ist ein schöner Erfolg, dass du das Bild so schnell verkauft hast. Ich freue mich mit dir.« Ihr Kuss war Lockung. »Das müssen wir feiern. Ist Sekt da?«

      »Aber klar. Steht im Kühlschrank.«

      Sie holte Gläser von einem Wandbord. Einen Schrank gab es in diesem Riesenraum nicht.

      Bruno Meiser konnte Möbel nicht ausstehen. Er brauchte Platz für seine Werke und Luft für seine Gedanken. Freiräume! Besonders, da sein Atelier im Souterrain eines kleinen Fabrikgebäudes lag. Ein flüchtiger Bekannter, der in Ottenbeck einen Handwerksbetrieb führte, hatte ihm den ungenutzten unteren Teil des Hauses zur Verfügung gestellt.

      Ein kleiner Schreibtisch aus billigen Hartfaserplatten, überwuchert mit Zeitungsausschnitten, unbezahlten Rechnungen, Notizzetteln mit Telefonnummern, deren Inhaber er oft nicht mehr zuordnen konnte. Ein heller Korbstuhl. Dahinter ein zusammengeklappter Tapeziertisch, der bei Bedarf Ess- oder Arbeitsplatte darstellen konnte. Ein paar Schritte weiter und mitten im Raum ein silberglänzender Bistrotisch mit drei Stahlstühlen. Eine nüchterne Insel. An der langen, weißgetünchten Wand stapelweise teils gerahmte, teils ungerahmte Bilder unter einer schmalen Fensterfront – Oberlichter wäre der richtigere Ausdruck. Gegenüber eine breite Schlafcouch mit einem wackeligen Teakholzhocker, lange schmale Wandborde, zwei Meter Kleiderstange mit ein paar unordentlich aufgehängten Kleidungsstücken und mehreren leeren Bügeln. Und ein alter, überdimensionierter Kühlschrank. Das alles war auf einer Fläche von ca. fünfzig Quadratmetern verteilt. Raum für Kunst, nicht für unwichtigen Alltagskram.

      Die Staffelei stand an dem gardinenlosen Lichtband an der Schmalseite des Zimmers, vis-a-vis der Tür. Sie war umgeben von Scheinwerfern verschiedener Intensität. Es wirkte eher wie der Arbeitsplatz eines Fotografen, denn eines Malers, wäre da nicht diese Ansammlung von gemalten Bildern. Bilder, Bilder, wohin man schaute.