Monika Heil

Wenn die Idylle trügt


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beobachtete Bruno seinen Gast. Wie ein Schauspieler verharrte er in seiner Pose. Er spürte ein leises Ziehen in der Magengegend. Offenbar hatte er doch die falsche Bildauswahl getroffen. Manuela hatte ihn gewarnt. Bruno wandte sich – wie hilfesuchend – nach ihr um. Sie war verschwunden. Ungewöhnlich, denn sie spielte gern die Gastgeberin, besonders, wenn der Besucher männlich war. Endlich sahen sich die beiden Männer an.

      »Das haben alles Sie gemalt?«, fragte Sven töricht.

      Nun kam Bewegung in Bruno.

      »Ich kann Ihnen noch viel mehr zeigen. Auch Konservatives. Nun setzen Sie sich doch. Einen Cognac?«

      Sven Lewandowski nickte und nahm auf dem Bistrostuhl Platz. Er wusste, dass zeitgenössische Kunst auch ausschweifend sein konnte. Ein Phänomen, wie Sven immer wieder feststellte. Aber diese Bilder hier bei Bruno Meiser in einer solchen Anhäufung zu finden, verblüffte ihn mehr, als er ausdrücken konnte. Und, was das Wichtigste war, diese Arbeiten waren durchweg nicht nach seinem Geschmack. Flüchtig erinnerte er sich an die seinerzeit viel und kontrovers erfolgte Diskussion anlässlich der höchst umstrittenen Meese-Ausstellung in Wasser West. Die hatte ihm auch nicht zugesagt. Da gefielen ihm die Exponate in der Galerie Holledau ein paar Häuser weiter wesentlich besser.

      Bruno Meiser holte seinen offensichtlich leicht geschockten Besucher in den Raum zurück.

      »Dies hier ist mein letzter Zyklus. `Das Bild der Körper`. Hier geht es nicht um die konkrete Darstellung, sondern die Transmission der Gedanken.« Der Ton des Künstlers wurde belehrend. »Körperkunst. Das Städel in Frankfurt hatte letztes Jahr eine Ausstellung zu diesem Thema.« Bruno irritierte die Sprachlosigkeit seines Gastes. Dieser Lewandowski hatte doch diverse Galerien erwähnt, als sie sich über den Auftrag unterhielten. Der sollte wissen, was en vouge war, machte er doch den Eindruck, als ginge er regelmäßig in Galerien oder Kunstausstellungen. Bruno schob Sven das Cognac-Glas zu. Sie prosteten sich zu. Sven räusperte sich.

      »Ich verstehe zu wenig von dieser modernen Malerei.« Es klang entschuldigend. »Können Sie mir auch Portraits zeigen?«

      »Leider, im Moment nicht. Die schaffe ich nur als Auftragsarbeiten und damit sind sie dann auch immer gleich weg«, log er. »Wenn Sie mir die Fotografien geben, werde ich morgen die ersten Skizzen des Portraits Ihrer Frau anfertigen. Sie können jeder Zeit kommen und sich über den Fortschritt informieren.«

      Sven konnte sich nicht vorstellen, dass Bruno ein Bild malen werde, das seiner Frau gefallen könnte. Er hatte absolut kein gutes Gefühl bei der Sache. Konnte er jetzt noch zurück? Trotz größter Bedenken entschied er, die Sache durchzuziehen. Er griff in die Innentasche seiner Jacke, zog den Umschlag mit den Fotos heraus. Zögernd schaute er die Aufnahmen noch einmal durch. Bruno hatte wieder den Belehrenden herausgekramt. Er dozierte über moderne Kunst. Sven hörte nur oberflächlich zu. In kleinen Schlucken trank er sein Glas aus. Manuela ließ sich die ganze Zeit über nicht blicken. Als der Künstler endlich schwieg, schob Sven die Fotos über den Tisch. Sein Gegenüber betrachtete sie aufmerksam, nickte und – lächelte.

      »Ich verspreche Ihnen ein detailgenaues, konservatives Bild zu malen«, versprach er. »Eins zu eins, jedenfalls von der Optik. In den Maßen fünfzig mal dreißig. Sie werden sehen«, sprudelte er hervor und nicht nur er dachte: Hoffentlich.

      Als Sven sich verabschiedete, tauchte die junge Frau ungerufen wieder auf. Fast zwanghaft suchte er Blickkontakt zu ihr. Ungewollt verknüpfte er ihre Erscheinung mit einigen der aufgereihten Bilder. Manuela konnte seine Gedanken lesen, als stünden sie auf seinem Jackett geschrieben. Sie gab sich beschäftigt, schob die erotisch gewagtesten Exponate hinter unspektakuläre Ansichten. Ja, sie hatte Bruno gewarnt und doch gewollt, dass dieser Lewandowski sie sehen könnte. Ob er wollte oder nicht, ihr Körper würde ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen. Genau so, wie dieser Mann ihr seit der ersten Begegnung in der Bar nicht aus dem Kopf gegangen war. Ja, er war verheiratet. Na und? Manuelas Bewegungen wurden ruhiger, wirkten dennoch höchst aufreizend. Sie wusste das. Bruno wusste das. Und dieser aufregende Mann dort offensichtlich auch.

      Sven versprach, sich in den nächsten Tagen wieder zu melden. Fast fluchtartig lief er die Treppe hinauf. Viel später erst fiel ihm ein, dass sie über den Preis nicht gesprochen hatten.

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