Monika Heil

Wenn die Idylle trügt


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Flasche billiger Sekt, der unvermeidliche Rotwein, ein Stück alter Käse. Mehr gab es nicht. Als sie sich bückte, stand Bruno schon wieder hinter ihr.

      »Komm ins Bett«, flüsterte er mit rauer Stimme.

      »Wüstling«, lachte sie. »Was willst du nun, trinken, oder …«

      »Beides.«

      Als sei sie eine Feder, hob er die junge Frau hoch und trug sie zur Couch.

      Später lag sie entspannt an seiner Seite. Die Augen geschlossen, versuchte sie, den Dämmerzustand zwischen Wachen und Schlafen noch ein Weilchen festzuhalten. Bruno beobachtete sie. Er konnte sich nicht satt sehen an ihrer bronzefarbenen Haut, den Linien ihrer schmalen Glieder. Bruno Meiser war siebenundfünfzig Jahre alt, dreißig Jahre älter als seine Geliebte.

      Vor drei Jahren im Urlaub waren sie sich begegnet. In Spanien an einem FKK-Strand hatte er sie eines Morgens zum ersten Mal gesehen. Sie saß mit ein paar Freundinnen plaudernd und lachend im feinen, weißen Sand. Sein Künstlerauge hatte sie entdeckt. Damals war es Liebe auf den ersten Blick. Heute würde er den Ausdruck Liebe nicht mehr verwenden. Begehren, ja. Was Manuela für ihn empfand, hatte er nie genau ergründen können und er fand, das hatte seinen Reiz. Sie war eine zärtliche und wilde Geliebte, launisch, unberechenbar. Immerhin war sie ihm nach Deutschland gefolgt. Und, obwohl sie Stade vom ersten Tag an spießbürgerlich fand, war sie geblieben. Ob aus Liebe oder anderen Beweggründen, war ihm nach drei Jahren Zweisamkeit nicht mehr wichtig. Sie lebte mit ihm zusammen, aber sie wohnte nicht bei ihm. Manuela hatte eine eigene kleine Wohnung gemietet und beharrte auf ihrer Selbständigkeit. Ihren Lebensunterhalt bestritt sie als Friseuse und Kosmetikerin in einem Salon in der Innenstadt.

      Svenja Olufsson war ihre engste Vertraute. Die Schwedin und die Spanierin. Ein spannender Kontrast, der Brunos Künstlerauge immer wieder anregte. Außer Sport verbanden die beiden Frauen viele gemeinsame Interessen. Sie hatten sich in der Volkshochschule bei einem Nähkurs kennengelernt, hatten in der Tanzschule Hillmann einen Tangokurs besucht, und trafen sich oft und gern zum Shoppen, Bummeln oder einfach nur zum Quatschen.

      Sanft strich er über ihre Schenkel. Manuela öffnete die Augen.

      »Ich habe Hunger.«

      »Ich auch. Nach dir.«

      »Nein, auf Steaks und Salat. Du bist doch heute reich. Lädst du mich zum Essen ein?«

      »Die Bank hat schon zu. Ich kann den Scheck jetzt nicht mehr einlösen. Darüber hinaus bin ich völlig blank. Mein letztes Geld liegt im Kühlschrank. Oder jedenfalls das, was man dafür bekommen kann.«

      »Ich lade dich ein.«

      »Ich habe noch Käse.«

      »Den essen wir, wenn wir nach Hause kommen. Als Dessert.«

      Sie wand sich aus seinem forderndem Griff, las die im Raum verteilte Unterwäsche zusammen und verschwand im angrenzenden Bad.

      Seufzend stieg Bruno aus den Kissen. Er brauchte nichts zu essen. Sein chronischer Geldmangel hatte ihn zum Hungerkünstler werden lassen. Gerade als Manuela die Dusche aufdrehte, kam auch er ins Bad, dem einzigen abgeschlossenen Teil in diesem unteren Keller-Wohnbereich. Außer der Miniküche natürlich. Übermütig hielt sie den Wasserstrahl auf seinen erhitzten, sehnigen Körper. Mit schnellem Griff entwendete er ihr die Brause und ließ den warmen Strahl über ihren Körper gleiten. Sie griff nach der Seife. Ihre Hände machten sich selbständig, strichen über seine festen Lenden, hinterließen eine weiße sahnige Spur. Seine Bewegungen wurden fordernd. Noch einmal liebten sie sich.

      2.

      Als sie endlich das Atelier im Stadtteil Ottenbeck verließen, war es draußen schon dunkel.

      Zuerst gingen sie in ihr Lieblingslokal, mehr Kneipe als Restaurant. Gern hätten sie andere Lokale als ihr Lieblingsrestaurant bezeichnet, wären sie nicht so teuer. Und dann schauten sie noch in der Bar vorbei, in der Manuelas Freundin arbeitete. Heute Abend war die Bar gut besucht. Svenja hatte wenig Zeit. Sie begrüßte Manuela mit einer flüchtigen Umarmung. Bruno nickte sie freundlich zu.

      »Nehmt hier in der Ecke Platz. Ich komme gleich zu euch.«

      Routiniert mixte sie die Getränke, lächelte geschäftsmäßig ihren Gästen zu. Die beiden Japaner wirkten auf den Barhockern größer, als sie tatsächlich waren. Und irgendwie erwachsener. Sie unterhielten sich in einer Sprache, die Svenja nicht verstand. Sie kümmerte sich nicht länger um die beiden. Ihre Gläser waren noch gut gefüllt. Daneben saß eine auffallend große Blondine. Sie redete lebhaft auf einen etwa gleichaltrigen Mann ein, der halb hinter ihr stand, ein Bierglas in der Hand.

      »Du darfst den Gören eben nicht jeden Wunsch erfüllen«, zischte sie ihn an. »Du zahlst genug Unterhalt für deine Familie. Das muss doch reichen.«

      Das unerschöpfliche Thema Geld und Liebe. Svenja wandte sich dem nächsten Gast zu.

      »Noch einen Whisky?«

      »Bitte, ja.« Dieser Sven war wieder da. Sie war sicher, dass er den Namen erfunden hatte, als sie ihren genannt hatte.

      Lächelnd stellte sie das Glas vor ihn hin. Als er danach griff, berührten sich ihre Finger. Schnell zog sie ihre Hand zurück. Sie fing seinen Blick auf.

      »Schon wieder Kummer?«, fragte sie leise.

      Er schüttelte den Kopf.

      »So würde ich es nicht nennen. Mein Katzenjammer von letzter Woche ist vorbei. Ich denke gerade darüber nach, was ich meiner Frau zum Geburtstag schenke. Das ist das Problem. Haben Sie nicht eine Idee?«

      Svenja sah ihn überrascht an.

      »Ich kenne Ihre Frau doch gar nicht. Wie kann ich da einen Rat geben, Herr …«

      »Sven, haben Sie das vergessen?«

      »Nein, natürlich nicht.«

      Sie nannte ihre Gäste ungern beim Vornamen.

      Neben Sven saßen zwei Herren, die sich nicht kannten und einträchtig miteinander schwiegen.

      Was mache ich hier eigentlich?, fragte sich Svenja nicht zum ersten Mal. Geld verdienen. Ja klar. Das Paar stritt noch immer wegen irgendwelcher Kinder. Dieser Sven sprach von seiner Frau. Und ich? Schlage mich allein durchs Leben. Überzeugter Single war sie nicht. Vielmehr sehnte sie sich nach einer intakten Partnerschaft, hätte gern Kinder gehabt. Doch der Richtige war nicht in Sicht.

      Vor mehr als einem Jahr hatte sie Karlshamn und ihr Elternhaus verlassen, war vor ihren Gefühlen geflüchtet und in Stade, der deutschen Partnerstadt gelandet. Das erste Mal war sie mit dem Lucia-Chor in die Hansestadt gekommen, hatte auf dem Weihnachtsmarkt gesungen und sich sogleich in die heimelige Atmosphäre der Stadt verliebt. Später hatte sie an mehreren kulturellen Austauschprogrammen teilgenommen und Freundschaften mit jungen Leuten aus Stade geschlossen. Die große Liebe war nicht dabei. Trotzdem fühlte sie sich inzwischen hier wohl. Im Gegensatz zu ihrer spanischen Freundin Manuela Gonzales, die sich gern über die Kleinstadtatmosphäre mokierte.

      Endlich wandte sich Svenja ihrer Freundin zu.

      »Na ihr zwei, wie geht es?«

      »Prächtig, Bruno hat heute ein Bild verkauft.«

      »Gratuliere! Was trinkt ihr? Darauf gebe ich einen aus.«

      »Schampus«, reagierte Manuela prompt. Bruno hatte den Arm um ihre Taille gelegt und nickte bekräftigend. Svenja holte zwei langstielige Gläser und schenkte die Hausmarke ein. Sekt natürlich. Sie mochte die beiden. Manuela war lebhaft, liebenswürdig und Brunos Charme war mitreißend. Jedenfalls so lange er nicht zu viel getrunken hatte, was in letzter Zeit leider immer wieder vorkam. Ihm stand seine weiße Künstlermähne zu dem dunklen, fast südländisch wirkenden Teint. Auch wenn der nicht naturgebräunt sondern sportstudio-erworben war. Und seine strahlenden hellen Augen mit den vielen Lachfalten drumherum. Und sein weißes Löwengebiss. Und seine schmalen Künstlerhände, und, und … Alles an dem Mann