Monika Heil

Wenn die Idylle trügt


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      »Malst du auch Portraits?«

      »Wenn´s genug einbringt, alles. Dann porträtiere ich auch des Teufels Großmutter.«

      »Kennst du die denn?«

      Verblüfft über ihre Schlagfertigkeit lachte er auf.

      Svenja ging zu Sven zurück, der noch immer trübsinnig in sein nun schon wieder fast leeres Glas schaute.

      »Was darf es denn kosten, Ihr Geburtstagsgeschenk?«, nahm sie den Faden wieder auf.

      »Egal, Hauptsache, die Idee ist gut. Schmuck wäre keine.

      Felia hat einen sogenannten runden Geburtstag und außerdem habe ich einiges gut zu machen.«

      Das scheint mir auch so, dachte Svenja. Laut setzte sie hinzu:

      »Was halten Sie von einem Portrait? Da drüben sitzt ein Freund von mir. Der ist ein begabter Künstler. Er malt auch nach Fotos.«

      »Svenja, Sie sind ein Schatz. Die Idee ist gut!«

      Über den Preis machte er sich keine Gedanken.

      »Soll ich Sie miteinander bekannt machen?«

      Gemeinsam gingen sie zu Bruno und Manuela. Svenja stellte Sven vor und erklärte, dass dieser eventuell an einem Bild von Bruno interessiert sei. Dann ließ sie die drei allein, und ging zu ihrem Tresen zurück, denn sie hatte zu tun. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie die Unterhaltung lebhafter wurde, sah, wie Sven ein Foto aus seiner Brieftasche fischte. Allerdings registrierte sie auch Manuelas flackernden Blick. Sie kannte dieses Anzeichen, sah, wie sie die Wattzahl ihres Lächelns immer stärker erhöhte.

      „Svenja, bringen Sie mir bitte auch ein Glas und eine Flasche Sekt«, rief Sven ihr zu. Sie tat, wie geheißen, schenkte die drei Gläser ein. Dabei warf sie einen Blick auf das Foto, das auf dem Tisch lag. Schwarzes, halblanges glattes Haar umspielte ein schmales Gesicht, intelligente Augen blickten ernst. Das Kinn war selbstbewusst vorgeschoben, die Lippen geschlossen.

      »Sie können sich gern in meinem Atelier umsehen«, bot Bruno gerade an.

      »Das interessiert mich wirklich«, erwiderte Sven. »Wann würde es Ihnen passen? Abends könnte ich mich eine Stunde frei machen. Am Tag bin ich zu beschäftigt.«

      Bruno, dem klar war, dass er den Auftrag nur erhielt, wenn er diesen Fremden von seinen Fähigkeiten überzeugen konnte, stimmte dem Vorschlag sofort zu. Sie einigten sich auf den nächsten Abend. Er überreichte Sven eine Visitenkarte.

      Kunstmaler und Projektkünstler – Sven musste schmunzeln. Eine Adresse in Ottenbeck. Die Straße kannte er.

      »Gut, dann bis morgen Abend gegen acht Uhr. Ich bin sehr gespannt.« Mit einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr erklärte er, es sei höchste Zeit für ihn, zahlte und verschwand.

      »Mann, wenn das klappt, Bruno, dann war das heute wirklich dein Glückstag.« Manuela strahlte. »Morgen komme ich aufräumen.«

      »Untersteh´ dich. Ich bin Künstler und kein Bilderverkäufer. Ein Genie braucht sein Chaos.«

      Sie tranken die Flasche leer.

      »Komm, der Käse wartet.«

      In bester Stimmung verließen sie das Lokal. Am nächsten Morgen wachte jeder in seinem eigenen Bett auf.

      Anders im Hause Lewandowski. Felia, die lesend auf der Couch saß, freute sich, als Sven nach Hause kam und sagte es ihm auch. Kurz darauf gingen sie gemeinsam schlafen. Frieden, wie schön, dachte Sven. Nur, wie lange würde er diesmal anhalten?

      3.

      Felia war zu einer Freundin nach Hamburg gefahren, was Sven sehr gelegen kam. Die beiden hatten ihren Beauty-Tag. Sie wollten shoppen, sich bei einem modisch angesagten Friseur verschönern lassen und irgendwo schick essen. Und quatschen natürlich. Das konnte bis spät in den Abend dauern. Er war nach Büroschluss nach Hause gefahren und hatte alte Fotoalben herausgekramt. Die hatten sie beide seit Jahren nicht angeschaut. Felia würde es nicht bemerken, wenn er ein paar Fotos entnahm. Erinnerungen. Ihre Glückseligkeit beim Kennenlernen. Ihre Heimlichkeiten, weil sie ihre Eltern nicht einweihte. Bei ihm war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Damals wohnte er noch in Bützfleth und versuchte, seine Detektei zu etablieren. Seitdem hatte sich manches verändert. Auch seine Ehe. Das Haus seiner Eltern vermietete er inzwischen für wenig Geld an ein junges Ehepaar, deren Ansprüche ähnlich bescheiden waren, wie seine damals. Die Detektei lief gut. Sein zweites Standbein in Hamburg gab ihm Sicherheit. Allerdings machte er sich nichts vor. Das alles konnte schnell vorbei sein. Durch die unschöne Scheidung eines seiner Auftraggeber hatte dessen ziemlich neues, hochwertiges Haus nahe dem Horstsee zum Verkauf gestanden. Sven Lewandowski hatte, mit finanzieller Hilfe seiner Schwiegereltern, sofort zugegriffen. Felia war begeistert.

      Das Gespräch mit seinem Schwiegervater von neulich fiel ihm ein. In dessen Haus nahe den Schwingewiesen ziehen? Kam nicht in Frage. Sollte er es doch auch vermieten, wenn er zu Teresa Bergmann ziehen wollte. Svens Gedanken kamen in die Gegenwart zurück. Ihm ging es wie Felia. Er fand es pietätlos schnell, wie sein Schwiegervater die Vergangenheit abstreifte.

      »Ach Felia«, murmelte er »was ist aus unserer Liebe geworden?« Die Ernüchterung war erstaunlich schnell gekommen. Mist. Er liebte seine Frau. Das allerdings hatte sein Schwiegervater auch immer wieder behauptet und doch konnte sich Teresa Bergmann zweimal in sein Leben schleichen.

      Schnell blätterte er weiter. Schließlich entschied er sich für drei Fotos, auf denen seine Frau besonders jung und glücklich wirkte. So wollte er sie von Bruno Meiser malen lassen. Jetzt dachte er über seine Zufallsbekanntschaft nach. Bruno entsprach hundertprozentig dem Klischee eines Künstlers. Wirres, weißes Haar, asketische, wettergegerbte Gesichtszüge, Lachfalten um die hellen Augen. Er malte wohl auch oft im Freien. Sven wäre nie auf die Idee gekommen, dass die Hautfarbe des Malers nicht echt war. Seine Kleidung war sehr salopp gewesen. Das schwarz-bunte Hemd kontrastierte stark zur knallroten Leinenjacke. Die schwarze Hose dämpfte das Farbenspiel. Die schmalen Hände hatten ihn an einen befreundeten Chirurgen erinnert.

      Manuela, Brunos Begleiterin, schien Spanierin zu sein. Sie sah ausgesprochen gut aus. Seine Muse? Sven fand, sie war viel zu jung für den alternden Künstler. Doch das ging ihn nichts an.

      Felia hatte mit ihrer Schulfeundin Lena, die seit ihrer Scheidung in Finkenwerder wohnte, einen richtig schönen Mädchentag verlebt. Sie hatte ihr Auto vor dem Haus der Freundin geparkt. Gemeinsam waren sie mit der Fähre bis zu den Landungsbrücken geschippert. Ihre weiteren Aktivitäten hatten sie zu Fuß unternommen. Das Zusammensein hatte beiden gut getan, jedoch früher geendet als geplant, da Lena, die als freischaffende Journalistin arbeitete, später noch einen sich kurzfristig ergebenen Termin hatte.

      Nun fuhr Felia, von Finkenwerder kommend, durch das Alte Land Richtung Stade. Je näher sie ihrem Zuhause kam, desto schneller holte die Gegenwart sie gedanklich wieder ein. Nicht einmal die Landschaft, die sie so liebte, nahm sie bewusst wahr. Ihre Gedanken kreisten um ihre Ehe, ihre Familie, ihre Zukunft und die Gespräche, die sie mit ihrer Freundin zu diesen Themen geführt hatte. Lena war eine gute Zuhörerin. Ihre Ratschläge klangen vernünftig.

      In Twielenfleth fuhr sie auf den großen Parkplatz neben dem Fährhaus und stieg aus. Zügig lief sie los und versuchte, den Kopf frei zu bekommen. Der Wind rüttelte an ihren Gedanken, denen sie hier auf dem Deich Auslauf verordnete. Langsam setzte die Dämmerung ein. Eine Böe frisierte sie um. Und dafür hatte sie nun – mit anderen Verschönerungsmaßnahmen zusammen – über hundert Euro ausgegeben. Wenigstens dem tollen Make-up konnte die Luft nichts anhaben, zumal sich die paar Wolken, die gerade noch über ihr waren, in Richtung Elbemündung verzogen. Es war Niedrigwasser. Große Pötte waren keine zu sehen. Felia wendete und setzte sich ein wenig außer Puste auf die weiße Hochzeitsbank. Ihr Stammplatz, wenn sie allein und in Ruhe ihre Probleme sortieren musste.

      Ihre Gedanken liefen um ein paar Jahre zurück. Dort hatte sie kurz vor ihrer Hochzeit mit Sven gesessen und sich wegen ihres ersten großen Streites gegrämt.