Renate Amelung

Falsche Annahme


Скачать книгу

stöhnt gewaltig hinterher. “Wette, es gibt wieder keine brauchbaren Spuren.”

      “Trefflich!”, sagt Rebecca.

      “Und was machen wir jetzt?”, fragt Bettina.

      “Wo ist Blümchen?”, erkundigt sich Rebecca.

      “Der steckt sicher wieder im Kölner Nachtleben fest; ist schließlich Sonntag”, antwortet Karsten. Er geht voran durch den Eingang des alten Backsteinbaus. Nicht gerade sehr elegant für eine Landeshauptstadt. Kein Wort fällt auf dem Flur. Der Verdruss löst sich erst als sie das Zimmer der Soko 9350 betreten haben.

      “Stimmt das, Lachmännchen droht mit Verstärkung?”, fragt Karsten.

      “Ja”, antwortet Rebecca knapp, und versucht ihre Zweifel runter zu würgen.

      “Sie ist sogar schon da habe ich gehört”, trällert Bettina.

      “Was!? Hat die am Sonntag nichts Besseres zu tun, als auf Abruf zu stehen?”, fragt Rebecca. So schnell, dass passt ihr im Moment nicht, obwohl sie vor wenigen Minuten anders dachte.

      “Hast du dir Mal die Konsequenzen überlegt, wenn die unserem Lachmännchen abends beim Bettgeflüster alles erzählt was wir hier am Tag verzapfen?”, sagt Karsten.

      “Ja, habe ich. Ihr werdet euch einfach wie Gentlemans benehmen.”

      “Schade, ein Mann wäre mir lieber”, sagt Bettina.

      “Nö, ‘nen Blondchen ist völlig okay”, verbessert Karsten.

      “Ich schätze dir geht es um die schwingenden Hüften, Ziege im Haus lockt Böcke”, sagt Rebecca.

      “Ein männlicher Hintern wäre Berthold lieber”, verbessert Karsten. “Berthold würde sicher mit gespreizten Arschbacken die Treppe vor ihm hochgehen, wenn er wüsste, dass er damit auf indirektem Wege über Lachmann seine Karriere anschieben kann.”

      “He, hm...!”

      “Wer ist das?”, fragt Rebecca. Würdigt aber dem fremden Mann an der breiten Fensterfront wenig Beachtung nachdem sie schemenhaft seine olivfarbene Trekking-Hose und den schwarzen Rollkragenpullover in ihr fotografisches Gedächtnis aufgenommen hat. Da blitzt das Bild nochmals. Da war noch etwas, eine Geste! Ein Funken grünes in seinen Augen die er sofort niederschlug und dabei flink die Hände aus den Hosentaschen zog, das lange Strickzeug fällt runter wie ein Vorhang über die großen aufgesetzten Taschen. Sie geht zum Fenster und entdeckt den blauen Lieferwagen. Die Rostlaube ziert eine schäbige Aufschrift: Richrath, Klempnermeister der Mann für alle Fälle. Sie mustert den Mann für alle Fälle. So brachial mit einer Spirale in der Hand kann sie ihn sich nicht vorstellen.

      “Der ist ja immer noch da!”, sind die Worte die Berthold Blume beim Eintreten begleiten. “Fangen Sie endlich an! Das Waschbecken ist da in der Ecke, an die Arbeit! Es wird aber auch Zeit, dass die Kacke repariert wird.”

      Gut, wenn es so üblich ist in diesem Mausoleum und man ihn nicht anders beachtet, dann folgt eben der Grundkurs am verstopften Abflussrohr. Analog eine geniale Gelegenheit des unbefangenen Kennenlernens. Und befangen ist er. Sein alter Freund Rolf Lachmann hätte ihn warnen dürfen, auf eine attraktive zierliche Kommissarin war er nicht gefasst. Dabei könnte er nicht ausdrücken was ihn so stark beeindruckte. Mit ruhigen Schritten nähert sich Elisa dem Objekt. Der modrige Schmant und die Aussicht auf schmutzige Hände weckt nicht gerade sein Interesse. Angewidert rümpft er die Nase, krempelt die Ärmel hoch, dann nimmt er den Eimer zur Hand, hockt sich unter das Waschbecken. Er löst dank seiner Kräfte den Flansch des Abflussrohrs mühelos, schüttelt sich abstoßend die Brühe von der Hand und muss doch mit dem Finger im Rohr stochern, um die Verstopfung zu lösen.

      “Falschen Beruf gelernt, wenn ihm, dass was ausmacht”, sagt Karsten.

      “Berthold, du schwingst dich an den Computer und druckst alle Fakten die wir haben vierfach, nein fünffach aus, und dann setzen wir uns in Klausur und arbeiten das Punkt für Punkt nochmals durch”, sagt Rebecca.

      “Wer bekommt das fünfte Exemplar?”, fragt Bettina.

      “Wer wohl?”, sagt Rebecca.

      “Die Couch-Doc”, stöhnt Berthold, dann flucht er, “Scheiße! Der Drucker spinnt. Frisst das Papier mit einem Mal statt es sauber einzeln einzuziehen. Auf die Art hat er mir schon 100 Blatt verkotzt.”

      4

      Elisa schraubt den Abfluss zusammen. Stellt den Eimer in die Ecke und wäscht sich die Hände und sucht das Handtuch vergebens. Er streift das Wasser von den Händen und krempelt die Ärmel ganz langsam wieder runter. Rebecca sieht ihn verwundert an. Will er nicht endlich verschwinden? Mit ein paar Schritten steht Elisa am Schreibtisch, schaut auf den Drucker und legt den kleinen Hebel um von Umschlagformat auf Din A 4. Der Drucker benimmt sich anständig. Elisa grinst.

      “Klempner am Drucker, ich spinne”, sagt Berthold.

      “Handwerker kommen auch nicht um den Fortschritt herum”, sagt Elisa, “im Handwerk hat man schon mit dem Computer gearbeitet da haben Sie allesamt noch im Zehnfingersuchsystem auf der alten Adler gehämmert und die Tippfehler mit Tip-ex kaschiert.”

      “Eine Frage, sind Sie der Chef?”, will Berthold wissen.

      “Sozusagen, mein eigener Chef”, antwortet Elisa.

      “Schade, dann kann ich mich nicht beschweren”, knurrt Berthold.

      “Wer will sich beschweren?”, fragt Staatsanwalt Lachmann.

      “Niemand”, sagt Rebecca.

      “Und, Frau Eden, wie bist du mit ihm zurechtgekommen?”

      “Gut das Wasser läuft wieder einwandfrei ab.”

      “Das Wasser!?” Lachmann stutzt verwundert.

      “Ja das Wasser im Spülbecken”, bestätigt Elisa.

      “War der Klempner schon da? Ich versteh nicht, heute ist Sonntag”, sagt Lachmann.

      “Elisa was hast du vor?”, fragt Rolf Lachmann.

      “Stimmt es ist Sonntag!”, murmelt Rebecca. Oh verflucht! Lachmann duzt nie im Leben einen Klempner. Was ist alles gesagt worden? Der ausgewachsene Pfadfinder schmunzelt viel zu frech. Es wäre an der Zeit ihre Selbstverteidigungsübungen aufzufrischen und ihm das Grinsen aus dem Gesicht zu holen. Sie wirft ihre Vorstellung von hornbrilliger Psychologin über den Jordan und wandelt in handlicher Bursche im vollen Harnisch. Nur bitte, wie klärt sich dies jetzt auf?

      “Auffallend!”, bekräftigt Bettina. Und rückt ihre Bluse zu recht.

      “Kaffee trinken wäre gut”, sagt Elisa und schaut dabei in erstaunte Gesichter.

      Rebecca tritt Bettina unauffällig auf die Füße und hemmt somit die Befehlsaufnahme, die Kaffeemaschine in Gang zu setzen. Machtübernahme von einem Mann in ihrem Reich und Macho freie Zone kommt nicht in Frage.

      “Nun Frau Eden, wie schaut es denn aus mit einem Tässchen, für Herrn Doktor Emilian und mich?”, fragt Lachmann.

      “Nur Emilian!”, betont Elisa zähneknirschend. Und nun will er endlich den Händedruck dieser Frau spüren. “Frau Eden, Frieden?”

      “Herr Emlian, richtig?”, sagt Rebecca.

      “Richtig!”, bestätigt Elisa.

      “Also Herr Emilian, wenn Sie die Spielregeln beachten.” Sie reicht ihm die Hand und verbucht dabei die ersten Übertretungen. Der Händedruck erweist sich als zu fest und er tritt bedrohlich unter die Meter-Grenze, sein Aftersave kribbelt in ihrer Nase. Minutenlange Sekunden treffen sich ihre Augenpaare. Sie hatte vorhin richtig gesehen, moosgrün, warm und sensibel.

      Rasch schiebt sie Bettina vor. “Frau Kämpf.” Bettina hat ihr süßestes Lächeln parat und startet gleich zur Kaffeemaschine durch.

      “Herr