Renate Amelung

Falsche Annahme


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Sie! Ist das der Ausflug Ihrer Intelligenz an die Öffentlichkeit?”, fragt Rebecca.

      “Stellen Sie mir eine Betriebsanleitung aus und sparen Sie solange ich noch lerne mich darin zurechtzufinden mit Ihren wundermilden Fouls. Kämpfen Sie nicht für eine Postemanzipation, wo die ersten Verfechterinnen der Frauenbewegung sich längst mit ihren Büchern eine goldene Nase verdient haben und von dem Geld nach Griechenland, Malediven oder Jamaika fliegen und sich da von einem richtigen Mann der Emanzipation nicht schreiben kann durch, vergessen Sie es, ...weil es hier keine Männer mehr gibt, außer solche die nachts ihre Stiefmütterchen bepinkeln. Im Sitzen!”

      “Wo verbringen Sie Ihren Urlaub, in THAILAND! Doktor <emilian, was habe ich von Ihnen zu erwarten?”

      “Nichts! Ich vernachlässige meine Privat-Praxis und halte mich im Hintergrund während Sie Ihre Arbeit tun, und werde wohl erzogen meinen Finger heben, wenn ich glaube mich mitteilen zu müssen. Und lassen Sie bitte den Titel weg! Ich habe ihn gemacht, weil es sein musste und nun steht er auf einem unbedeutenden Messingschild und auf Visitenkarten, das ist mehr als ich verkraften kann.”

      “Doc-Landliebe in Wollsocken. Keine Sorge Vater Staat bezahlt, an statt Ihrer sozialpenetranten Politikerfrauen auf der Liege.”

      “Das kann er nicht, dafür bin ich zu teuer.”

      Elisa bleibt stehen. Das ist nicht nur ein muffiger alter Bau mit kleinen fast quadratischen Fenstern, sondern auch ein technisches Museum mit Erlebniseffekt. Er zeigt auf den Paternoster. “Muss ich da rein?”

      “Nein, erste Tür. Gehen Sie voraus!”

      “Was wird das?”, fragt Elisa.

      “Gerichtsmedizin, ich meine Sie fangen da an wo alles anfängt!”

      Elisa schluckt. “Muss das sein?”

      “Bröseln Ihnen gleich die tönernen Füße weg?”

      “Emanzenpipapo”, flüstert Elisa. “Ich weiß nicht was es ist, aber ich schlage vor, wir beginnen nochmals, und zwar ganz ruhig und mit Akzeptanz ohne anstrengende Programme scheinheiliger Schmeicheleien.”

      “Okay, wer bezahlt Sie?”, fragt Rebecca.

      “Der Regierungspräsident.”

      Rebecca will die Tür öffnen, doch er hat die Klinke schon in der Hand. Sie rempeln heftig aneinander. Trottel, denkt sie. Elisa legt schützend den Arm auf ihre Schulter, Rebecca weicht mit dem Rücken an die Zarge. Das war ein fataler Fehler, er hat seine Hand am Türrahmen abgestützt und versperrt ihr den Weg. Es wäre ihr ein leichtes ihre Giftzähne in seinen Bizeps zu verbeißen und ihn allemal aus dem Verkehr zu ziehen. Es ist ihr wieder viel zu eng und er riecht verteufelt gut, aber er riskiert auch seinen warmen Tenor. “Das sind dann doch Steuergelder”, sagt sie, und schlupft unter seinem Arm durch.

      “Ne, du, ab dem Vierzigsten...”, sagt eine weibliche Stimme.

      Elisa Emilian ist über vierzig und unterdrückt die animalische Lust seiner rechten Hand über ihren Rücken zu gleiten, über ihren Po zu streichen, möglicherweise sich von dem Hauch ihrer erahnten Dessous erotisieren zu lassen.

      “Ab vierzig sind sie megaout, ich habe doch keine Lust erst stundenlang an seinem Gemach zu manipulieren bis er startklar ist.”

      “Ein Junger will immer und kann öfter.”

      “Ein Alter kann länger.”

      “Bedingt!”

      Von der Kacheloptik ernüchtert, mit Druck in der Magengrube folgt Elisa Rebecca Eden. Der süßliche Geruch des Todes kriecht ihm in die Nase, setzt Erinnerungen frei, die Durchblutung seines Gehirns lässt merklich nach. Durch Watte hört er seinen Namen, fremde Namen die er sich in dem Zustand nicht merken kann. Er würgt. Der Lachs von gestern Abend verlangt nach einem Schluck Wasser. Besser ein Wodka, dann hält er hoffentlich das Maul. Wieder sein Name.

      “Erst 13 Jahre.” Die Pathologin öffnet die Metallklappe in der Wand. In seiner Augenhöhe saust der Schubkasten aus dem Kühlschrank, wird barsch abgebremst. Der Kopf des jungen Mädchens fällt auf die Seite. Elisa eilt aus der Szene, rennt den Gang runter, erwischt unbestimmt wo eine Tür mit zwei Nullen drauf und tritt ein, irgendwo muss er mit der Galle im Mund bleiben. Die Handtasche saust knapp an seiner Schläfe vorbei dabei überfällt ihn schriller Zickengesang. Elisa schluckt bitter und wendet sich ab.

      Türen am Sonntag sollst du meiden, sinniert Rebecca. Das ist bisher der heftigste Zusammenstoß mit diesem blassen Mann. Einem Impuls folgend streift sie Elisa sanft über die Wange. Das Ergebnis ist wie erwartet etwas rau? Sie eskortiert ihn an die frische Luft und organisiert ein Glas Wasser. Sie bereut den Entschluss der Pathologin Doktor Miller das winzige Zeichen gegeben zu haben so unsanft verfahren zu sein.

      “Wann haben Sie gelernt zu wollen was Sie tun?”, fragt Elisa.

      “Und, Sie, wann haben Sie es gelernt?”

      “Bringen Sie mich zurück, ich will das Mädchen noch einmal sehen!”, fordert Elisa.

      “Nein, vielleicht kommen Sie mit einem Foto auch zurecht.” Rebecca schaut auf die Uhr, wenn Bernd so zuverlässig ist wie sonst müssen die auf dem Schreibtisch liegen. “Bettina kocht einen ausgezeichneten Kaffee. Den können Sie sicher vertragen.”

      Berthold sitzt wie erwartet vor dem Rechner und tippt unermüdlich.

      Karsten hat eine besorgte Mimik aufgesetzt, während Bettina warmherzig lächelt und Elisa mit dem Aufputsch versorgt und ihm einen Stuhl anbietet. Rebecca nimmt gleich die Fotos zur Hand.

      “Keine Parallelen, absolut nichts außer, dass sie auf der gleichen Schule waren und Hanna Nöll wie die Tote Nummer 3 Leonie Schmied erwürgt worden sind.”

      “Mit viel zu kleinen Händen”, sagt Elisa. “Was Leonie Schmied betrifft. Ich glaube nicht, dass ihre Pathologin das als Todesursache in ihren Bericht schreibt. Es ist nie der gleiche Typ, sehr blond oder sehr Rot, das gefällt mir nicht.”

      “Gut”, flüstert Rebecca. Sie dreht eine Schleife und tritt an das Fenster. Löcher in die Luft gucken war schon immer eine hervorragende Gedankenstütze. Der blaue Renault Rapid weckt wieder ihre Aufmerksamkeit. Im Augenwinkel sieht sie Emilian mit der Lupe hantieren und sein Kaffeebedarf ist außerordentlich hoch. Das stört Bettina nicht, die eifrig um ihn herum wuselt.

      “Also fassen wir zusammen was es nicht gibt an Fakten”, sagt Karsten.

      Rebecca übernimmt das Wort, “Jasmin haben wir an der Lauswardh gefunden. Da treibt die Strömung des Rheins alles an was zwischen Flehe und dem Düsseldorfer Hafen ins Wasser fällt. Das hat der Schäfer ausgesagt. Er hat selbst schon seine Lämmer da wiedergefunden und eine Menge brauchbarer Gegenstände. Es könnte also ein Unfall gewesen sein.“

      Berthold steht auf und marschiert auf den Stadtplan an der Wand zu. Sein Finger fährt das rechte und linke Rheinufer in besagtem Planquadrat ab. Er schüttelt den Kopf. “Da ist nirgends ein Ufer an dem ein 13-jähriges Mädchen ins Wasser stürzt.”

      “Was ist mit dem Neusser Hafen gegenüber”, wirft Bettina ein.

      “Nichts, da ist keine Strömung außer die der Schiffsschrauben. Da dümpel ‘se ewig auf der Stelle”, belehrt Berthold.

      “Außer”, sagt Elisa, “die Pritsche des Düsseldorfer Rudervereins.”

      “Sie wird auch von den Germanen benutzt”, wirft Bettina ein.

      “Was?”, stutzt Berthold. “Das ist doch unwichtig.”

      “Die hatten 1960 die Goldmedaille in Rom”, bemerkt Bettina.

      Berthold zeigt ihr einen Vogel. “Jedenfalls ist das Ding manchmal so glatt, dass es einem Eistanz gleichkommt. Und da schwimmse nit einfach ans Ufer. Bei dem Wasserstand ist an der Stelle verdammter Druck.”

      “Dann ist aber auch oberhalb Flehe die Jücht überspült, dass bedeutet die Kleine kann