Hermann Christen

Der Eindringling


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nickte. Merlin ordnete seine Gedanken.

      "Wenn ich mir das so ansehe", begann er nachdenklich, "dann kommt der eindeutig nicht aus der Gegend. Ich meine, dass die Bilder etwas mit seiner Herkunft zu tun haben. Schau dir nur die Gebäude an: so etwas findest du bei uns nicht. Dann ist mir aufgefallen, dass die Schriftzeichen, die auf einigen Fotos zu sehen sind, fremd sind."

      "Wie die vom Prospekt", unterbrach Eichhörnchen aufgeregt.

      "Genau! Weiterhin fällt mir auf, dass er auf keinem Bild zu sehen ist. Als ob er keine Familie hat."

      "Vielleicht ist er ein Findelbär und sucht seine Familie."

      "Das habe ich mir auch überlegt. Das passt allerdings nicht zu den Fotos aus dem Zirkus. Fast die Hälfte der Fotos wurde da gemacht. Möglich, dass er ein Zirkusbär war."

      "Und sucht jetzt den Zirkus? Vielleicht vom Wagen gefallen, als der Zirkus umzog."

      "Möglich, möglich. Aber wie kommt er zu uns? Er muss unglaublich weit gelaufen sein. Vielleicht ist er auf der Flucht. Weg vom Zirkus. Hat vielleicht einen Clown gefressen oder so", sinnierend in die Weite blickend unterbrach er seine Gedanken, "wie Clowns wohl schmecken mögen? Ich meine wegen der Farbe im Gesicht?"

      "Und was sucht er in unserer Gegend?", ignorierte Eichhörnchen Merlins Gedankengang.

      "Keine Ahnung", gab Merlin zu, "vielleicht ist er nur auf Durchreise. Vielleicht hat er gar kein Ziel. Vielleicht ist er nur ein zu groß geratener Lemming – und am Schluss stürzt er sich ins Meer."

      Eichhörnchen verstand nicht. Manchmal drückte sich Merlin seltsam aus.

      "Meinst du, dass er gefährlich ist?"

      "Hm – eher nein. Aber er hat so seine Phasen, wie wir seit gestern wissen. Und dann ist er gefährlich!"

      "Vielleicht war das Wetter schuld. Du weißt schon – wochenlanger Regen schlägt aufs Gemüt."

      "Warum verteidigst du ihn?", fragte Merlin verwundert.

      Eichhörnchen zögerte.

      "Ich glaube, dass es ihm schlecht geht, weil er alleine ist. Vielleicht hat er Burnout. Ich möchte ihm helfen. Ich glaube nicht, dass er gefährlich ist."

      "Schon möglich. Aber du kennst ihn kaum."

      "Was ist n' Bärout? Ist das ansteckend", mischte sich Kuno ein. Die verärgerten Blicke von Eichhörnchen und Merlin ließen ihn verstummen.

      "Hattest du gestern auch nur einmal das Gefühl, dass er uns schaden wollte?", fuhr Eichhörnchen fort.

      "Nein."

      "Also!"

      "Das ist doch kein Beweis. Er war müde vom Baumkillen und erstaunt, ja erschrocken, dass wir uns ihm entgegenstellten."

      "Ich hatte in der Krypta den Eindruck, dass er Freunde sucht. Dass er alleine ist und dass er alles dafür tun würde, um irgendwo dazu zu gehören. Wenn man ihn nur eine Chance gäbe."

      "Ich kann dir nicht widersprechen", sagte Merlin langsam, "so ähnliche Gedanken spukten gestern auch in meinem Kopf herum. Er schien so gemeinschaftssüchtig, dass ich dachte, dass, wenn er in einen Anzug passen würde, er sogar für eine Freikirche missionieren ginge."

      Eichhörnchen packte die Habseligkeiten zurück in den Rucksack und winkte Kuno her.

      "Du schleppst den für mich", ordnete es an.

      Kuno warf sich den Rucksack über die Schulter.

      "Wohin geht’s?", rief er fröhlich.

      "Zur Krypta!"

      "Wohin?"

      "Zum Bären – Rucksack zurückbringen. Los!"

      Kuno wurde ganz aufgeregt: er würde den Bären sehen – von ganz nah. Das war besser als eine abgeschriebene Bestnote in Naturkunde.

      Kuno löcherte Eichhörnchen mit Fragen und wollte über jede Einzelheit Bescheid wissen. Eichhörnchen kam der Weg zur Kapelle noch nie so lang vor und seufzte vor Erleichterung, als das Gebäude endlich auftauchte. Durch ein zerbrochenes Fenster an der Rückseite drangen sie in die Kapelle ein und stiegen die Stufen zur Krypta hinab. Es war unheimlich hier unten. Wenigstens war Kuno still. Seine Großmäuligkeit hatte den Einstieg durch das Fenster offensichtlich nicht geschafft. War wahrscheinlich an einer gezackten Scherbe des zerbrochenen Fensters hängen geblieben. Zögerlich und mit bangem Blick schritt er hinter Eichhörnchen. Vor dem Eisentor blieben sie stehen.

      "Hey, pst – ich bin's, Eichhörnchen."

      Kuno sah einen riesigen Schatten aus der Krypta auf sie zukommen. Ängstlich wich er zurück, stolperte über die unterste Stufe und klatschte mit dem Hintern auf die Treppe.

      "Pass auf", sagte der Bär, "sonst geht noch was kaputt."

      "Gib ihm schon seinen Rucksack", drängte Eichhörnchen.

      Ohne den Riesen aus den Augen zu lassen, streifte Kuno den Rucksack von den Schultern und rutschte in kleinen Schritten, die Habseligkeiten des Bären mit ausgestreckten Arm haltend, auf das Eisengitter zu. Der Bär griff durch die Stangen und schnappte sich seinen Rucksack.

      "Danke", murmelte er.

      Er öffnete seinen Beutel und kramte.

      "Dachte, da sei noch ein Riegel drin."

      "Muss wohl rausgefallen sein?", sagte Kuno, der wieder hinten bei der Treppe stand.

      Der Bär grinste.

      "Hat hoffentlich geschmeckt."

      Kuno schluckte und nickte.

      "Ich bin froh, dass ich meine Sachen wieder habe", sagte Buddlibär mit dankbarem Blick.

      Eichhörnchen schlüpfte unter dem Gitter durch. Kuno stockte der Atem.

      "Vielleicht kann ich noch mehr für dich tun."

      "Was denn noch? Ich habe jetzt alles was ich besitze wieder."

      "Ich könnte dir helfen, dass du hier fair behandelt wirst."

      "Das wäre schön."

      Eichhörnchen winkte ab.

      "Erwarte nicht zu viel. Ich möchte nur verhindern, dass die Menschen unfair sind. Du hast das nicht verdient."

      "Danke", brummte der Bär.

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