Replikation - Plasmidvektoren - codierende Sequenzen
Woher hatte D. H. Wong dieses ‘Etwas’? Was wollte er damit?
Waren das Beweismittel? In welchem Zusammenhang standen sie mit seinem gewaltsamen Ableben? - „Ist das Cocain, war Wong drogenabhängig?” - „Wohl kaum,” meinte Kommissar Wendehals, „warum hätte er dann auch noch diesen Zettel zu seinen Suchtrationen stecken sollen, das sieht eher so aus, als hätte er ein Beweismittel gesichert und vor unbefugtem Zugriff verstecken wollen. Aber in welchem Zusammenhang? Wir müssen sukzessive vorgehen, Herr Kollege, Schritt für Schritt, wo wir stehen, was wir bis jetzt an Fakten haben. Ich denke, nur so kommen wir weiter.
Gehen wir chronologisch vor.“
„Lassen Sie uns rekapitulieren, wie der heutige Stand unserer Ermittlungen ist, den Rest kennen Sie ja“, war Mertens‘ Vorschlag.
„Wir wissen von dem Aufenthalt des Toten seit dem 9. Juni, jedenfalls lässt sich vorerst bis zu diesem Datum seine Spur zurückverfolgen.
An diesem 9. Juni hatte Wong handgefertigte Schuhe in Pirmasens gekauft. Was machte er dort? Was ausgerechnet in Pirmasens?
Ich denke, hier müssen wir auch ansetzen oder über die Telefonnummern in Hongkong, wir werden sehen.
Wong hatte diese möblierte Wohnung in der Nähe von Göttingen über eine Immobilienfirma am 1. April für ein halbes Jahr mit Option auf Verlängerung gemietet. Wir haben diese Angaben über den Verwalter des Hausbesitzers erfahren.
Seit dem 9. Juni fehlen uns Angaben zu Wong’s Aufenthaltsort,
abgesehen davon, dass er diese Wohnung angemietet hatte.
Sicher ist nur, dass er in der Zeit vom 25. Juni bis zum 5. Juli ein Zimmer im Gasthof in Sommertal angemietet hatte und dort auch regelmäßig gesehen wurde. Und sicher ist sein gewaltsamer Tod am 6. Juli.“
„Wenn wir diesen Schnipsel Papier nehmen”, wandte sich Kommissar Wendehals an Mertens, "und davon ausgehen, dass es sich um eine Art Untersuchungs- oder Observationsbericht handelte, wäre es von höchster Priorität zu wissen, was in diesem Bericht noch stand. Vielleicht finden Ihre Kollegen vom Erkennungsdienst irgendwelche Informationen dazu auf der Festplatte des Rechners oder vielleicht können sie gelöschte oder überdeckte Informationen wieder aktivieren!”
„Lassen Sie mich rechnen”, unterbrach ihn Kommissar Mertens, "zu Hongkong haben wir derzeit acht Stunden Zeitunterschied, das heißt in etwa einer Stunde können wir versuchen heraus-zufinden, wer hinter den geheimnisvollen Telefonnummern aus der Zahnbürste steckt. Und wir können feststellen, wer sich im einzelnen hinter den dreizehn Autokennzeichen verbirgt.
Ich schlage vor, wir brechen hier erst einmal ab, besorgen uns an der Autobahntankstelle was zu essen und fahren zu mir. Nach ein paar Mützen Schlaf, wenn Sie mit einer durchgelegenen Besucherklappcouch zufrieden sind, können wir vom Kommissariat aus alles Weitere unternehmen und die Kollegen können dann hier morgen alles auf den Kopf stellen.“
„Prima Idee“, entgegnete Wendehals, drehte sich um, nahm seinen Sakko von der Sessellehne und sah nur für einen Sekundenbruchteil in seinem rechten Augenwinkel etwas Blitzen.
Es war weniger ein Blitzen als eine Reflexion und die kam von irgendeiner Unregelmäßigkeit in der wild-gemusterten Tapete hinter der Wohnzimmertür, die direkt gegenüber der Balkontür in den Raum führte. Wendehals hatte zufällig in einem bestimmten Winkel gebeugt gestanden, sodass diese Widerspiegelung ihm überhaupt auffallen konnte, besser: sein Unterbewusstsein in der Lage war, ‘Etwas’ zu registrieren, was im Grunde viel zu kurz gewesen war, als dass die Augen es hätten aufnehmen können. Und dennoch: eine kurze Reflexion hatte genügt, auch wenn die einem Unbefangenen, nicht ‘kriminell’ Veranlagten und Vorbelasteten, wie Wendehals, garnicht aufgefallen wäre.
Wendehals ging zu der Stelle, die den Lichtschein der Deckenlampe widergespiegelt hatte. Er entdeckte auf der Tapete ein Stück transparentes Klebeband, das so schlechte Reflexionseigenschaften hatte, dass es wirklich purer Zufall gewesen war, diesen Klebestreifen zu entdecken.
Bei näherer Untersuchung fühlten Wendehals und Mertens links von dem Klebestreifen, der etwa acht Zentimeter lang und einen Zentimeter breit war, eine kaum merkliche Ausbeulung der Tapete.
Wendehals riss vorsichtig den Klebestreifen ab, der sich recht
einfach von der rauen Oberfläche der Tapete trennte.
Aus der jetzt an dieser Stelle etwas aufklaffenden Tapete zog Wendehals zu seinem nicht geringen Staunen eine Code-Karte in einer dünnen Plastikschutzhülle hervor.
Mertens war verblüfft. Ein phantastisches Versteck, aber doch nicht gut genug!
Die Karte war bis auf eine sechzehnstellige Nummer, die in die Mitte der Karte, die Scheckkartengröße hatte, eingedruckt war und bis auf drei Großbuchstaben mit einem Punkt hinter jedem
und einer zu vermutenden Titelbezeichnung Dr. A. B. C., unbedruckt.
Wendehals und Mertens beschlossen, ihr Glück nicht weiter zu strapazieren; falls es hier noch weitere solcher raffinierten Verstecke geben sollte, würden die Kollegen vom Erkennungsdienst sie am nächsten Tag finden; die Wohnung musste jedenfalls äußerst sorgfältig durchsucht werden.
Für heute hatten die beiden hier genügend Material zusammenbekommen, sodass sie erst einmal mit dessen detaillierter Auswertung beginnen mussten. Hinter dem Ganzen hier steckte, da waren sich beide jetzt sicher, nicht nur ein ganz normaler Mord, sondern viel mehr und, wer weiß, vielleicht hingen auch die übrigen Morde in der letzten Zeit in der Nähe des kleinen Örtchens Sommertal alle irgendwie zusammen ...
Kapitel 4
Während Kommissar Wendehals und sein Kollege Mertens genüsslich eine Tasse brühenden Kaffees schlürften und dazu in frisch aufgebackene Baguette mit Schinken und hauchdünn geschnittenem Emmentaler bissen, mit ihren Gedanken doch schon wieder beim Fall waren und Wendehals die Chronologie des bisher Bekannten auf einem Notizblock rechts neben der Kaffeeuntertasse anfertigte ...
... wechselte in dreihundertundvierzig Kilometer Entfernung-Luftlinie in einem kleinen Ort namens Volendam in der Nähe von Edam am holländischen Ijsselmeer, garnicht weit von Amsterdam, ein Paket, etwa dreißig mal fünfundzwanzig mal zwanzig Zentimeter groß, eine Styroporkiste, den Besitzer, als Grete Oostburg einem ihr unbekannten Fischer die kleine Kiste übergab.
Die Frau, die einem schwarzen Passat mit Kennzeichen NF-372-317 entstiegen war, eine schlanke Brünette von vielleicht fünfundzwanzig, vielleicht hübsch, aber durch einen harten Zug um den Mund eher als bösartig und ‘mit Vorsicht zu genießen’ einzustufen, eine instinktmäßige Einschätzung, die auch die Gedanken des Fischers eher auf diesen Wesenszug als auf anderes Äußeres lenkten, fragte: „Kennen Sie Edam?”
Worauf der Fischer antwortete: „Ich habe dort in meiner Jugend gearbeitet!”
Auf dieses ‘Kennenlernen’ holte die Brünette ein Codiergerät aus Ihrer Umhängetasche, ein Gerät ähnlich einem Scheckkartenlesegerät, nur handgroß, tippte eine sechzehnstellige Nummer ein und hielt dem Fischer das Gerät hin mit der Aufforderung, seine Code-Karte einzustecken.
Der Fischer kramte umständlich unter seinem Takelhemd in der Brusttasche der Latzhose und förderte eine Codekarte in einer Plastikhülle hervor; mit den Worten: „Die Hülle ‘is wohl wegen
des Fischgeruchs, der den Magnetstreifen sonst wegätzt” und einem kehligen Lachen steckte der Fischer die Karte in den dafür vorgesehenen Schlitz. Ein grünes Licht links oberhalb des Tastwahlblocks blinkte und ein auf und abschwellender Summton ertönte für fünf Sekunden. Der Codierer spuckte die Karte wieder aus.
„OK.” stellte die Frau fest und übergab dem Fischer das Paket.
„Den nächsten Termin erfährst Du rechtzeitig”, meinte sie dann noch und stieg auch schon in ihr Fahrzeug.
Ohne