Reinhard Heilmann

Wenn Alpträume wahr werden ...


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Kaliberangabe auch die Herstellernummern vermerkt, sodass man die Waffe eindeutig identifizieren kann. Man könnte doch also hingehen und mit all’ den Büchsen einen Vergleich vornehmen, die auf die Jäger, die an der Jagd teilgenommen haben, registriert sind.”

      „Auch wieder richtig, hat man auch”, entgegnete Wendehals, „nur waren auch ein paar Gäste dabei, deren Jagdschein und Waffenbesitzkarte sich der Jagdleiter zwar hat vorlegen lassen, die jedoch in keiner Liste ordentlich vermerkt waren, sodass man sie hätte namentlich und mit Anschrift vorladen können. Es bleiben also ein paar Zweifel offen, obwohl, nach dem, was dort

      in diesem Jahr passiert ist und nach den Hintergründen, und schließlich der Zusammenhang mit Wong, dem vierten Toten, steht für mich fest, dass es da andere Zusammenhänge gibt, als nur ein zufälliger Treffer bei einer Jagd.”

      „Also gut, drei Tote, die irgendwie miteinander im Zusammenhang stehen, vielmehr deren Ermordung und dann ist da Wong. Der fällt wohl etwas aus dem Rahmen, denn die drei anderen waren ja ‘Jünger’ dieser Sekte oder zumindest Sympathisanten. Jedenfalls hielten sich alle drei im Schloß auf und nahmen da an irgendwelchen Veranstaltungen, Sitzungen, Meditationskursen oder sonstwas teil. Was machen die da eigentlich? Sagen Sie Herr Wendehals, welche Informationen haben Sie über diese Sekte?”

      „Im Grunde zu wenige, es handelt sich um eine bereits seit dreitausend Jahren nachgewiesene Lebens- und Heilslehre, die man als die Ursprünge dieser 'Wissenschaft des Lebens' betrachtet und, wie soll es anders sein, den Nimbus des Alleinwesentlich-und-Richtigen für sich in Anspruch nimmt. Bestimmte Regeln dieser Lehre verbieten das Essen von Fleisch, schreiben regelmäßige Meditationen und Konzentrationsübungen vor, eine Insich-Kehrung und Selbstfindung. Das Ganze wird durch gemeinsame ‘Aufbaukurse’ vermittelt. Der Zulauf ist gerade bei der jüngeren Generation sehr groß. In Liebesdingen zwischen den Geschlechtern ist man sehr großzügig, was vielleicht auch noch eine Art Magnet für die Attraktion jüngerer Interessierter sein kann, obwohl, heutzutage ...

      Sie kennen sicher auch die einschlägigen Billigsendungen nicht nur der privaten Fernsehsender, in denen einem bereits seit Jahren und sogar, für mich immer wieder erstaunlich, mit großem Erfolg in Hunderten von Folgen, kennen Sie ‘Birkenstrasse’? oder ‘Mariannenhof’ oder so ähnlich, den Leuten eine derart schmutzige und primitive Version des Alltagslebens untergeschoben wird, das man den Eindruck hat, im Grunde drehe sich alles um billigen Sex und das am liebsten reichlich gemischt unter den Geschlechtern und wer mit wem, ist ganz egal! Und das soll unser Leben ausmachen?

      Aber ich schweife ab ..., jedenfalls kann das allein oder diese tolle Aussicht auf ein paar billige freizügige Abenteuer allein nicht der Grund sein, warum diese Sekte weltweit so guten Zulauf hat. Ich denke, es ist wie bei den meisten dieser ‘Verführer’: sie finden rhetorisch geschult die richtigen Worte, sind Meister der Dialektik und überzeugen durch kleine Wunder, die bei Näherem betrachtet alltägliche Taschenspielertricks sind. Aber wir wollen ja diesen Heilsbringern nichts generell Schlechtes unterstellen! Es gibt sicher auch bei denen solche und solche und zumindest habe ich von dieser A-Sekte noch nicht gehört, dass sich deren Anhänger mit ihrem gesamten Besitz der ‘Glaubenslehre’ verschreiben müssen und sich mit Haut und Haaren ausliefern. Nein, man darf nicht nur Schlechtes darüber denken. Ein Gutes zumindest ist ja auch, dass sich diese jungen Menschen mit sich, der Suche nach dem Sinn und dabei auch miteinander auseinandersetzen, ein Nährboden, aus dem schon viel Gutes gesprießt ist. Wenn da nur bei vielen nicht auch Drogen hinzukommen, wie sie nun einmal in fernöstlichen Regionen oft zur Stimulation angewandt respektive eingenommen werden.

      Die Frage ist eben, inwieweit der Realitätsbezug und das Moralempfinden dadurch soweit verändert und gestört werden, dass sich diese geänderte Einstellung auch zu kriminellen Handlungen nutzen lässt, und damit sind wir bei unserem Thema.”

      „Es wird sicherlich aufschlussreich sein, wenn wir mit unserem heutigen Wissen dieser Sekte mal einen Besuch abstatten. Ich weiß noch nicht, wie ich das hinbiegen kann, dass ich weiterhin an dem Fall dranbleiben kann - immerhin stammt ein Toter zumindest von hier -, aber ich würde gerne weiter mit Ihnen zusammenarbeiten, Herr Wendehals! Diese Geschichte ist mal

      was ganz anderes, als der Alltag hier bei uns in der Provinz.”

      „Kein Problem, Herr Mertens. Es gibt da ein bezirksübergreifendes Austauschprogramm, das zwar gerade erst anläuft und im Grunde noch nicht offiziell ist, aber darüber wäre möglicherweise eine ganz normale Zusammenarbeit unserer beider Dezernate möglich, ich werde mich da später gleich mal schlau machen.”

      Kapitel 6

      Während die beiden ihre Liste der Fakten und Einzelinformationen, die ihnen bisher zur Verfügung stehen, vervollständigen ...

      ... während irgendwo auf den Höhen oberhalb der Ammer zehn Autominuten von seinem Amtssitz entfernt Kriminaldirektor Hirzfeld gerade die Füße aus dem Bett streckt, sich reckend und gähnend aufsteht ...

      ... während über Sommertal noch ein fahler Mond steht, der mit dem Höhersteigen der Sonne immer mehr verschwindet und sich die ersten Meditierenden im Lotussitz ihren Verinnerlichungen hingeben ...

      ... und nachdem in der Nacht zuvor wie auch an den vergangenen Tagen und Nächten nicht fieberhaft, aber doch in gewisser Eile akribisch sorgsam und mit der gebotenen Zügigkeit sämtliche Gerätschaften, Chemikalien und Vorrichtungen aus den ausgedehnten Laborräumen im Kelleruntergeschoss des jahrhunderte-alten Backsteinhaupthauses ausgebaut, verpackt und entfernt worden waren - in den kommenden Tagen sollten auch sämtliche Anschlüsse, Kabel, Rohre und Zuleitungen von Handwerkern fachgerecht abmontiert und verschalt werden, sodass nichts mehr hier unten an die frühere Funktion der Räume erinnern würde -

      ... und während sich in Ostursel, einem Ort etwa zwanzig Kilometer nordwestlich von Frankfurt am Main in einem schicken Villengebiet etwas am Rande des Städtchens in der Krokusstrasse Nummer siebzehn eine im allgemeinen für die Mutter gehaltene junge Frau über das Bettchen ihres vier Jahre alten Sohnes

      beugt ...

      ... ahnt Kapitän Crevette von der ‘Marie-Louise’ noch nicht,

      dass er nicht lange viel Freude an den zehntausend Euro haben wird, die er von demjenigen, von dem er den Schließfachschlüssel zu Fach Nr. Vierzehn im Bahnhof Brügge per Kurier zuschickt bekam, erhalten hat. Der Betrag ist ein Bruchteil dessen etwa nur, was der Inhalt tatsächlich wert war, unter ‘Brüdern’.

      In Schließfach No. 14 deponierte Kapitän Crevette im Gegenzug die seinerzeit ohne weiteres Aufsehen verschwundene kleine weiße Styroporkiste.

      Der kleine schwarze Koffer im Austausch war vollgestopft mit gebündelten Zwanziger-Scheinen. Und das war der Haken. Es handelte sich um auf einem XEROXIN XXL Futuro-Komet gefertigte wunderschöne Geldscheine, jedoch alle ohne eingestanzten Sicherheitsfaden, ohne Hologramm und mit insgesamt nur zehn verschiedenen Seriennummern. Dass weder das Papier, noch die Banderolen Originale der französischen Notenbank und die Farben für einen Laien allerdings nicht ohne weiteres festzustellen, etwas zu kräftig waren, fiel auch Kapitän Crevette nicht auf.

      Und da er den Anweisungen entsprechend in den ersten drei Monaten das Geld nicht anrühren und davon vor Ablauf dieser Frist keinesfalls etwas ausgeben sollte, fand man dann später bei

      ihm diesen Koffer noch so gut wie komplett und unberührt unter einem Berg Wäsche in seinem Reisekoffer, der mit Übergewicht von zwölf Kilo für einen Flug nach Nassau, Bahamas aufgegeben worden war.

      Kapitel 7

      Auch wenn Kapitän Crevette gemeint hatte, es besser wissen zu können, konnte keiner der Beteiligten oder darin Verwickelten mit dem Inhalt der Styroporkisten irgendetwas anfangen oder versuchen, den Inhalt auf eigene Faust zu ‘versilbern‘. Das bißchen milchigtrübe Flüssigkeit in den Gläschen, die in einer Aluminiumröhre, umgeben von etwa zwei Zentimetern eines weißlichengrauen Pulvers steckte, war für die wenigen Neugierigen, die einmal einen Blick in