Sarah Glicker

Your Man


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„Dann kann ich auch eben reinspringen und es im Büro abgeben.“

      Zufrieden und gleichzeitig auch erleichtert sieht er mich an.

      „Wo geht es denn hin?“

      „Ich bin mit ein paar Freunden verabredet“, antworte ich nur und zucke mit den Schultern.

      Die Wahrheit sieht allerdings so aus, dass ich eigentlich nichts zu tun habe. Daher mache ich das gerne.

      „Ich schulde dir etwas“, verkündet er und verschwindet dann so schnell, wie er aufgetaucht ist.

      Lachend sehe ich ihm nach.

      Unser Leben kann schon sehr chaotisch sein. Schon alleine aus diesem Grund sind wir auf die Hilfe der anderen angewiesen. Doch wir verfolgen alle das gleiche Ziel und arbeiten Hand in Hand.

      Die Fahrt zum College dauert eine Ewigkeit. Die Straßen sind so voll, dass ich die meiste Zeit im Stau verbringe und kaum vorankomme. Auch dauert es länger, als ich gedacht habe, bis ich endlich einen freien Platz gefunden habe, wo ich meinen Wagen abstellen kann.

      Als ich mich endlich auf den Weg in das Hauptgebäude machen kann, weiß ich zumindest wieder einen Grund, wieso ich mich damals dagegen entschieden habe, ebenfalls mit einem Studium zu beginnen. Der andere ist, dass es mir eh nichts in unserer Branche bringen würde und ich damit nur Zeit verschwendet hätte. Sogar Taylor hat das gemerkt, schließlich hat er sein Studium abgebrochen.

      Nachdem ich die riesige Halle betreten habe, bleibe ich vor der Tafel stehen, die sich an der Wand befindet und halte Ausschau nach dem Anmeldungsbüro. Oder irgendetwas, wo ich die Anmeldung abgeben kann.

      Da so viele verschiedene Bereiche darauf stehen, dauert es etwas länger, doch schließlich kann ich sie beim Überfliegen in der Mitte erkennen.

      Schnell suche ich mir den richtigen Weg und gehe den Flur entlang. Ein paar der Studentinnen sehen mich an, während ich die Bezeichnungen an den einzelnen Türen lese. Allerdings beachte ich sie nicht.

      Nachdem ich das Büro gefunden habe, klopfe ich kurz und trete dann ein, ohne zu warten, dass man mich dazu auffordert. Eine ältere Dame hebt ihren Kopf und sieht mich über den Rand ihrer Brille hinweg interessiert an.

      „Was kann ich für Sie tun?“, erkundigt sie sich.

      „Ich wollte die Unterlagen meiner Schwägerin vorbeibringen. Sie möchte ihr Studium fortsetzen.“

      „Fortsetzen? War sie vorher schon auf diesem College, oder auf einem anderen?“ Neugierig begutachtet sie mich.

      „Sie hat in Deutschland angefangen, dann kam allerdings ein Notfall in ihrer Familie dazwischen. Mittlerweile ist dieser allerdings aus der Welt geschafft worden und sie möchte es beenden.“

      Ich habe keine Ahnung, wieso sie mich das fragt. Schließlich steht hier alles drin, was sie wissen muss. Und das ist sicherlich auch klar.

      „Dann geben Sie mal her“, fordert sie mich auf und streckt ihre Hand nach dem Umschlag aus.

      Schnell gebe ich ihr diesen und mache dann wieder einen Schritt nach hinten. Wissend sieht sie die Unterlagen schnell durch und nickt schließlich.

      „Es scheint alles da zu sein. Sollte doch noch etwas fehlen, werde ich mich melden. Es wird allerdings ein paar Wochen dauern. Sie sehen ja selber, mein Schreibtisch ist voll.“

      Mit diesen Worten deutet sie kurz auf das Chaos, welches sich auf der Tischplatte befindet. Ich muss zugeben, dass es wirklich ein Wunder ist, dass sie hier überhaupt noch einen Durchblick hat.

      Mehr sagt sie nicht, sondern sieht wieder auf den Bildschirm ihres Computers, wo sie irgendetwas anklickt. Auf diese Weise entlässt sie mich. Allerdings muss ich zugeben, dass man das auch durchaus freundlicher machen könnte.

      „Bye“, gebe ich nur von mir, drehe mich um und trete wieder auf den Flur hinaus.

      Doch kaum habe ich das getan, merke ich, dass ich mit jemanden zusammengestoßen bin und höre, wie Bücher auf den Boden fallen.

      Erschrocken sehe ich auf die Frau, mit der ich aneinander geraten bin. Einen Moment betrachtet sie mich, ehe sie sich bückt und beginnt, ihre Unterlagen zusammenzusuchen.

      Sie ist ungefähr zwei Köpfe kleiner als ich, was aber nicht auffällt, da sie hohe Schuhe trägt. Ihr Körper steckt in einer engen Jeans und einem ebenfalls engem Shirt. Ihre leicht gewellten Haare fallen ihr ins Gesicht, allerdings kann ich genug davon erkennen, um festzustellen, dass es wunderschön ist. Und das, obwohl sie nicht einmal ansatzweise so viel Make-up trägt, wie es die meisten anderen Frauen tun, die sich um uns herum befinden.

      2

      Natalie

      „Warte, ich helfe dir“, erklärt der Mann, mit dem ich zusammengestoßen bin. Noch bevor ich etwas von mir geben kann, bückt er sich in der nächsten Sekunde bereits, um nach einem der Bücher zu greifen.

      All das geht so schnell, dass ich keine Ahnung, wie ich reagieren soll. In der einen Sekunde laufe ich noch den Flur entlang und in der nächsten hockt schon ein fremder Mann mit mir auf dem Boden, um mir mit meinen Büchern zu helfen.

      In der Sekunde, in der ich nach einem weiteren meine Hand ausstrecke, will er es ebenfalls in die Hand nehmen, sodass wir beide es gemeinsam aufheben. Dabei berühren sich unsere Hände.

      Ich spüre, wie ein Stromschlag durch meinen Körper fährt. Er sorgt dafür, dass ich zusammenzucke und ich kurz nicht klar denken kann. Mein Herz beginnt wie wild zu schlagen.

      Dieses Gefühl reißt mich aus meiner Bahn. Ich war eindeutig nicht darauf vorbereitet.

      Mit einem schüchternen Lächeln auf den Lippen sehe ich ihn an, nachdem ich meinen Kopf ein Stück angehoben habe. Wieso ich gerade so zurückhaltend bin, kann ich selber nicht so genau sagen. Vor allem aus dem Grund, weil ich das normalerweise nicht bin.

      Als ich ihn nun genauer betrachte, erkenne ich auf den ersten Blick, dass er normalerweise nicht zu den Männern gehört, mit denen ich etwas anfangen würde. Und dennoch weckt er sofort Gefühle in mir, die ich so intensiv noch nie wahrgenommen habe. Doch schnell schiebe ich sie zur Seite.

       Ich kenne ihn nicht, nicht einmal seinen Namen. Es ist das erste Mal, dass ich ihn sehe, rufe ich mir in Erinnerung. Und das sorgt schließlich dafür, dass ich mich wieder einigermaßen fassen kann.

      „Du solltest nicht so viele Bücher auf einmal schleppen“, stellt er fest, nachdem er einen Blick auf den viel zu großen Stapel geworfen habe.

      Nachdenklich werfe ich ebenfalls einen prüfenden Blick auf die zahlreichen Bücher, bevor ich mich wieder auf ihn konzentriere.

      „Ich weiß“, gebe ich schließlich von mir. „Allerdings muss ich sie alle in die Bibliothek bringen und mein Wagen steht in der hintersten Ecke des Parkplatzes. Daher habe ich keine Lust, mehrmals zu laufen.“

      Ich zucke mit den Schultern, sodass er lachen muss. Kaum nehme ich den Ton wahr, wende ich mich schnell wieder von ihm ab.

      „Brad“, stellt er sich mir vor und nimmt ein paar der Bücher auf den Arm.

      Langsam erhebt er sich zu seiner vollen Größen. Kurz lege ich meinen Kopf ein wenig in den Nacken und sehe ihm dabei zu. Doch bereits in der nächsten Sekunde reiße ich mich wieder zusammen und erhebe mich ebenfalls. Dann drehe ich mich zu ihm herum und sehe ihn wieder an.

      „Natalie“, erwidere ich nun, nachdem sich mein Herzschlag wenigstens etwas wieder beruhigt hat.

      „Ein schöner Name.“

      Ich habe schon einige Komplimente bekommen. Meistens von Männern, die der Meinung waren, dass ich direkt mit ihnen ins Bett springe. Allerdings hat mir noch nie jemand gesagt, dass ich einen schönen Namen habe. Und ich gebe zu, dass mir das ein wenig imponiert.

      „Und was studierst du?“, fragt er mich nun.

      „Jura“,