Sarah Glicker

Your Man


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nun nervös bin. Doch irgendwie kommt es mir so vor, als wäre es dieses Mal anders. Dabei kann ich es nicht genau beschreiben. Doch das Gefühl hält sich hartnäckig.

      Die Adresse, die sie mir gegeben hat, befindet sich auf der anderen Seite der Stadt, ebenfalls in einer guten Wohngegend. Ich bin ein paar Mal hindurchgefahren, allerdings habe ich noch keine Frau getroffen, die dort wohnt.

      Die Häuser sind zwar nicht ganz so riesig, wie es in unserer Straße der Fall ist, doch das ändert nichts daran, dass man auf den ersten Blick erkennt, dass hier eindeutig nur Ärzte und Anwälte leben. Die Leute sind erfolgreich und verdienen mehr als genug Geld.

      Es dauert nicht lange, bis ich das Haus gefunden habe, welches ich suche.

      Es ist komplett in weiß gehalten. Die Fenster im Erdgeschoss sind riesig, sodass ich davon ausgehe, dass sie bis zur Decke reichen. Ich kenne mich mit Blumen und Pflanzen nicht aus, doch diese sehen so aus, als wären sie nicht günstig gewesen. Kunstvolle Verschnörkelungen zieren die Fassade.

      Dieses Haus sticht aus der Menge heraus, sodass ich mir sicher bin, dass ihre Eltern gut in ihrem Geschäft sind. Was auch immer sie machen.

      Langsam fahre ich in die Einfahrt, die in einem Halbkreis angelegt ist, und bleibe schließlich direkt vor der Eingangstür stehen, die ebenfalls schneeweiß ist. Schnell steige ich aus und gehe auf den Eingang zu.

      Ich habe die Tür jedoch noch nicht einmal erreicht, da geht sie bereits auf und Natalie erscheint auf der Bildfläche.

      Mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht begrüßt sie mich. Ohne ein Wort von mir zu geben, lehne ich mich ein Stück nach vorne, sobald ich vor ihr stehen geblieben bin, und drücke ihr einen Kuss auf die Wange.

      Im ersten Moment sieht sie mich überrascht an, doch schnell hat sie sich wieder gefangen. Allerdings ändert das nichts daran, dass sie ein wenig rot im Gesicht wird.

      „Du siehst gut aus“, stelle ich fest und setze damit noch einen obendrauf.

      Langsam lasse ich meinen Blick über ihren Körper wandern. Dabei nehme ich jedes Detail in mir auf.

      Ihr schwarzes Kleid passt perfekt zu ihren ebenfalls schwarzen Pumps und umspielt ihre Figur. Es zeigt nicht zu viel, überlässt aber auch nichts der Fantasie. Ihre Haare hat sie sich zu einem lockeren und gleichzeitig verspielten Zopf nach hinten gebunden.

      „Danke, ich war mir nicht sicher, was ich anziehen sollte. Aber ich denke, dass ich es so ganz gut getroffen habe.“

      Ein wenig nachdenklich betrachtet sie mich, sodass ich mir ein leises Lachen nicht verkneifen kann. Nach unserer kurzen Unterhaltung heute Vormittag, hatte ich nicht den Eindruck, als wäre sie schüchtern. Und auch jetzt kommt es mir nicht so vor. Zumindest nicht komplett. Doch sie hat eindeutig auch keine große Klappe, was ich aber genieße.

      „Wollen wir uns auf den Weg machen?“

      „Gerne.“

      Mehr sagt sie nicht, sondern greift nach ihrer Tasche und tritt hinaus, um die Tür hinter sich zu schließen. Nachdem ich die Autotür hinter ihr geschlossen habe, setze ich mich wieder hinter das Steuer.

      „Also“, beginnt sie, sobald ich angefahren bin. „Wohin entführst du mich?“

      Einen Moment sehe ich sie mit einem Schmunzeln an. Ich spüre, dass sie ungeduldig ist. Und ich gebe zu, dass mich das freut.

      „Ich dachte mir, wir fahren zum Strand“, verkünde ich, als ich finde, dass ich sie lange genug hingehalten habe.

      „Das hört sich gut an.“

      Natalie dreht sich in meine Richtung, sodass sie mich ansehen kann. Einige Sekunden schweigt sie. Ich habe keine Ahnung, was ihr gerade durch den Kopf geht. Ich ziehe es jedoch vor, ihr Zeit zu geben.

      „Du hast mir noch gar nicht gesagt, was du beruflich machst“, bricht sie nun ihr Schweigen. „Nur, dass du in der Firma deiner Familie arbeitest. Aber was macht ihr genau? Ich weiß, ich bin furchtbar neugierig.“

      Mir ist bewusst, dass sie sich nur unterhalten und mehr über mich erfahren will und sich deswegen darüber informiert, beziehungsweise mich ausfragt. Dennoch ist es kein Thema, über das ich mich unterhalten will. Und das vor allem aus dem Grund, weil ich keine Ahnung habe, was ich gerade darauf von mir geben soll. Unter anderem auch deswegen, weil es nicht leicht ist, das einer außenstehenden Person zu erklären.

      Unsere Geschäfte sind kompliziert und definitiv nicht ungefährlich. Daher ist es besser, wenn so wenig wie möglich darüber Bescheid wissen.

      „Meine Familie hat in vielen Bereichen ihre Hände drin“, gebe ich als nur von mir und zucke mit den Schultern. Gleichzeitig hoffe ich, dass sie es einfach so stehen lässt.

      Irgendwann werde ich ihr vielleicht die Wahrheit sagen, doch das hier ist definitiv nicht der geeignete Zeitpunkt dafür.

      Neugierig betrachtet sie mich einige Sekunden.

      „Also ungefähr so wie mein Vater. Manchmal glaube ich, dass er selber nicht mehr weiß, was er eigentlich alles macht“, gibt sie lachend zurück. „Auf jeden Fall habe ich keine Ahnung.“

      Da ich die Befürchtung habe, dass sie weiter nachfragt, gehe ich nicht näher darauf ein. Stattdessen fahre ich zum Strand, wo ich einen freien Parkplatz suche. Dabei muss ich aber zugeben, dass sie mein Interesse geweckt hat.

      Nachdem ich den Wagen abgeschlossen habe, gehen wir gemeinsam den Weg hinunter, bis wir das Wasser erreicht haben. Hand in Hand laufen wir durch den Sand, wobei Natalie ihre Schuhe auszieht, damit sie diese nicht verliert. Dabei unterhalten wir uns über alles Mögliche. Natalie berichtet mir, wie ihr Tag auf dem College war und ich erzähle ihr mehr über meine Familie.

      Neugierig hört sie mir zu und stellt dabei viele Fragen, vor allem, was Rachel und Laura angeht.

      „Hast du keine Geschwister?“, frage ich sie nun.

      „Ich hatte einen Bruder“, murmelt sie vor sich hin.

      Von einer Sekunde auf die andere macht sie den Eindruck auf mich, als wäre sie traurig. Sie scheint sich in ihrer eigenen Welt zu befinden. Doch ich kann es nicht genau einordnen. Bevor ich allerdings weiter fragen kann, fährt sie fort.

      „Er ist vor ungefähr einem Jahr bei einem Unfall gestorben. Er ist bei rot über eine Ampel mit dem Motorrad gefahren. Ich habe keine Ahnung, wieso er das getan hat. Ich kann es nicht einmal ansatzweise sagen. Der LKW konnte nicht mehr ausweichen und hat ihn erwischt. Er war auf der Stelle tot.“

      Einige Sekunden sieht sie an mir vorbei. Ich spüre, dass sie sich in ihren eigenen Gedanken befindet und gebe ihr die Zeit, die sie gerade braucht, um sich wieder zu fangen.

      Schließlich konzentriert sie sich jedoch wieder auf mich.

      „Vor allem für meinen Vater war es hart. Mein Bruder sollte irgendwann die Firmen übernehmen. Ich hingegen war nur froh, dass er nicht noch leiden musste.“

      Sie zuckt mit den Schultern. Auf diese Weise will sie mir zeigen, dass sie sich damit abgefunden hat, was passiert ist. Doch der verlorene Blick spricht eine andere Sprache.

      In mir macht sich die Vermutung breit, dass sie ihm nahestand. In diesem Fall ist so ein Unfall noch schwieriger zu verkraften.

      Daher ziehe ich sie an mich, schließe sie fest in meine Arme und drücke ihr einen Kuss auf die Haare.

      Einige Minuten bleiben wir so stehen. Keiner von uns sagt ein Wort. Als ich meinen Blick jedoch auf unsere Umgebung richte, erkenne ich in einiger Entfernung ein kleines Restaurant.

      „Ich glaube, wir sollten etwas essen“, verkünde ich. Auf diese Weise versuche ich sie abzulenken und hoffe, dass sie mir diese Chance gibt.

      Einen Moment scheint sie darüber nachzudenken, doch schließlich nickt sie und lässt sich von mir führen.

      In den letzten Stunden sind wir uns eindeutig näher gekommen. Das kann man nicht von der Hand abweisen. Nicht nur, dass sie mir von dem Tod ihres