Ruth Broucq

Ist der Ruf erst ruiniert...


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hin als ich die Tür öffnete.

      Rabea schaute mich mit sorgenvoller Miene an und maulte gleich: „Mama, du machst ja vielleicht Sachen! Kannst du nicht wenigstens ne kurze SMS schreiben, das alles in Ordnung ist? Dir muss doch klar sein, dass ich mir Gedanken mache, was mit dir los ist. Also wirklich, du bist doch sonst nicht so oberflächlich.“

      „Was soll denn mit mir sein? Ich habe nach der OP geschlafen. Ich war einfach kaputt. Hab die Nacht kein Auge zugemacht.“ Bagatellisierte ich.

      „Eben, darum! Nicht wegen heute morgen, sondern weil du gestern Nacht noch Besuch hattest. Woher weiß ich denn, dass dir nichts passiert ist? Also bitte, das kannst du doch nicht machen, mich einfach im unklaren lassen. Du musst mir wenigstens eben Bescheid geben. Demnächst ruf mich eben an oder schick ne SMS, damit ich beruhigt bin,“ verlangte meine Tochter.

      Ich winkte ab: „Ach, was soll mir schon passieren. Ich bin doch schon groß!“

      Sie überhörte meinen Gag, fragte ärgerlich: „Wieso machst du denn auch noch so spät Termine? Das ist doch viel zu riskant hier so alleine! Wer war das denn? War der schon mal hier? Kennst du den schon lange? Oder war das vielleicht gar kein Kunde, sondern der Darki?“ drängte sie mich zu einer Erklärung.

      „Ist das jetzt ein Verhör, oder was?“ war meine abweisende Gegenfrage. „Ich hatte Besuch, basta. Geht dich nichts an. Aber der Darki war es nicht. So Schluss jetzt. Aber in einem hast du recht, ich werde dich demnächst eben informieren. Ist es damit gut?“ versuchte ich den Frieden wieder herzustellen und so weiteren Fragen auszuweichen. Ich wollte ihr nichts von meinem Ausrutscher erzählen. Ja, genau als das sah ich es, als einmaligen Ausrutscher. Rabea hätte dafür kein Verständnis, sie würde es als Irrsinn ansehen, mich für verrückt erklären. Eine ganze Nacht mit einem Fremden zu ficken und das noch ohne Bezahlung.

      Ich sah es anders, Marius hatte mir mehr gegeben als Geld. Befriedigung und Glück und die Bestätigung noch eine begehrenswerte Frau zu sein. Noch nicht zu den Abgeschriebenen, Ausgemusterten zu gehören. Endlich konnte ich wieder über die Straße gehen in dem Selbstbewusstsein, von dem anderen Geschlecht wieder beachtet zu werden. Lange Zeit, ich wusste nicht zu sagen wie viele Jahre, war ich mir wie eine graue Maus vorgekommen, kein männlicher Blick hatte mich verfolgt oder auch nur gestreift, war ich Luft gewesen. Für eine selbstbewusste Frau, die im ganzen Leben immer beachtet, begehrt, bewundert, beneidet und Mittelpunkt war, eine demütigende Erfahrung. Das war seit der letzten Nacht anders, hatte sich ins Gegenteil gewendet. Schon vor einigen Stunden, als ich durch die Fußgängerzone gegangen war, sowie in der Arztpraxis, da hatte ich bereits festgestellt, dass mich ein paar Herren aufmerksam gemustert hatten. Frech hatte ich den Männern in die Augen gesehen und Einer hatte mir sogar zugezwinkert. Das hatte mir enormen Auftrieb gegeben. Ich war wieder da. War wieder Weib.

      Das hatte ich Marius zu verdanken, denn vermutlich hätte ich gar nicht darauf geachtet, wäre weiterhin blind durch die Stadt gelaufen, wenn dieser seltsame Mann mich nicht derart begehrt hätte und mir nicht gesagt hätte, dass er sich in mich verliebt habe. Aber nun, fühlte ich mich wieder schön und jung genug, um noch einmal eine neue Liebe zu beginnen. Natürlich nicht mit Marius, der hatte seine Schuldigkeit getan. Aber wofür sollte Marius bezahlen?

      Das Geld würde ich mir von den anderen holen, dass ich es konnte, das wusste ich ja nun.

      Bereits am Abend hatte ich 2 Nachrichten von Marius. Um 15.54 hatte er geschrieben: „ es war schön mit dir- ich hoffe es geht dir gut? Lgma“

      Vermutlich weil ich nicht geantwortet hatte dann zwei Stunden später noch einmal: „es ist doch alles in Ordnung? Mache mir sorgen. melde dich mal.

      lgma“

      Versonnen lächelte ich vor mich hin, freute mich über seine liebevolle Anteilnahme und obwohl ich sah, das er nicht online war, antwortete ich schnell: „Hallo Marius- danke der Nachfrage- ja es ist alles ok- habe sehr lange geschlafen- kein Wunder- ich war völlig geschafft- erst die schlaflose Nacht und dann die OP- aber nun geht es mir gut, habe kaum Schmerzen- Julia“

      Ich hatte die Mail schon gesendet, da fiel mir ein, dass ich gar nicht darauf eingegangen war, ob mir die Nacht gefallen hatte. Wie egoistisch ich meine Antwort verfasst hatte, seine Bemühungen der letzten Nacht und die Offenbarung seiner Gefühle hatte ich mit keinem Wort erwähnt. Beschämend. Also holte ich das umgehend nach in dem ich eine zweite Mail schrieb: „es ist sehr lieb von dir- dass du dir Gedanken machst- und ich denke auch gerne an die letzte Nacht- es hat mir sehr gut gefallen- danke- bussi julia“

      Das sah doch sicher schon besser aus.

      Ob er sich wohl wieder melden würde? Klar, er war doch verliebt. Krass. So ein Blödsinn, doch nicht nach dem ersten Mal. Dazu brauchte man doch länger, musste man den Anderen doch erst einmal besser kennen lernen. Oder? Dachte ich skeptisch.

      Quatsch, was für ein Unfug! Wie war das denn mit Ramsi, meine Liebe? Ich musste mir eingestehen, dass ich mit zwei verschiedenen Maßen zu Werke ging. Mir war es doch mit Ramsi noch schneller passiert, als es Marius mit mir ging. Ich hatte keinen Sex, nicht einmal eine Berührung gebraucht um mich Hals über Kopf in Ramsi zu verlieben. Das konnte ich doch nicht vergessen haben. Damals waren Rabea- Marina und ich in einem kleinen Souveniershop in Hurghada und wühlten uns durch einen Berg von Galabeas, als Ramsi rein kam um mit seinem Freund, dem Ladenbesitzer, zu reden. Ich hatte den hübschen dunkelhäutigen Ägypter nur ganz kurz angesehen und war wie vom Blitz getroffen. Wie ich später erfuhr war es bei Ramsi keine Liebe auf den ersten sondern eher auf den zweiten oder gar dritten Blick gewesen. Falls es überhaupt von seiner Seite jemals Liebe war, was ich mittlerweile sehr bezweifelte. Vermutlich war es nur Überlebenstaktik, denn durch eine Europäerin öffnet sich für einen klugen Ägypter die Tür zu einer besseren Welt, mit viel Glück vielleicht sogar zu Reichtum und Wohlstand. Und Ramsi war klug.

      An diesem Abend hatte ich mich spät aus dem Internet ausgeloggt, denn ich hatte eine endlose Hin und Her Mailerei mit einem Tom aus der Schweiz. Als frisch umgesiedelter Ruhrpottjunge klagte er über die hohen Kosten in der Schweiz und dass er leider keine Hundert Euro ausgeben könne. Aber nur noch einen Tag in Deutschland sei, er mich sehr gerne noch besuchen wolle, bevor er endgültig in die Schweiz abreise. Ich ließ mich bequatschen und vereinbarte eine halbe Stunde für Sechzig. Ich hatte ihm erklärt, dass ich ein wenig behindert sei, die linke Hand nicht benutzen könne, das störte ihn nicht, deshalb fand ich die Preisreduzierung in Ordnung. Besser als nichts verdienen. Er wollte am übernächsten Tag um 12 Uhr kommen.

      Anschließend ging ich zu Bett, lag aber sehr lange wach weil ich den ganzen Tag geschlafen hatte.

      Nach einer unruhigen Nacht mit wilden Träumen, an deren genaue Inhalte ich mich zwar nicht erinnerte, die aber kein angenehmes Gefühl bei mir hinterlassen hatten, wurde ich schon früh wach. Überrascht stellte ich fest, dass ich die OP nur noch spürte, wenn ich die Operationsnaht berührte. Gut, dann konnte ich wenigstens mit ein wenig Vorsicht arbeiten.

      Es war schon fast eine Sucht, denn ich sah noch vor dem Anziehen nach meinem Nachrichteneingang in mein Profil bei vögeln.de.

      Tatsächlich, als ob ich es gewusst hätte, war eine Antwort von Marius eingegangen.

      Um 5.23 Uhr? Der Junge hatte es aber dringend nötig, dass der sich so oft mitten in der Nacht, vermutlich nach seiner Arbeit, noch hinsetzte um mir eine Mail zu schreiben. Donnerwetter, war der geil.

      Er schrieb: „schön das es dir gefallen hat. Geht es dir schon besser damit wir die Nacht bald wiederholen können? Freue mich schon darauf. Lgma“

      Ein warmes Gefühl durchrann meinen Körper und zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht. Er wollte mich wiedersehen, die Nacht wiederholen. Ja, das war klar. Wo kriegt man eine so heiße Sexnacht umsonst? Sicher nirgendwo. Nur ich war so blöd- ließ mich umsonst von ihm vögeln.

      Nein, mein Mädchen, belüge dich nicht selbst, du warst nicht blöd, nur notgeil und hattest in ihm den Richtigen gefunden. Aber wiederholen? Wieder umsonst? Schön war es schon, schöner als je zuvor. Und sein Schwanz war oberaffengeil. Hm, mal in Ruhe nachdenken. Soll ich oder soll ich nicht?

      Nimm dir Zeit, liebe Ruth, halt ihn erst einmal hin.