Fjodor Dostojewski

Fjodor Dostojewski: Hauptwerke


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gleich am folgenden Tag seinem Bischof öffentlich in einem Brief zu erklären, daß er, da er nicht an Gott glaube, es für ehrlos halte, das Volk zu täuschen und sich von ihm ohne Gegenleistung ernähren zu lassen, und daher die am vorhergehenden Tag ihm verliehene Würde wieder niederlege und seinen Brief in fortschrittlichen Zeitungen abdrucken lasse. Ähnlich diesem Atheisten habe auch der Fürst in seiner Weise ein falsches Spiel getrieben. Sie erzählten, er habe absichtlich eine bei den Eltern seiner Braut stattfindende solenne Abendgesellschaft abgewartet, auf der er sehr vielen hervorragenden Persönlichkeiten habe vorgestellt werden sollen, um laut und in Gegenwart aller seine Anschauungsweise darzulegen, hochachtbare Würdenträger zu beschimpfen, sich von seiner Braut öffentlich und in beleidigender Form loszusagen und im Handgemenge mit den ihn hinausbringenden Dienern eine schöne chinesische Vase zu zerschlagen. Um die modernen Sitten zu charakterisieren, fügten sie noch hinzu, der unvernünftige junge Mann habe seine Braut, die Generalstochter, wirklich geliebt, sich aber von ihr einzig und allein aus Nihilismus und wegen des zu erwartenden Skandals losgesagt, um sich nicht das Vergnügen zu versagen, vor den Augen der ganzen Welt eine Gefallene zu heiraten und dadurch zu beweisen, daß es in seiner Ideenwelt weder gefallene noch tugendhafte Frauen gebe, sondern nur einzig und allein die freie Frau, und daß er jene altmodische, in der Gesellschaft hergebrachte Unterscheidung nicht anerkenne, sondern ausschließlich die Frauenfrage auf den Schild erhebe. Ja, die gefallene Frau stehe in seinen Augen sogar noch etwas höher als die nicht gefallene. Diese Darstellung erschien sehr glaublich und wurde von der Mehrzahl der Sommerfrischler akzeptiert, um so mehr, da sie durch die Ereignisse, die nun jeder weitere Tag brachte, ihre Bestätigung fand. Allerdings blieb eine Menge von Dingen unaufgeklärt: es wurde erzählt, das arme Mädchen habe ihren Bräutigam (oder nach anderen: ihren Verführer) so innig geliebt, daß sie gleich am nächsten Tag, nachdem er sich von ihr losgesagt habe, zu ihm hingelaufen sei, als er sich gerade bei seiner Geliebten befunden habe; andere behaupteten dagegen, er selbst habe sie absichtlich zu seiner Geliebten hingelockt, lediglich aus Nihilismus, um sie zu beschimpfen und zu beleidigen. Wie dem nun auch sein mochte, das Interesse an diesem Ereignis wuchs von Tag zu Tag, um so mehr, da nicht der geringste Zweifel daran blieb, daß die skandalöse Hochzeit wirklich stattfinden werde.

      Und wenn uns nun jemand eine Erklärung abverlangte, nicht hinsichtlich der nihilistischen Färbung, die man dem Ereignis verliehen hatte, o nein, sondern nur darüber, inwieweit die in Aussicht genommene Hochzeit den wirklichen Wünschen des Fürsten entsprochen habe, worin eigentlich in diesem Augenblick seine Wünsche bestanden hätten, wie eigentlich der Seelenzustand unseres Helden im vorliegenden Zeitpunkt zu charakterisieren sei, und über andere Punkte dieser Art: dann müßten wir bekennen, daß wir uns in großer Verlegenheit befinden, was wir darauf antworten sollen. Wir wissen nur das eine, daß die Hochzeit wirklich angesetzt wurde, und daß der Fürst selbst Lebedjew, Keller und einem Bekannten Lebedjews, den letzterer ihm bei diesem Anlaß vorstellte, Vollmacht gab, alle dazu erforderlichen Besorgungen, sowohl kirchlicher als auch wirtschaftlicher Art, zu erledigen; daß sie angewiesen wurden, das Geld dabei nicht zu sparen; daß Nastasja Filippowna zur Hochzeit drängte und sie zu beschleunigen wünschte; daß zum Bräutigamsmarschall des Fürsten Keller auf seine eigene dringende Bitte ernannt wurde und zu Nastasja Filippownas Brautmarschall Burdowski, der dieses Amt mit Begeisterung übernahm, und daß der Hochzeitstag auf Anfang Juli festgesetzt wurde. Aber außer diesen durchaus sicheren Details sind uns noch einige Tatsachen bekannt, die uns entschieden wieder irremachen, nämlich deswegen, weil sie den vorhergehenden widersprechen. Wir hegen zum Beispiel starken Verdacht, daß der Fürst, nachdem er Lebedjew und die andern mit der Erledigung aller Geschäfte betraut hatte, gleich am selben Tag die erfolgte Ernennung eines Zeremonienmeisters und der beiden Marschälle und das Bevorstehen der Hochzeit fast ganz vergaß, und daß, wenn er die Sache durch Überlassung der Mühwaltung an andere möglichst schnell ordnete, er es einzig und allein in der Absicht tat, nun selbst nicht mehr daran denken zu müssen und dies alles vielleicht sogar so schnell wie möglich ganz zu vergessen. Woran dachte er aber in diesem Fall selbst, woran wollte er sich erinnern, und wonach strebte er? Es ist auch nicht zu bezweifeln, daß hierbei keinerlei Zwang gegen ihn ausgeübt wurde, etwa von seiten Nastasja Filippownas. Nastasja Filippowna hatte allerdings den dringenden Wunsch, daß die Hochzeit möglichst bald stattfinden möchte, und der Plan mit der Hochzeit ging auf sie zurück und ganz und gar nicht auf den Fürsten; aber der Fürst hatte doch aus freien Stücken eingewilligt, freilich in etwas zerstreuter Art, und wie wenn man von ihm etwas ganz Alltägliches verlangte. Solcher merkwürdigen Tatsachen liegen uns sehr viele vor; aber weit entfernt, zur Aufhellung zu dienen, verdunkeln sie vielmehr unserer Ansicht nach die Erklärung des Hergangs, auch wenn wir ihrer noch so viele beibringen würden; aber doch wollen wir noch ein Beispiel hierhersetzen.

      So ist es uns genau bekannt, daß während dieser beiden Wochen der Fürst ganze Tage und Abende mit Nastasja Filippowna zusammen verbrachte; daß sie ihn zum Spaziergang und zu den Konzerten mitnahm; daß er täglich mit ihr in der Equipage ausfuhr; daß er anfing, sich um sie zu beunruhigen, wenn er sie nur eine Stunde lang nicht gesehen hatte (er liebte sie also nach allen Anzeichen aufrichtig); daß er mit einem stillen, sanften Lächeln stundenlang, fast ohne selbst ein Wort zu sagen, zuhörte, ganz gleich worüber sie zu ihm redete. Aber wir wissen auch, daß er in diesen selben Tagen mehrmals, ja sogar recht oft, zu Jepantschins ging, ohne dies vor Nastasja Filippowna geheimzuhalten, worüber diese beinah in Verzweiflung geriet. Wir wissen, daß er bei Jepantschins, solange sie noch in Pawlowsk blieben, nicht empfangen und eine Unterredung mit Aglaja Iwanowna ihm beständig verweigert wurde; daß er, ohne ein Wort zu sagen, wegging, aber gleich am nächsten Tag wieder hinkam, wie wenn er die vorhergehende Abweisung ganz vergessen hätte, und selbstverständlich eine neue Abweisung erfuhr. Es ist uns auch bekannt, daß, nachdem Aglaja Iwanowna von Nastasja Filippowna weggelaufen war, der Fürst eine Stunde darauf, vielleicht sogar noch etwas früher, bei Jepantschins war, natürlich in der Überzeugung, Aglaja dort vorzufinden, und daß sein Erscheinen damals in der Familie Jepantschin die größte Bestürzung und Angst hervor rief, weil Aglaja noch nicht nach Hause zurückgekehrt war und sie von ihm zum erstenmal hörten, daß sie mit ihm zu Nastasja Filippowna gegangen sei. Man erzählte, Lisaweta Prokofjewna, die Töchter und sogar Fürst Schtsch. hätten damals dem Fürsten sehr harte, strenge Worte zu hören gegeben und ihm gleich damals in scharfen Ausdrücken alle Bekanntschaft und Freundschaft aufgekündigt, namentlich da Warwara Ardalionowna auf einmal zu Lisaweta Prokofjewna gekommen sei mit der Mitteilung, Aglaja Iwanowna befinde sich schon seit einer Stunde bei ihr zu Hause, und zwar in schrecklichem Zustand, und scheine nicht wieder nach Hause zurückkehren zu wollen. Diese Nachricht erschreckte Lisaweta Prokofjewna am allermeisten, und sie war vollkommen zutreffend; denn als Aglaja von Nastasja Filippowna herauskam, wäre sie tatsächlich lieber gestorben, als daß sie sich ihren Angehörigen gezeigt hätte, und war darum zu Nina Alexandrowna hingestürzt. Warwara Ardalionowna aber war ihrerseits sofort der Ansicht gewesen, Lisaweta Prokofjewna müsse unverzüglich von alledem in Kenntnis gesetzt werden. So eilten denn die Mutter und die Töchter alle zusammen sofort zu Nina Alexandrowna hin, und ihnen folgte das Oberhaupt der Familie, Iwan Fjodorowitsch, selbst, der soeben nach Hause zurückgekehrt war; hinter ihnen schlich auch Fürst Ljow Nikolajewitsch her, trotz der gekündigten Freundschaft und der harten Worte; aber auf Warwara Ardalionownas Anordnung wurde er auch dort nicht zu Aglaja gelassen. Die Sache endete übrigens damit, daß Aglaja, als sie sah, wie die Mutter und die Schwestern um sie weinten und ihr keinerlei Vorwürfe machten, sich in ihre Arme warf und sogleich mit ihnen nach Hause zurückkehrte. Man erzählte, obgleich diese Gerüchte nicht sehr zuverlässig waren, Gawrila Ardalionowitsch habe auch diesmal sehr wenig Glück gehabt; er habe, als Warwara Ardalionowna zu Lisaweta Prokofjewna gelaufen und er mit Aglaja allein geblieben sei, die Gelegenheit benutzen wollen und angefangen, von seiner Liebe zu reden; als Aglaja das gehört habe, sei sie trotz all ihres Grames und ihrer Tränen auf einmal in ein lautes Gelächter ausgebrochen und habe ihm die seltsame Frage vorgelegt, ob er wohl zum Beweis seiner Liebe auf der Stelle seinen Finger über einer Kerze verbrennen wolle. Gawrila Ardalionowitsch sei über dieses Ansinnen ganz verdutzt und fassungslos gewesen und habe ein so verblüfftes Gesicht gemacht, daß Aglaja über ihn krampfhaft gelacht, ihn verlassen habe und zu Nina Alexandrowna nach oben gelaufen sei, wo ihre Eltern sie dann vorgefunden hätten. Diese Geschichte gelangte am andern Tag durch Ippolit zur Kenntnis des Fürsten. Da Ippolit nicht mehr vom Bett aufstand, so ließ er den Fürsten expreß zu sich rufen,