dämonischen Schönheit (ich gebe ja zu, daß sie schön ist). Nehmen Sie Ihre Nervosität hinzu, Ihre Epilepsie, unser Petersburger die Nerven schwächendes Tauwetter; nehmen Sie hinzu, daß Sie diesen ganzen Tag in einer Ihnen bisher unbekannten, für Sie beinah märchenhaften Stadt zubrachten, mit allerlei Menschen zusammenkamen, allerlei Szenen erlebten, unerwartete Bekanntschaften machten, einer ganz unerwarteten Wirklichkeit gegenübertraten, die drei schönen Fräulein Jepantschin und darunter Aglaja kennenlernten; nehmen Sie Ihre Ermüdung und Ihr Schwindelgefühl hinzu; nehmen Sie Nastasja Filippownas Salon und den dort herrschenden Ton hinzu, und ... was meinen Sie: was konnten Sie von sich selbst in einem solchen Augenblick erwarten?«
»Ja, ja; ja, ja«, sagte der Fürst, nickte wieder mit dem Kopf und begann zu erröten; »ja, so ist das ungefähr gewesen; und wissen Sie, ich hatte wirklich die ganze vorhergehende Nacht im Waggon nicht geschlafen, und ebenso die zweitletzte nicht, und war sehr zerstreut ...«
»Nun ja, gewiß; das ist es ja eben, worauf ich ziele«, fuhr Jewgeni Pawlowitsch eifrig fort. »Es ist klar, daß Sie sozusagen in einem Wonnerausch sich auf die Möglichkeit stürzten, öffentlich eine hochherzige Anschauung zu äußern, nämlich die, daß Sie, ein geborener Fürst und ein reiner Mensch, eine nicht durch eigene Schuld, sondern durch die Schuld eines abscheulichen, vornehmen Wüstlings entehrte Frau nicht für ehrlos halten. O Gott, das ist ja so begreiflich! Aber darum handelt es sich nicht, lieber Fürst, sondern darum, ob dieses Ihr Gefühl wahr und echt und natürlich oder nur ein auf einem Denkprozeß beruhendes Entzücken war. Was meinen Sie: im Tempel ist einst einer Frau verziehen worden, einer ebensolchen Frau; aber es wurde ihr nicht gesagt, daß sie recht handle und aller Ehren und aller Achtung wert sei. Hat Ihnen selbst denn nicht nach drei Monaten Ihr gesunder Verstand zugeflüstert, wie die Sache zusammenhing? Mag sie auch jetzt schuldlos sein (behaupten werde ich das nicht; denn soweit will ich nicht gehen), aber kann denn alles, was ihr widerfahren ist, ihren unerträglichen, dämonischen Stolz und ihren frechen, gierigen Egoismus rechtfertigen? Verzeihen Sie, Fürst, ich lasse mich hinreißen; aber ...«
»Ja, alles das ist vielleicht richtig; vielleicht haben Sie recht ...«, murmelte der Fürst wieder. »Sie ist wirklich sehr reizbar, und Sie haben recht, gewiß; aber ...«
»Sie verdient Mitleid? Das wollten Sie sagen, lieber Fürst? Aber durften Sie denn aus Mitleid mit ihr und zu ihrem Vergnügen ein anderes, hochgesinntes, reines Mädchen schmählich kränken und vor den Augen jener hochmütigen, haßerfüllten Nebenbuhlerin erniedrigen? Da geht denn doch das Mitleid zu weit! Das ist denn doch eine arge Überspannung! Durften Sie denn ein Mädchen, das Sie liebten, so vor seiner eigenen Rivalin demütigen und sich um der andern willen und vor den Augen eben dieser andern von ihm abwenden, nachdem Sie ihm schon selbst einen ehrlichen Antrag gemacht hatten ... und das hatten Sie doch getan, und zwar in Gegenwart der Eltern und Schwestern! Gestatten Sie die Frage, Fürst: sind Sie bei einer solchen Handlungsweise noch ein ehrenhafter Mensch? Und haben Sie nicht das herrliche Mädchen betrogen, als Sie ihr versicherten, daß Sie sie liebten?«
»Ja, ja, Sie haben recht; ich fühle, daß ich eine Schuld auf mich geladen habe!« sagte der Fürst in unbeschreiblichem Gram.
»Aber genügt denn das?« rief Jewgeni Pawlowitsch ganz entrüstet. »Genügt denn das, einfach auszurufen: ›Ach, ich habe eine Schuld auf mich geladen‹? Sie sind schuldig und bleiben dabei doch hartnäckig! Und wo hatten Sie denn damals Ihr Herz, Ihr christliches Herz? Sie haben ja ihr Gesicht in jenem Augenblick gesehen: was meinen Sie, hat sie etwa weniger gelitten als jene andere, um derentwillen Sie sich von ihr trennten? Wie konnten Sie nur das alles mitansehen und zugeben? Wie war es nur möglich?«
»Aber ... ich habe es ja gar nicht zugegeben ...«, murmelte der unglückliche Fürst.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich habe bei Gott nichts zugegeben. Ich weiß bis auf den heutigen Tag noch nicht, wie das alles so gekommen ist ... ich ... ich lief damals Aglaja Iwanowna nach, und Nastasja Filippowna fiel in Ohnmacht; und nachher hat man mir bis jetzt den Zutritt zu Aglaja Iwanowna verwehrt.«
»Ganz gleich; Sie hätten hinter Aglaja herlaufen sollen, wenn auch die andere in Ohnmacht lag!«
»Ja ... ja, das hätte ich tun müssen ... aber sie wäre gestorben! Sie hätte sich das Leben genommen; Sie kennen sie nicht, und ... ich wollte ja doch nachher Aglaja Iwanowna alles erzählen, und ... sehen Sie, Jewgeni Pawlowitsch, ich sehe, daß Sie doch wohl nicht alles wissen. Sagen Sie, warum läßt man mich nicht zu Aglaja Iwanowna? Ich würde ihr alles erklären. Sehen Sie: die beiden haben damals gar nicht über den richtigen Punkt gesprochen, gar nicht über den richtigen Punkt; darum hat ihre Zusammenkunft auch diesen Ausgang genommen ... Ich kann Ihnen das schlechterdings nicht erklären; aber ich würde es Aglaja vielleicht erklären können ... Ach, mein Gott, mein Gott! Sie sprechen von ihrem Gesicht in jenem Augenblick, als sie weglief ... o mein Gott, ich erinnere mich ...! Kommen Sie, kommen Sie!« rief er, indem er eilig aufsprang und Jewgeni Pawlowitsch am Ärmel zog.
»Wohin?«
»Kommen Sie zu Aglaja Iwanowna; kommen Sie jetzt gleich ...!«
»Aber sie ist ja gar nicht in Pawlowsk; ich habe es Ihnen ja schon gesagt; und wozu sollten wir auch hingehen?«
»Sie wird es verstehen, sie wird es verstehen!« murmelte der Fürst und faltete wie betend die Hände. »Sie wird verstehen, daß das alles sich nicht so verhält, sondern ganz, ganz anders!«
»Wieso ganz anders? Sie wollen ja doch jenes Weib heiraten? Also bleiben Sie hartnäckig? Wollen Sie sie heiraten oder nicht?«
»Nun ja, ich werde sie heiraten; ja, ich werde sie heiraten!«
»Also wie können Sie dann sagen, es verhielte sich nicht so?«
»O nein, es verhält sich nicht so, es verhält sich nicht so! Daß ich sie heirate, ist ganz unerheblich; das hat nichts zu bedeuten!«
»Wie kann denn das unerheblich sein und nichts zu bedeuten haben? Das sind doch keine Lappalien? Sie heiraten eine geliebte Frau, um sie glücklich zu machen, und Aglaja Iwanowna sieht und weiß das; also wie kann das unerheblich sein?«
»Um sie glücklich zu machen? O nein! Ich heirate sie ganz einfach nur; sie will es einmal; und was liegt auch daran, daß ich sie heirate: ich ... Nun, das ist ja ganz unerheblich! Aber sie würde sonst sicherlich sterben. Ich sehe jetzt, daß diese Ehe mit Rogoschin ein Wahnsinn war! Ich habe jetzt alles verstanden, was ich früher nicht verstand, und sehen Sie: als die beiden Frauen damals einander gegenüberstanden, da konnte ich Nastasja Filippownas Gesicht nicht ertragen ... Sie wissen nicht, Jewgeni Pawlowitsch« (hier dämpfte er seine Stimme zu einem geheimnisvollen Flüstern), »ich habe das noch nie zu jemandem gesagt, auch zu Aglaja nicht: aber ich kann Nastasja Filippownas Gesicht nicht ertragen ... Sie hatten vorhin ganz recht mit dem, was Sie über den damaligen Abend bei Nastasja Filippowna sagten; aber da war noch ein Moment, das Sie ausgelassen haben, weil Sie nichts davon wissen: ich habe ihr Gesicht angeschaut! Schon an jenem Vormittag, im Porträt, hatte ich es nicht ertragen können ... Sehen Sie, Wjera, Wjera Lebedjewa, die hat ganz andere Augen; ich ... ich fürchte mich vor ihrem Gesicht!« fügte er in großer Angst hinzu.
»Sie fürchten sich?«
»Ja; sie ist wahnsinnig!« flüsterte er erbleichend.
»Sie wissen das bestimmt?« fragte Jewgeni Pawlowitsch höchlichst interessiert.
»Ja, bestimmt; jetzt weiß ich es bereits bestimmt; jetzt, in diesen Tagen, bin ich mir darüber völlig klar geworden!«
»Aber was tun Sie sich denn da an?« rief Jewgeni Pawlowitsch erschrocken. »Also heiraten Sie aus einer Art von Angst? Das ist ja gar nicht zu begreifen ... Vielleicht lieben Sie sie auch gar nicht einmal?«
»O doch, ich liebe sie von ganzem Herzen! Sie ist ja ein Kind; jetzt ist sie ein Kind, ganz und gar ein Kind! Oh, Sie wissen nur nichts davon!«
»Und gleichzeitig haben Sie Aglaja Iwanowna Ihre Liebe beteuert?«
»Ja, ja!«
»Wie