ganze Gesindel urteilen anders; in der Stadt, in den Häusern, in den Gesellschaften, in den Villen, beim Konzert, in den Trinkstuben und beim Billard hört man über nichts anderes reden und spektakeln als über das bevorstehende Ereignis. Ich habe gehört, daß man Ihnen sogar unter den Fenstern eine Katzenmusik bringen will, und zwar in der Hochzeitsnacht! Wenn Sie, Fürst, die Pistole eines ehrenhaften Mannes nötig haben, so bin ich erbötig, ein halbes Dutzend Schüsse mit diesem Volk zu wechseln, bevor Sie sich am andern Morgen vom Hochzeitslager erheben.« Er riet auch, um dem großen Andrang Neugieriger entgegenzuwirken, bei der Rückkehr von der Kirche auf dem Hof eine Feuerspritze bereitzuhalten; aber Lebedjew protestierte dagegen: »Die Feuerspritze würde die Ursache werden, daß sie mir das ganze Haus demolierten.«
»Dieser Lebedjew intrigiert gegen Sie, Fürst, bei Gott! Man will Sie unter Kuratel stellen, können Sie sich das denken? Sie mit allem, was drum und dran ist, mit Ihrem freien Willen und mit Ihrem Geld, das heißt mit den beiden Dingen, durch die sich ein jeder von uns von einem Vierfüßler unterscheidet! Ich habe es gehört, aus zuverlässiger Quelle gehört! Es ist die reine Wahrheit!«
Der Fürst erinnerte sich, selbst schon etwas Derartiges gehört, aber selbstverständlich nicht weiter beachtet zu haben. Er lachte auch jetzt nur darüber und vergaß es sofort wieder. Lebedjew war wirklich eine Zeitlang in dieser Richtung tätig gewesen; die Spekulationen dieses Menschen gingen immer sozusagen aus einer plötzlichen Eingebung hervor; infolge seines Übereifers komplizierten sie sich dann, verzweigten sich und entfernten sich von dem ursprünglichen Ausgangspunkt nach allen Seiten; das war der Grund, weshalb ihm in seinem Leben nur weniges gelang. Als er dann, erst kurz vor dem Hochzeitstag, zum Fürsten beichten kam (er hatte die feststehende Gewohnheit, immer demjenigen zu beichten, gegen den er intrigierte, namentlich wenn seine Intrige nicht glückte), da erklärte er ihm, er sei ein geborener Talleyrand, und es sei unbegreiflich, weshalb er nur ein Lebedjew geblieben sei. Dann deckte er ihm sein ganzes Spiel auf, wodurch er das lebhafte Interesse des Fürsten erweckte. Nach seiner Mitteilung hatte er mit dem Versuch begonnen, sich die Protektion hochstehender Persönlichkeiten zu verschaffen, um sich im Notfall auf dieselben zu stützen, und war zum General Iwan Fjodorowitsch gegangen. General Iwan Fjodorowitsch war erstaunt; er wünsche, sagte er, dem jungen Mann alles Gute; aber trotz seines lebhaften Wunsches, ihn zu retten, sei es doch für ihn nicht passend, hierbei mitzuwirken. Lisaweta Prokofjewna wollte ihn weder sehen noch hören; Jewgeni Pawlowitsch und Fürst Schtsch. beschränkten sich auf abweisende Handbewegungen. Aber Lebedjew verlor nicht den Mut, sondern befragte einen klugen Juristen, einen achtungswerten alten Mann, der mit ihm befreundet und beinah sein Wohltäter war; dieser war der Meinung, die Sache lasse sich sehr wohl durchführen, wenn sich kompetente Zeugen für die geistige Zerrüttung und völlige Gestörtheit finden ließen; die Hauptsache sei dann noch Protektion seitens hochgestellter Personen. Auch jetzt verzagte Lebedjew nicht und brachte einmal sogar einen Arzt zum Fürsten, ebenfalls einen achtungswerten alten Mann, einen Sommerfrischler mit dem Anna-Orden am Hals, einzig und allein, damit dieser sozusagen das Terrain rekognosziere, den Fürsten kennenlerne und ihm vorläufig nicht offiziell, sondern sozusagen freundschaftlich seine Meinung über den Fall mitteile. Der Fürst erinnerte sich an diesen Besuch, den ihm der Arzt gemacht hatte; er erinnerte sich, daß Lebedjew schon am Abend vorher ihm nachdrücklich gesagt hatte, er sei krank, und als er, der Fürst, sich entschieden weigerte, Medizin einzunehmen, dann am andern Tag auf einmal mit dem Arzt angekommen war, unter dem Vorwand, sie kämen beide soeben von Herrn Terentjew, dem es sehr schlecht gehe, und der Arzt habe dem Fürsten eine Mitteilung über den Kranken zu machen. Der Fürst lobte Lebedjew und empfing den Arzt mit großer Liebenswürdigkeit. Sie kamen sogleich in ein Gespräch über den kranken Ippolit; der Arzt bat den Fürsten, ihm eingehend die damalige Selbstmordszene zu erzählen, und fühlte sich durch dessen Erzählung sowie durch seinen Kommentar zu dem Vorfall sehr gefesselt. Sie sprachen dann weiter von dem Petersburger Klima, von der eigenen Krankheit des Fürsten, von der Schweiz und von Schneider. Durch die Darlegung der Schneiderschen Kurmethode und durch seine Erzählungen erregte der Fürst das Interesse des Arztes in dem Grad, daß dieser zwei Stunden lang bei ihm saß; er rauchte dabei die vorzüglichen Zigarren des Fürsten, und von seiten Lebedjews erschien ein sehr schmackhafter Likör, den Wjera hereinbrachte, wobei der Arzt, ein verheirateter Mann und Familienvater, sich vor Wjera in eigenartigen Komplimenten erging, durch die er ihre höchste Entrüstung erregte. Sie schieden als Freunde. Als der Arzt mit Lebedjew das Zimmer des Fürsten verlassen hatte, fragte er diesen, wenn man all solche Leute unter Kuratel stellen wolle, was für Menschen man dann zu Vormündern nehmen solle. Und als Lebedjew pathetisch auf die in Bälde bevorstehende Hochzeit hinwies, schüttelte der Arzt schlau und listig den Kopf und bemerkte endlich, ganz zu schweigen davon, daß unzählige Männer seltsame Ehen eingingen, besitze diese verführerische Person, soviel er wenigstens gehört habe, außer ihrer hervorragenden Schönheit, die schon allein einen vermögenden Mann locken könne, auch Kapitalien von Tozki und Rogoschin, sowie Perlen und Brillanten, Schals und Möbel, und daher bekunde die vorliegende Wahl von seiten des teuren Fürsten sozusagen nicht nur keine besondere, in die Augen springende Dummheit, sondern sie zeuge sogar von einem feinen Verständnis für materielle Dinge und von gutem Rechentalent und führe somit zu einer entgegengesetzten und für den Fürsten sehr günstigen Schlußfolgerung ... Dieser Gedanke hatte auch für Lebedjew etwas Einleuchtendes; bei dieser Anschauung verblieb er nun und bemerkte dem Fürsten gegenüber am Ende seiner Beichte: »Jetzt werden Sie von mir nichts anderes zu sehen bekommen als Ergebenheit und Bereitwilligkeit, mein Blut für Sie zu vergießen; in dieser Gesinnung bin ich hergekommen.«
Auch Ippolit trug in diesen letzten Tagen dazu bei, die Aufmerksamkeit des Fürsten von dessen eigenen Angelegenheiten abzulenken; er ließ ihn sehr oft zu sich rufen. Sie wohnten nicht weit davon, in einem kleinen Häuschen; die kleineren Kinder, Ippolits Bruder und Schwester, freuten sich wenigstens insofern über die Sommerfrische, als sie sich vor dem Kranken in den Garten retten konnten; die arme Hauptmannsfrau aber mußte als Spielball seiner Launen und völlig als sein Opfer bei ihm drinnen bleiben; der Fürst hatte täglich genug zu tun, die Streitenden auseinanderzubringen und zu versöhnen; der Kranke nannte ihn immer noch wie früher seine Kinderfrau, wagte dabei jedoch nicht, über ihn wegen seiner Vermittlerrolle zu spötteln. Er war auf Kolja sehr schlecht zu sprechen, weil dieser fast gar nicht zu ihm kam, da er in der ersten Zeit bei seinem im Sterben liegenden Vater und dann bei seiner verwitweten Mutter blieb. Schließlich machte er die nahe bevorstehende Hochzeit des Fürsten mit Nastasja Filippowna zum Ziel seiner Spöttereien, wodurch er zuletzt den Fürsten tief kränkte und außer sich brachte; dieser hörte denn auch auf, ihn zu besuchen. Zwei Tage darauf kam morgens die Hauptmannsfrau zu dem Fürsten geschlichen und bat ihn unter Tränen, doch zu ihnen zu kommen; sonst quäle »er« sie zu Tode. Sie fügte hinzu, er wünsche dem Fürsten ein großes Geheimnis mitzuteilen. Der Fürst ging hin. Ippolit wollte sich mit ihm versöhnen, fing an zu weinen, wurde nach den Tränen selbstverständlich noch boshafter, wagte aber nicht, seine Bosheit zum Ausdruck zu bringen. Es ging ihm sehr schlecht, und an allen Anzeichen war zu sehen, daß er jetzt bald sterben werde. Ein Geheimnis hatte er gar nicht mitzuteilen; er sprach nur in dringendem Ton, sozusagen atemlos vor Aufregung (die aber vielleicht gekünstelt war), die Bitte aus, der Fürst möge sich vor Rogoschin in acht nehmen. »Das ist ein Mensch, der von seinem Recht niemandem etwas abtritt; der ist von anderer Art, Fürst, wie Sie und ich; wenn der etwas will, schrickt er vor nichts zurück ...«, und so weiter und so weiter. Der Fürst fing an, eingehendere Fragen zu stellen, und wünschte, irgendwelche Tatsachen zu hören; aber Tatsachen waren keine vorhanden, nur persönliche Gefühle und Empfindungen Ippolits. Zu seiner großen Genugtuung gelang es Ippolit schließlich, den Fürsten in große Angst zu versetzen. Anfangs wollte der Fürst auf einige besondere Fragen des Kranken nicht antworten und lächelte nur über seine Ratschläge, davonzugehen, nötigenfalls sogar ins Ausland; russische Geistliche gebe es überall, und man könne sich auch dort trauen lassen. Zum Schluß aber sprach Ippolit folgenden Gedanken aus: »Ich fürchte ja nur für Aglaja Iwanowna; Rogoschin weiß, wie Sie sie lieben; eine Liebe ist der andern wert; Sie haben ihm Nastasja Filippowna weggenommen; er wird Aglaja Iwanowna töten; obgleich sie jetzt nicht mehr die Ihrige ist, wird das doch für Sie ein großer Schmerz sein, nicht wahr?« Er erreichte damit seine Absicht: der Fürst war, als er von ihm wegging, ganz wie von Sinnen.
Diese Warnungen vor Rogoschin erfolgten nur einen Tag vor