Fjodor Dostojewski

Fjodor Dostojewski: Hauptwerke


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festesten Überzeugung. »Das liegt nicht in ihrem Wesen, willst du sagen, nicht wahr? Das ist richtig, Bruder, daß das nicht in ihrem Wesen liegt. Aber das ist doch nur leeres Gerede. Dir gegenüber wird sie sich nicht so benehmen und ein solches Betragen vielleicht selbst verabscheuen; aber mir gegenüber benimmt sie sich nun eben so. So ist es nun einmal. Sie betrachtet mich als das niedrigste Geschöpf auf Gottes Erdboden! Und mit Keller, diesem Offizier, der sich so gern boxt, hat sie sich lediglich in der Absicht eingelassen, sich über mich lustig zu machen ... Und du weißt noch nicht, was sie mit mir in Moskau angestellt hat! Und wieviel Geld, wieviel Geld hat mich das alles gekostet ...«

      »Aber ... wie in aller Welt kannst du sie denn unter solchen Umständen heiraten? Wie soll denn das später werden?« fragte der Fürst ganz erschrocken.

      Rogoschin warf dem Fürsten einen grimmigen, furchtbaren Blick zu und antwortete nicht.

      »Ich bin jetzt schon fünf Tage nicht bei ihr gewesen«, fuhr er dann fort, nachdem er ungefähr eine Minute lang geschwiegen hatte. »Ich fürchte immer, daß sie mich wegjagt. Sie sagt: ›Ich bin noch immer meine eigene Herrin; wenn ich will, jage ich dich ganz fort und reise selbst ins Ausland‹ (davon hat sie zu mir schon gesprochen, daß sie ins Ausland reisen wolle«, bemerkte er wie in Parenthese und sah dem Fürsten in ganz besonderer Art in die Augen). »Manchmal allerdings will sie mir damit nur Furcht einjagen; sie möchte sich immer über mich lustig machen; aber zu andern Zeiten ist sie wirklich in finsterer Stimmung, zieht die Augenbrauen zusammen und sagt kein Wort; und das ist's, was ich am meisten fürchte. Neulich dachte ich: ›Ich will doch nicht immer mit leeren Händen zu ihr kommen‹; aber sie lachte nur spöttisch über meine Geschenke und wurde dann sogar ernstlich zornig. Ich hatte ihr einen so schönen Schal geschenkt, daß ihr, trotzdem sie früher im Luxus gelebt hatte, seinesgleichen wohl noch nicht vor Augen gekommen war; den gab sie ihrem Stubenmädchen Katja. Und von dem Termin für die Hochzeit darf ich gar nicht zu reden anfangen. Ich kann mich ja gar nicht als ihren Bräutigam ansehen, wenn ich mich fürchte, auch nur zu ihr hinzugehen. Da sitze ich nun hier, und wenn ich es nicht mehr aushalten kann, dann gehe ich heimlich und verstohlen auf der Straße an ihrem Haus vorbei oder verstecke mich irgendwo hinter einer Ecke. Neulich habe ich beinah bis zum Morgengrauen in der Nähe ihrer Haustür gelauert; ich hatte so einen Verdacht. Aber sie hatte mich wohl durch das Fenster bemerkt und sagte nachher: ›Was würdest du mit mir machen, wenn du sähest, daß ich dich betrüge?‹ Ich konnte mich nicht halten und sagte: ›Das weißt du selbst.‹«

      »Was soll sie denn wissen?«

      »Woher soll ich es denn selbst wissen?« erwiderte Rogoschin, grimmig auflachend. »In Moskau habe ich sie damals mit keinem abfassen können, obwohl ich lange aufpaßte. Ich nahm sie mir damals einmal vor und sagte zu ihr: ›Du bist mit mir verlobt und willst in eine ehrenhafte Familie eintreten; weißt du jetzt aber auch, was du für eine bist? So eine bist du!‹ sagte ich.«

      »Das hast du zu ihr gesagt?«

      »Ja.«

      »Nun, und sie?«

      »›Ich habe jetzt vielleicht nicht einmal Lust‹, sagte sie, ›dich als Lakaien anzunehmen, geschweige denn deine Frau zu werden.‹ – ›Und ich‹, sagte ich, ›gehe mit solchem Bescheid nicht weg; die Sache muß so oder so ein Ende haben!‹ – ›Und ich‹, sagte sie, ›werde gleich Keller rufen und ihm sagen, er solle dich aus dem Haus hinauswerfen.‹

      Da habe ich mich auf sie gestürzt und sie geschlagen, daß sie blaue Flecke davon bekam.«

      »Es ist nicht möglich!« rief der Fürst.

      »Ich sage dir: es ist so gewesen«, erwiderte Rogoschin leise, aber mit funkelnden Augen. »Sechsunddreißig Stunden lang habe ich nicht geschlafen, nicht gegessen, nicht getrunken und ihr Zimmer nicht verlassen; auf den Knien habe ich vor ihr gelegen. ›Ich sterbe hier‹, sagte ich, ›ich gehe nicht hinaus, ehe du mir nicht verzeihst, und wenn du mich hinausbringen läßt, ertränke ich mich; denn wie werde ich jetzt ohne dich leben können?‹ Sie war jenen ganzen Tag wie eine Wahnsinnige: bald weinte sie, bald wollte sie mich mit einem Messer töten, bald schimpfte sie auf mich. Sie rief Saloschew, Keller, Semtjuschnikow und alle andern herbei, wies vor aller Augen mit dem Finger auf mich und schmähte mich. ›Wir wollen heute alle zusammen ins Theater fahren, meine Herren‹, sagte sie; ›mag er hier sitzen bleiben, wenn er nicht weggehen will; ich brauche doch seinetwegen nicht das Haus zu hüten! Es wird Ihnen hier, während ich weg bin, Tee gereicht werden, Parfen Semjonowitsch; Sie müssen ja heute ganz hungrig geworden sein.‹ Sie kehrte allein aus dem Theater zurück. ›Das sind Feiglinge und Schufte‹, sagte sie, ›sie fürchten sich vor dir und wollen auch mir Angst machen: sie sagen: Er wird so nicht fortgehen; er wird Sie am Ende noch ermorden! Aber ich werde, wenn ich in mein Schlafzimmer gehe, die Tür nicht hinter mir zuschließen; so wenig fürchte ich mich vor dir! Das magst du wissen und mit eigenen Augen sehen! Hast du Tee getrunken?‹ – ›Nein‹, sagte ich, ›und ich werde auch keinen trinken.‹ – ›Das ließe sich hören, wenn du ein Ehrenmann wärest; so aber steht dir das sehr wenig.‹ Und wie sie gesagt hatte, so tat sie auch: sie schloß ihr Zimmer nicht zu. Am Morgen kam sie wieder zu mir herein und lachte. ›Du hast wohl den Verstand verloren?‹ sagte sie; ›nicht wahr? Du wirst ja auf diese Weise Hungers sterben.‹ – ›Verzeih mir!‹ sagte ich. – ›Ich will dir nicht verzeihen und werde dich nicht heiraten; ich habe es dir ja gesagt. Hast du wirklich die ganze Nacht auf diesem Stuhl gesessen und nicht geschlafen?‹ – ›Nein‹, sagte ich, ›ich habe nicht geschlafen.‹ –›Was bist du für ein gescheiter Mensch! Und wirst du nun heute wieder keinen Tee trinken und nicht zu Mittag essen?‹ – ›Ich habe dir ja gesagt, daß ich es nicht tun werde. Verzeih mir!‹ – ›Wenn du nur wüßtest, wie wenig dir das steht‹, sagte sie; ›gerade wie einer Kuh ein Sattel. Meinst du etwa, mich dadurch einzuschüchtern? Was schadet es mir denn, wenn du hungrig dasitzt? Nein, wie mich das ängstigt!‹ Sie wurde zornig, aber das dauerte nicht lange; dann fing sie wieder an, mich zu höhnen. Und da wunderte ich mich über sie, wie es kam, daß eigentlich so gar keine Bosheit aus ihr redete. Und doch trägt sie andern das Böse, das sie ihr angetan haben, nach, trägt es ihnen lange nach! Mir schoß damals der Gedanke durch den Kopf, sie möge mich wohl so geringschätzen, daß sie mir nicht einmal ernstlich böse sein könne. Und das ist auch die Wahrheit. ›Weißt du‹, sagte sie, ›was es mit dem römischen Papst für eine Bewandtnis hat?‹ – ›Ich habe von ihm gehört‹, sagte ich. – ›Du hast keine Weltgeschichte gelernt, Parfen Semjonowitsch‹, sagte sie. – ›Ich habe überhaupt nichts gelernt‹, sagte ich. – ›Nun‹, sagte sie, ›da will ich dir einmal etwas zu lesen geben: es gab einmal einen Papst, der war auf einen Kaiser zornig, und der Kaiser lag vor dem Palast des Papstes drei Tage, ohne zu trinken und ohne zu essen, barfuß auf den Knien, bis er ihm verzieh. Was meinst du? Was mag wohl der Kaiser in diesen drei Tagen, als er da kniete, im stillen gedacht, und was für Gelübde mag er wohl getan haben? Aber warte‹, sagte sie, ›ich werde es dir selbst vorlesen!‹ Sie sprang auf und holte ein Buch. ›Es sind Verse‹, sagte sie und begann, mir in Versen vorzulesen, wie dieser Kaiser es sich in diesen drei Tagen zuschwor, daß er sich an dem Papst rächen werde. ›Gefällt dir das denn nicht, Parfen Semjonowitsch?‹ sagte sie. – ›Was du da gelesen hast‹, sagte ich, ›ist alles sehr richtig.‹ – ›Aha, du sagst selbst, daß es richtig ist; also tust du vielleicht ebenfalls ein Gelübde von dieser Art: Wenn sie mich heiratet, dann werde ich es ihr gedenken und heimzahlen!‹ – ›Ich weiß nicht‹, sagte ich; ›vielleicht denke ich wirklich so.‹ – ›Wie ist denn das möglich, daß du es nicht weißt?‹ – ›Ich weiß es einfach nicht‹, sagte ich; ›ich denke jetzt an andere Dinge.‹ – ›Woran denkst du denn jetzt?‹ – ›Wenn du von deinem Platz aufstehst und an mir vorbeigehst, dann blicke ich nach dir hin und folge dir mit den Augen; und wenn dein Kleid raschelt, dann steht mir das Herz still; und wenn du aus dem Zimmer gehst, dann rufe ich mir jedes Wort, das du gesagt hast, ins Gedächtnis zurück, und mit welchem Ton du es gesagt hast, und welchen Sinn es hatte; und diese ganze Nacht über habe ich an nichts gedacht; ich habe immer nur danach hingehorcht, wie du im Schlaf atmetest, und wie du dich ein paarmal bewegtest ...‹ – ›Da denkst du wohl‹, sagte sie lachend, ›am Ende gar auch nicht mehr daran, daß du mich geschlagen hast,