von Anfang an behandelt.“
„Ich erinnere mich noch sehr gut an ihre Pfannkuchen.“
Ich wackle mit den Augenbrauen, sodass sie lachen muss. Jedes Mal sind wir alle über ihre Pfannkuchen hergefallen.
Den Rest der Wartezeit ziehe ich es vor, über Themen zu sprechen, die nichts mit unserer Vergangenheit zu tun haben. Ich erzähle ihr von Fresno und hoffe, dass ich damit ihre Neugierde wecken kann.
„Ich hoffe, dass es dir schmeckt“, verkünde ich, als die dampfenden Teller vor uns stehen.
Vorsichtig nimmt sie einen Bissen, nickt dann jedoch begeistert.
„Deine Mutter hat einen guten Geschmack.“
Während des Essens schweigen wir. Allerdings brauchen wir uns auch nicht unterhalten, um zu wissen, was in dem Kopf des anderen vor sich geht.
Ich bin mir sicher, dass Lindsay sich fragt, ob sie das Risiko eingehen soll. Und ja, es ist ein Risiko. Allerdings werde ich ihr zeigen, dass sie sich keine Sorgen machen muss. Und genau das werde ich ihr auch beweisen.
„Wollen wir ein wenig spazieren gehen?“, frage ich sie, nachdem wir das Restaurant zwei Stunden später wieder verlassen haben.
Mir gefällt der Gedanke nicht, dass der Abend schon vorbei ist.
„Sicher“, antwortet sie sofort.
Ich nehme ihre Hand in meine und verschränke erneut meine Finger mit ihren. Ein wenig kommt es mir vor, als wären wir nicht getrennt gewesen, als hätte es die letzten zwei Jahre nicht gegeben. Und wenn ich ihren Blick richtig deute, geht es ihr auch so.
Gemeinsam gehen wir zum Strip. Um diese Uhrzeit werden dort zahlreiche Shows aufgeführt, an denen ich jedoch kein Interesse habe. Meine volle Aufmerksamkeit liegt auf der wunderschönen Frau, mit der ich unterwegs bin.
„Komm, lass uns reingehen“, fordere ich sie auf, nachdem wir eine Weile vor dem kleinen Eiffelturm standen, der sich vor einem Hotel befindet.
Ich warte nicht darauf, was sie antwortet. Stattdessen lege ich meinen Arm um ihre Hüfte und führe sie in das Innere.
Hier drin herrscht reges Treiben. Überall stehen kleine und große Gruppen, die sich angeregt unterhalten. Es ist ein typisches Hotel mit einem angeschlossenen Casino, wie man sie massenhaft in Las Vegas findet. Alle sind darauf ausgelegt, möglichst viele Menschen jeden Tag in ihr Inneres zu locken.
In diesem hier gibt es eine kleine Stadt und einen Kanal, was an Venedig erinnern soll.
„Setz dich dorthin“, flüstere ich in ihr Ohr und zeige auf einen kleinen Tisch, der in unserer Nähe steht. „Ich bin gleich wieder da.“
Bevor sie noch etwas sagen kann, verschwinde ich in einer der Eisdielen, die sich in den künstlichen Häusern befinden. Da ich nicht der einzige bin, dauert es ein wenig, bis ich endlich zwei Eiswaffeln in den Händen halte.
„Was würde wohl deine Schwester dazu sagen, wenn sie wüsste, dass du den Abend mit mir verbringst?“, fragt sie mich, nachdem ich ihr eine überreicht habe.
Heather war noch nie ein leichtes Thema und ich bin mir auch sicher, dass sich das niemals ändern wird. Es ist schon so lange her, dass ich eine vernünftige Unterhaltung mit ihr geführt habe, dass ich mich nicht einmal daran erinnern kann.
Falls das überhaupt jemals der Fall war.
Diesen Gedanken behalte ich allerdings für mich. Jetzt würde es uns keinen Schritt weiterbringen.
„Das ist mir egal. Sie wusste auch damals nichts von uns und wenn es nach mir geht, werde ich es auch dieses Mal vor ihr verheimlichen.“
Es ist total kindisch, das ist mir bewusst. Allerdings ist es meine Aufgabe Lindsay zu beschützen. Und ich habe genau das vor. Auch wenn es vor meiner eigenen Schwester ist.
„Dieses Mal?“
Ihre Stimme ist ein wenig zu hoch und zeigt mir, dass sie damit eindeutig nicht gerechnet hat.
„Weißt du noch, was ich dir damals gesagt habe?“
Ich merke, dass sie eindeutig nicht weiß, was sie sagen soll. Und das ist etwas, was mir zeigt, dass die Worte noch in ihrem Gedächtnis sind.
„Das war mein Ernst. Auf diese Chance habe ich gewartet. Noch einmal werde ich dich nicht gehen lassen.“
Ihr Mund hat sich ein Stück geöffnet, als meine Worte bei ihr ankommen. Doch davon lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen.
„Ich habe es jeden einzelnen Tag bereut, dass ich dich habe gehen lassen. Das wird mir kein zweites Mal passieren.“
Sie nickt, als wäre sie überhaupt nicht in der Lage, etwas anderes zu machen. In diesem Moment reicht mir das aber. Mir ist schließlich klar, dass sie eine Weile braucht, bis sie es verdaut hat. Schließlich habe ich ihr gerade eine ziemlich klare Ansage gemacht.
„Ich sollte dich nun nach Hause bringen“, raune ich mit gefährlicher Stimme, nachdem ich einen prüfenden Blick auf die Uhr geworfen habe. Dabei lasse ich jedoch keinen Zweifel daran, dass ich es eigentlich nicht will.
Nachdem ich sie auf die Beine gezogen habe, drücke ich meine Lippen auf ihre. Wie von alleine legen sich ihre Hände auf meine Brust, sodass ich von einer Ruhe erfasst werde, die ich seit unserer Trennung nicht mehr gespürt habe.
Langsam bringe ich ein wenig Abstand zwischen uns und sehe sie an.
„Das wollte ich schon machen, als du heute Morgen in mich hineingelaufen bist.“
Beinahe krampfhaft versuche ich ein kleines Grinsen für mich zu behalten. Allerdings fällt mir das schwer.
Zärtlich legt sie ihre Hand an meine Wange und streicht über meinen Bartansatz.
„Danke“, flüstert sie so leise, dass ich sie kaum verstehen kann.
„Wofür?“
„Für alles.“
4
An diesem Morgen bin ich eindeutig zu früh wach. Doch es ist das erste Mal seit Jahren, dass ich wach werde und mir keine Sorgen mache, wie es Lindsay geht und wann ich sie das nächste Mal sehen werde.
Der Abend verlief so gut, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich habe gespürt, dass die alten Gefühle wieder in ihr hochkamen und bin froh darüber, dass es nicht nur mir so ging. Dies hat mir gezeigt, dass das Band zwischen uns noch immer besteht.
Mit guter Laune verlasse ich mein Bett, ziehe mich an, greife nach meinem Handy und gehe nach unten.
„Du hast ja gute Laune“, begrüßt mich mein Vater und sieht mich beinahe ein wenig skeptisch an.
Doch das kann ich ihm nicht übel nehmen. Damals war ich nicht unbedingt eine Frohnatur. Dies liegt aber vor allem daran, dass meine Schwester jede Chance genutzt hat, um uns alle gegeneinander auszuspielen. Und auch die Zeit auf dem College war nicht leicht für mich. Sie ist zwar noch nicht vorbei, aber ich habe Lindsay vermisst. Sie war immer eine Konstante in meinem Leben und danach hatte ich mich immer gesehnt. Doch ich wusste nicht, wie ich sie wieder in mein Leben holen soll. Daher habe ich einen Weg eingeschlagen, auf den ich definitiv nicht stolz bin, aber nun kann ich es nicht mehr rückgängig machen.
„Muss auch mal sein“, stelle ich fest.
Routiniert stelle ich eine Tasse unter die Kaffeemaschine und drücke den Knopf.
„Ich gehe also mal davon aus, dass das Date mit Lindsay ein voller Erfolg war“, spricht er weiter und grinst dabei ein wenig. „Ich freue mich für euch. Schade, dass es erst so kommen musste. Aber umso mehr freue ich mich, dass ihr nun wieder die Chance habt, wieder zueinanderzufinden.“
Nachdenklich sehe ich meinen Vater an. Ich muss ihm nicht sagen, dass damals alles auf einmal kam und es zu viel für mich war.