Ursula Tintelnot

Die Füchsin


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wür­de auch ger­ne mal wie­der eine rau­chen.«

      Sie er­in­nert sich, dass sie ihre Zi­ga­ret­ten und das Feu­er­zeug auf dem Tisch hat lie­gen­la­sen, an dem sie Adam ge­trof­fen hat. Woll­te sie ihm da­mit sa­gen, dass sie ihn wie­der­zu­se­hen wünscht? Freud hät­te es ver­mut­lich so in­ter­pre­tiert.

      Ruth lacht. Ihre Zäh­ne leuch­ten weiß in ih­rem, von blau­schwa­r­zem Haar ein­ge­rahm­ten, dunk­len Ge­sicht. »Das nächs­te Mal brin­ge ich dir, statt Su­shi, ein Sträuß­chen Can­na­bis mit.«

      Bei dem Wort Sträuß­chen fällt Va­le­rie die Ap­fel­b­lü­te auf dem Eti­kett ih­res Ho­nig­gla­ses ein. Sie nimmt sich vor, nach­zu­se­hen, wo­her der Ho­nig stammt.

      Nach­dem Ruth ge­gan­gen ist, sucht sie nach der Adres­se auf dem Auf­kle­ber des Ho­nig­gla­ses. Aber die ist un­le­ser­lich. Sie fragt sich, wie sie auf die Idee kommt, dass Adam der Ho­nig­pro­du­zent sein könn­te. Und sie fragt sich, was es ist, das sie so oft an die­sen Mann den­ken lässt. Der Ge­dan­ke an ihn lässt ihr Herz schnel­ler schla­gen.

      Va­le­rie stellt das Glas zu­rück und geht ins Ba­de­zim­mer. Im­mer noch spukt Adam in ih­rem Kopf her­um, sie sieht sein ge­bräun­tes Ge­sicht vor sich, das auf Ar­beit im Frei­en schlie­ßen lässt. Sei­ne kräf­ti­gen, eben­falls braun­ge­brann­ten Hän­de, die den klei­nen Jun­gen fest­hal­ten, se­hen auch nicht nach Schreib­tisch­tä­ter aus.

      Sie ist hun­de­mü­de, aber sie kann, wie so oft, nicht ein­schla­fen. Adam und Ben spu­ken in ih­rem Kopf her­um.

      11 Au­gust

      Adam fährt den Prit­schen­wa­gen auf den Hof. Er hat ei­ni­ge sei­ner Kun­den mit Äp­feln be­lie­fert. Un­ter an­de­rem ein Café in der Nähe, das eine Ap­fel­wo­che an­bie­ten will, mit Re­zep­ten, wie ihm der In­ha­ber er­klärt, in de­nen der Ap­fel eine Haup­t­rol­le spielt. Von Ap­fel­crum­ble bis ge­bra­te­nem Chi­corée und Ap­fel zu Spa­get­ti oder Ap­fel­spat­zen ist al­les da­bei.

      Vor der Tür der Scheu­ne parkt ein Jeep. Er winkt. Die Fah­re­rin des Wa­gens, die ge­ra­de aussteigt, kennt er in­zwi­schen gut. Er hat sie ein­mal be­lei­digt, in­dem er ih­ren ur­al­ten Jeep als fah­ren­den Müll­hau­fen be­zeich­net hat.

      Die Bie­nen­kö­ni­gin. Liz kennt sich mit Bie­nen so gut aus, wie nie­mand sonst. Sie weiß al­les über Bie­nen. Sie kommt, wann im­mer es nö­tig ist. Adam hat drei Bie­nen­völ­ker auf dem Hof vor­ge­fun­den. Ein Ste­cken­pferd sei­ner Schwes­ter. Als Bio­lo­ge kann er Bie­nen per­fekt se­zie­ren, aber wie man sie pflegt und mit ih­rer Hil­fe Ho­nig her­stellt, da­von ver­steht er nichts. Will er auch nicht, Ar­beit hat er ge­nug, ohne Ho­nig zu ma­chen. Liz kommt aus Het­lin­gen, ganz in der Nähe. Im Mai hat sie zwei der Bie­nen­völ­ker ge­teilt. Jetzt hat Adam fünf Völ­ker. Liz ist ih­ren Schütz­lin­gen nicht un­ähn­lich. Sie trägt di­cke, run­de Au­gen­glä­ser mit gel­ber Um­ran­dung. Ihr Ge­sicht ist ge­bräunt von zu viel Son­ne. Der hell­gel­be ab­ge­wetz­te Over­all, den sie ge­ra­de über Jeans und T-Shirt zieht, be­tont eine schma­le Tail­le und ein sehr weib­li­ches Hin­ter­teil. Un­ei­tel und al­ters­los. Er hat kei­ne Ah­nung, wie alt Liz ist. Ir­gen­d­et­was zwi­schen fünf­und­vier­zig und sech­zig. Ihre Stim­me ist dun­kel und weich und be­ru­hi­gend. Wil­lie, ein grau­er Misch­ling un­be­kann­ter Her­kunft, ein Tier, von Re­spekt ein­flö­ßen­der Grö­ße, springt hin­ter ihr aus dem Jeep.

      Ben hüpft auf­ge­regt in sei­nem Kin­der­sitz auf und ab. Die ein­zi­ge Per­son, au­ßer ihm und Hin­nerk, der er sein Ver­trau­en schenkt, ist Liz.

      Adam be­eilt sich, Ben aus sei­nem Sitz zu be­frei­en.

      »Moin.« Liz winkt ihm kurz zu, be­vor sie mit Ben an der Hand zu den Bie­nen­käs­ten, den so­ge­nann­ten Beu­ten, geht. Wil­lie folgt den bei­den. Liz wird sich auch in Win­ter­mo­na­ten um die Bie­nen küm­mern. Sie re­det nicht viel. Viel­leicht ist das der Grund, war­um Ben sie mag. Sie fragt nichts, ant­wor­tet aber ge­dul­dig auf Bens Fra­gen.

      Adam be­tritt das Ge­wächs­haus, in dem er sel­te­ne Kräu­ter züch­tet. Sei­ne Idee, klei­ne Stadt­bal­ko­ne oder Gär­ten mit blü­hen­den Kräu­tern, statt mit Blu­men zu be­pflan­zen, kommt in der Stadt gut an. Sein Blick glei­tet über die vor­ge­zo­ge­nen Pflan­zen. Ei­ni­ge sind so weit, dass er Sa­men neh­men und trock­nen kann. Hier ex­pe­ri­men­tiert er mit na­tür­li­chem Dün­ger, der ef­fi­zi­en­ter als han­dels­üb­li­cher Na­tur­dün­ger oder che­mi­scher Dün­ger wer­den soll. Pes­ti­zi­de kom­men ihm nicht ins Haus.

      Adam geht hin­über zur Scheu­ne. Er packt einen Sta­pel Holz­kis­ten auf sei­nen Kas­ten­wa­gen und fährt ihn vor das zwei­te Ge­wächs­haus, wo die vor­ge­zo­ge­nen Pflan­zen, die noch vor dem Herbst ge­setzt wer­den sol­len, war­ten. Er füllt die Kis­ten mit grau­grü­nem Sal­bei, Min­ze und Thy­mi­an, win­ter­har­tem La­ven­del, Berg-Boh­nen­kraut, das an­ders, als Som­mer-Boh­nen­kraut, kal­te Tem­pe­ra­tu­ren pro­blem­los über­steht, und Ros­ma­rin.

      Hin­nerk kann nach den Plä­nen, die Adam ge­zeich­net hat, ar­bei­ten. Jede der Kis­ten be­kommt ein Schild­chen mit Na­men und Adres­sen. Die Plä­ne legt er oben drauf.

      Drei Bal­ko­ne und ein Stadt­gar­ten in Ham­burg war­ten mor­gen auf die Be­pflan­zung. Mehr kön­nen Hin­nerk und Piet nicht schaf­fen. Wenn sie Pech ha­ben, müs­sen sie die schwe­ren Kis­ten über zwei oder drei Eta­gen, ohne Auf­zug nach oben wuch­ten. Dazu kommt noch das Ar­beits­ge­rät und Sä­cke mit der Spe­zi­al­er­de. Bei der Hit­ze, die jetzt noch herrscht, kein rei­nes Ver­gnü­gen. In jede der Pflanz­kis­ten stellt er ein Gra­tis-Ho­nig­glas. Wenn Liz und die Bie­nen flei­ßig sind, denkt er, kann ich nächs­tes Jahr viel­leicht schon Ho­nig ver­kau­fen. Den Groß­teil der letz­ten Ern­te hat er Liz über­las­sen und nur we­ni­ge Glä­ser für den Ei­gen­be­da­rf und sei­ne Kun­den be­hal­ten. Adam schaut nach der Be­wäs­se­rungs­an­la­ge und schließt das Ge­wächs­haus hin­ter sich ab.

      In Ge­dan­ken prüft er noch ein­mal sei­ne Te­le­fon­lis­te. Er hat am Mor­gen nicht alle Kun­den er­reicht, um für Hin­nerk ab­zu­sa­gen und neue Ter­mi­ne zu ma­chen. Er zieht sein Han­dy aus der Ta­sche und sucht eine Num­mer. Ein AB schal­tet sich ein. »Sprich mit mir«, hört er. Er lä­chelt. Was für eine un­ge­wöhn­li­che Auf­for­de­rung. Und eine un­ge­wöhn­li­che Stim­me.

      Sie klingt in sei­nen Oh­ren wie eine Ein­la­dung, ein Flirt, ein Ver­spre­chen. Ein Ver­spre­chen wo­für? Er bit­tet um Rü­ck­ruf und er­klärt, dass Hin­nerk den Ter­min für mor­gen nicht ein­hal­ten kann.

      Schon von wei­tem sieht er Ben in sei­nem wei­ßen Schutz­an­zug. Ben steht vor Liz und scheint et­was zu sa­gen. Beim Nä­her­kom­men hört er Liz: »Ho­nig­schleu­der« sagt sie lang­sam und deut­lich.

      Gleich dar­auf wie­der­holt Ben feh­ler­los: »Ho­nig­schleu­der.«

      Er strahlt über das gan­ze Ge­sicht­chen und läuft Adam ent­ge­gen. Adam fängt ihn auf und wir­belt ihn her­um. »Ich bin dei­ne Ho­nig­schleu­der.«

      Ben kreischt vor Ver­gnü­gen.

      »So«, sagt Liz, »wir sind fer­tig.«

      Adam nimmt Ben auf den Arm und geht mit ihm und Liz zum Haus.

      »Ich könn­te dir zei­gen, wie man sie ge­gen Mil­ben schützt und im Win­ter