maunzend um ihre Beine.
»Ich hab dich zu lange alleine gelassen.«
Magnus hat der Katze keinen Namen gegeben. Sie tauft sie auch nicht. Sie denkt an Frühstück bei Tiffany. In dem Film wird der Kater auch nur Kater gerufen.
Valerie öffnete eine Flasche Barolo. Sie gießt sich ein Glas ein und setzt sich an ihren Schreibtisch. Der erste samtige Schluck. Auch der Wein, wie die Katze, Magnus‹ Hinterlassenschaft. Die Katze liegt auf dem Tisch neben dem Laptop und starrt sie aus ihren schönen Augen an. Valerie denkt an den wunderbaren ersten Abend mit Magnus. Er hat sie überrascht, damals. Nicht daran denken, befiehlt sie sich. Mach deinen Artikel fertig. Sie öffnet den Computer, richtet die Seite ein und schreibt.
Wo wir fühlen, was wir fühlen.
Immer mehr Neurowissenschaftler beschäftigen sich inzwischen mit der Frage, wo sich der Sitz der Emotionen befindet, und glauben Sie mir, die Antwort ist nicht das Herz. Herz, Gefühl und Liebe haben nichts miteinander zu tun. Wenn Ihr Herz schneller klopft, wenn Sie den Liebsten sehen, heißt das nicht, dass die Liebe dort ihren Platz hat, Ihr Herz klopft auch schneller, wenn Ihnen die S-Bahn vor der Nase wegfährt oder Sie in Hundescheiße treten. Schuld an Ihren Gefühlen sind bestimmte Hirnregionen, nichts weiter …
Man könnte sogar sagen, dass die Liebe ihren Sitz in der Niere hat …
Als Folge des Verliebtseins treten alle anderen Gefühle in den Hintergrund. Die Stimmung ist gehoben, eine Vielzahl von Botenstoffen verändern ihre Konzentration in Gehirn und Körper. So erhöht das während der Verliebtheit im Nebennierenmark ausgeschüttete Adrenalin direkt den Puls. Herzklopfen …
Hier wandern ihre Gedanken doch wieder zu Magnus:
Wildtaube mit Honig und Pappardelle an weißer Trüffel. Magnus ist überwältigend, wenn er unangemeldet vor der Tür steht. In einer Hand ein Blumenstrauß von der Größe eines Kleinwagens, in der anderen eine Tüte von Le Beau Voisin, einem angesagten Franzosen in Winterhude. Der Wein ist aus Italien. Er bewegt sich in ihrer Küche, als sei es seine eigene.
Sie schließt die Augen. Aber nicht Magnus‹ vertrautes Gesicht erscheint, sonders das Adams, den sie nicht kennt. Wer bist du?
Ihr Puls beschleunigt sich. Sie steht auf, um sich noch ein Glas Wein zu holen. Als sie zurückkommt, liegt die Katze auf ihrer Tastatur und schnurrt mit der defekten Lüftung um die Wette. Valerie hat den Text nicht gesichert. Der Bildschirm ist schwarz, die Katze hat den Text gelöscht.
Auch das, denkt sie, lässt das Herz schneller schlagen.
Sie muss noch einmal von vorne beginnen. Valerie schüttelt die Pumps von den Füßen und setzt sich ein zweites Mal vor den Computer. Die Katze sieht sie vorwurfsvoll an, als Valerie ihr den Platz streitig macht und sie auf den Fußboden setzt.
»Böse Katze. Du kannst froh sein, wenn ich deine Dosen noch öffne.«
Valerie setzt sich ihre riesige Brille auf die Nase und legt die Finger auf die, jetzt katzenfreie, Tastatur. Zwei Stunden später, es ist zwei Uhr in der Nacht, schickt sie den fertigen Text an die Redaktion der Zeitschrift Herz und Hirn.
Sie weiß, dass Bruno ihre Texte zwar schätzt, weil die Leserinnen sie lieben, persönlich aber verabscheut. Sie entspricht nicht dem idealen Frauenbild, das der Redakteur pflegt. Mit ihr kann er nicht umgehen, er hält sie für eine ausgemachte Zynikerin. Valerie lehnt sich zurück und streckt sich, die Brille legt sie neben den Laptop.
Sie tritt hinaus auf den Balkon. Die Nacht ist lau, und die weißen Blüten ihrer Kräuter leuchten in der Dunkelheit. Sie streicht über die raublättrige Minze, prompt erreicht sie ihr unverwechselbarer zarter Duft. Unter ihr rauscht es leise in den Kronen der Bäume, die ein fast undurchdringliches Dach über dem Spielplatz bilden. Sie zögert einen Moment. Dann entschließt sie sich, obwohl der Wind zunimmt, auf dem Balkon zu schlafen. Das tut sie manchmal, wenn das Wetter es zulässt. Ein Vogel piepst im Schlaf. Die Geräusche der Stadt werden leiser, nur noch wenige Autos sind unterwegs. Bis sie einschläft, lauscht sie dem Schnurren der Katze auf ihrem Bauch. Regen, den der Wind unter die Überdachung treibt, weckt sie.
»Verdammt!«
Sie sammelt Kissen und Decke zusammen und flüchtet.
7 Ende Juli
Adam horcht auf das Gewitter. Draußen tobt der Sturm, zerrt an den Bäumen und treibt Zweige und kleine heruntergefallene Äste vor sich her. Ein Fensterladen klappert verdächtig. Hoffentlich hält er. Ben sitzt im Schlafanzug auf seinem Kinderstühlchen am Küchentisch. Er schiebt ein Holzauto hin und her und macht die entsprechenden Brummgeräusche. Christina sitzt ihm gegenüber. Ben beachtet sie nicht. Er antwortet auch nicht, wenn sie ihn anspricht. So hat sie sich ihren Besuch auf dem Lande wohl kaum vorgestellt.
Kurz vor dem Gewitter war sie auf den Hof gefahren. In ihrem weißen kurzen Sommerkleid und den Highheels eine wahre Augenweide. Jan und Piet haben sie angestarrt wie eine Erscheinung. Hannah hat sie übersehen, wie nur Frauen es können. Ben wollte auf seinen Arm und verhinderte damit eine innige Begrüßung. Dann der erste Donnerschlag und innerhalb von Sekunden Starkregen. Christina schaffte es, trocken ins Haus zu flüchten. Er selbst half Hannah und den beiden Männern, die schweren Apfelkisten in der trockenen Scheune zu stapeln. Ben und er sind klitschnass geworden.
Nach einer Dusche steht Adam jetzt am Herd und backt Pfannkuchen. Zum Warmhalten schiebt er sie in den Backofen. Er spürt Christinas Blicke hinter sich. Sie haben bis jetzt noch nicht viel geredet.
Christina nimmt eine Flasche Rotwein aus ihrer Tasche. »Wo ist der Öffner?«
Adam reicht ihn ihr. »Soll ich das machen?«
»Nein, geht schon.«
Mit einem leisen Plopp zieht sie den Korken aus der Flasche. Sie stellt sich neben ihn an den Herd, weit genug entfernt, wegen der Fettspritzer, und hält ihm ein Glas Wein entgegen.
Adam schüttelt den Kopf. »Nein, danke. Noch nicht. Ich will erst Ben ins Bett bringen.«
»Ist er behindert?«
»Was?«
»Er spricht nicht.«
Adam verharrt einen Moment mit der Kelle in der Hand. »Er heißt Ben.«
»Warum spricht er nicht mit mir?«
Adam lächelt. »Ich weiß es nicht. Vielleicht stellst du ihm nicht die richtigen Fragen.«
Er dreht sich zu Ben. »Ben, möchtest du einen Pfannkuchen?«
Ben nickt.