mich, dass du kommst. Wir sind wie ein Ehepaar. Die Frau wartet.“ Er strahlte. Ich zeigte ihm meine Internetseite und erklärte ihm, wie ich Geld verdiente. Wir kuschelten auf der Couch. Er streichelte meine Haare, die ungefärbt waren. Ich wartete, dass es schummrig wurde. Er sah gut aus. Ich war scheu. Ich zeigte ihm meine Klamotten, die ich an dem Tag gekauft hatte. Er fand sie toll. Später rollten wir die Couch aus und liebten uns. Er lag auf mir, stöhnte und kam sehr schnell. Er meinte dann, er könne nicht lange bleiben, da er noch Sachen packen müsse, denn er würde morgen zu seinen Eltern nach Toronto fliegen.
Evans rief eine Woche später an und meldete sich zurück. Ich ging abends zu ihm. Er wohnte in Queens-Astoria und lud mich zu sich ein.
Ich fuhr mit der Metro. Es dauerte eine Weile, dann fand ich das Haus. Evans hatte schon den Tisch gedeckt, es gab arabische Kost, Weinblätter, von seiner Mutter mitgebracht. Er sah irgendwie anders aus, ich wusste aber nicht weswegen.
Er hatte ein Zweizimmerapartment. Es war sehr sauber und ordentlich. Viele Möbel hatte er aus Kanada mitgebracht. Er erklärte die Geschichte jedes Möbelstücks. Er hatte sogar einen Schrank aus seinem Jugendzimmer mitgebracht. Lieb war er.
Nach dem Essen lagen wir auf der schwarzen Ledercouch, schmusten und küssten uns. Es war zwischen uns ruhig, nicht voller Begierde. Dann zeigte er mir seine Architekturarbeiten, Fotos von seinem Zuhause in Oman, die Häuser von seinem reichen Onkel ... Er erzählte von seinen Freunden, die er in Kanada wiedergetroffen hatte — 99 Prozent waren schon verheiratet, nur er nicht. Ich sagte, das sei doch gut so. „Konzentrier dich auf deinen Abschluss. Eine Ehe kannst du immer haben.“
Als wir ins Bett gingen, war er für eine Weile im Nebenzimmer. Ich glaube, er hat gebetet.
Unser Sex war sanft. Er spielte sehr viel an meiner Vagina. Es war ungewöhnlich für mich. Ich mochte das nicht gern, ließ es aber zu. Sein Körper war auch ungewöhnlich, er war sehr stark behaart.
Morgens bereitete er ganz lieb Frühstück vor. Er stand schon um sechs Uhr auf, war ganz leise, legte sich dann nach dem Duschen gegen sieben Uhr neben mich ins Bett. Wir aßen Müsli und fuhren dann gemeinsam mit der Metro. Ich war enttäuscht von seiner Augenfarbe, die waren gar nicht grün. Er trug diesen Morgen blaue Kontaktlinsen. Ich stieg Lexington Avenue aus, gab ihm keinen Kuss. Ich weiß nicht warum, vielleicht wegen des Altersunterschiedes.
Wir trafen uns, wenn wir Zeit und Lust hatten. Bei ihm hatte ich nie einen Orgasmus, aber das war auch unwichtig, ich wollte Berührung und meinen Ex Lover vergessen. Er wollte auch vergessen.
Wir gingen mit Freunden mal zu einer Ausstellung, er kam mit einer Freundin aus Kanada. Sie war in seinem Alter, wollte für ein Jahr in New York arbeiten. Als er mit ihr aus der Taxe stieg, war ich erst ein wenig erschrocken und kühl zu ihm. Eifersucht! Er war der einzige Mann mit uns vier Weibern. Er tat mir leid, weil er in der Bar alle Drinks bezahlen musste. Ich war auf die Frauen sauer.
Später, ein Jahr, vielleicht auch zwei Jahre, rief ich ihn mal an. Er war verliebt bis über beide Ohren. Er sagte zu mir, es sei seine Traumfrau, die wolle er für immer. Eine Amerikanerin, die er ein halbes Jahr zuvor kennengelernt und mit der er sich gerade in Griechenland verlobt hatte. Sie planten, nach New Jersey in ein Haus zu ziehen. Sein Studium hatte er abgeschlossen und sich in die Firma mit dem früheren Partner eingekauft.
Wir wollten uns treffen, ich versetzte ihn aber, ich weiß nicht warum.
Ich wünschte ihm nur das Beste. Ich glaube, er ist zu gutmütig für die New Yorker Frauen. Seine Story war symptomatisch für New York: Jeder zur Verfügung stehende Mann in guter Position wird von den New Yorkerinnen gejagt. Man gaukelt ihm Liebe vor. Alles geht nach Plan: Ein halbes Jahr, dann folgt die Verlobung, ein Jahr später die Hochzeit, zwei Jahre später die Scheidung. So werden die verliebten Männer abgezockt.
Ich war nicht eifersüchtig, nur sehr besorgt um ihn. Vielleicht rufe ich ihn mal wieder an.
6. World Trade Center Kollaps
Ich hatte verschlafen. Das Telefon klingelte, es war gegen neun. Eine Freundin rief an, mit der ich bei der italienischen Mafia arbeitete, um etwas Geld nebenbei zu verdienen.
„Mach mal den Fernseher an, ein Flugzeug ist in das World Trade Center geflogen“, sagte sie.
Ich stand auf und schaltete den Fernseher ein. Mein Freund war schon zwei Stunden zuvor aufgestanden und arbeiten. Ich sah das World Trade Center, es fing an zu qualmen.
Ich fragte meine Freundin: “Wo soll denn das Flugzeug sein, es muss ja runter gefallen sein?“
Sie konnte es mir nicht sagen. Sie hatte Angst und meinte: „Jetzt beginnt der Dritte Weltkrieg.“
Ich beruhigte sie, dachte: Immer mit der Ruhe. „Gehst du heute nicht ins Büro?“, fragte ich sie.
„Nein, die haben keine Arbeit für mich.“
„Nein? Na, dann gehe ich heute auch nicht.“ Komisch, was war denn da passiert?
Es herrschte eine beängstigende Ruhe, eine Art Taubheit.
Wir telefonierten noch zehn Minuten, danach wollte ich runtergehen, denn man konnte das World Trade Center von der Main Street aus sehr gut sehen. Ich nahm meinen Fotoapparat mit, ich weiß nicht warum, und ging runter.
Die Leute auf den Straßen waren aufgeregt und sahen zum World Trade Center. Ich ging durch Nebenstraßen. Man sah Qualm. Beide Türme rauchten. Ich fotografierte von der Brücke, von verschiedenen Stellen. Das WTC war weit, mindestens 20 Kilometer entfernt von mir. Der Himmel war strahlend blau. Ich stand neben asiatischen Arbeitern, die ihr Büro verließen. Wir standen mitten auf der Straße, waren erschrocken und konnten es nicht fassen. Was war passiert? Sie hörten Radio, liefen immer wieder ins Büro, sahen fern.
Ein zweites Flugzeug war in den anderen Turm geflogen, während ich mit dem Fotoapparat unterwegs war. Alles war unfassbar. Man war wie gelähmt. Ich weiß nicht mehr, was ich wirklich gefühlt habe — Angst hatte ich nicht. Ich war ganz ruhig. Ich nahm es wahr, aber es war unwirklich. Vom Berg in der Seitenstraße in Queens sah ich, wie erst der erste Turm zusammenbrach, dann viel später der zweite.
Wir, die fünf Chinesen und ich, als einzige Europäerin, in der Sonne mitten auf der Straße stehend, waren alle wie benommen. Wir redeten miteinander, stellten Fragen. Wir wussten nicht mehr als der Radiosprecher. „Oh mein Gott!“, waren die Ausrufe. Es war eine bewegte Ruhe, ein Staunen, Unfassbarkeit. Die Hände aufs Gesicht gelegt: „Mein Gott, wie kann das passieren. Was ist los?“ Zusammengefallen. Plumps — weg waren die Türme, die man immer auf dem Weg zur Metro, dem Orientexpress Nummer Sieben und während der Fahrt nach Manhattan sehen konnte. Ich fotografierte, auch die Chinesen fotografierten.
Es war plötzlich eine unheimliche Stille. Ich ging nach Hause. Es war alles unfassbar.
Mein Lover rief mich an. Keiner konnte es fassen. Ein Terroranschlag? Wie was? Und das kann im Land der ungeahnten Möglichkeiten passieren? Das lassen die Amis zu? Das waren meine ersten Gedanken: Wie kann das passieren ... im Land der Superlative?
7. Filippo — Geschäftsführer
Als ich zu diesem Event, Eröffnung des Hardware-Stores in Stamford, Connecticut, eingeladen war, verguckte sich der Geschäftsführer, Filippo, in mich.
Ich betrat den Empfangsraum. Ich kannte Filippo bis dahin nicht. Ich nahm an, der große, dunkelhaarige Mann, umringt von einigen Gästen, sei es. Er sah mich, kam auf mich zu und strahlte, als ob er mich mit jemandem verwechselte. Er begrüßte mich sehr herzlich. Ich stellte mich ihm vor. Die vielen Stunden, die die Veranstaltung dauerte, tauschten wir immer wieder freundliche Blicke aus. Ich merkte, dass ich ihm sehr gefiel.
Uns wurde hauptsächlich die Riesenauswahl an Marmor und Granit vorgestellt. Wir, etwa 20 Leute, schossen viele Fotos, hatten dann eine Gesprächsrunde im Konferenzzimmer, wo ich ja immerzu auf die durchsichtige Bluse der Frau