Rainer Zak

Der lange und der kurze Weg


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er den beiden, „ich nehme den unteren Weg nach Flammeron, das schaff' ich bis heute Abend. Und ihr habt euren Frieden!“

      Jeanette und Hanna wechselten einen schnellen Blick.

      „Hast du gehört, Jeanette“, sagte Hanna, „er will sich aus dem Staub machen!“

      „Ja“, echote Jeanette, „kaum wird es etwas kompliziert, hat er schon genug von uns.“

      „Und dabei hat es doch gerade erst angefangen, Spaß zu machen“, bemerkte Hanna halblaut.

      „Soll ich es ihm erzählen“, fragte Jeanette, „soll ich sagen, was er in der kommenden Nacht alles verpassen könnte?“

      Jeanette bewegte sich tänzelnd auf Neville zu, blieb sehr knapp vor ihm stehen.

      Über die Schulter rief sie Hanna zu:

      „Ich glaube, ein klein wenig erinnert er sich wieder an die letzte Nacht.“

      „Und wo er seine Hände hatte, als er am Morgen davor wach wurde!“, ergänzte Hanna mit Nachdruck.

      „Es gibt keine Probleme mehr“, verkündete Jeanette fröhlich.

      „Die Reißverschlüsse unserer beiden Schlafsäcke lassen sich miteinander verbinden; dann gibt es ganz leicht Platz für drei Personen.“

      Sie schaute Neville jetzt mit glitzernden Augen an.

      „Für drei Männer oder drei Frauen oder… na ja, du weißt schon!“

      Jeanette und Hanna lachten hell auf.

      VI.

      Den größten Teil des Tages hatten sie sich heute durch wellige Talgründe bewegt; die Sonne entfaltete ihre volle Kraft und Neville bewegte sich die ganze Zeit über im Schlepptau der beiden besonders aufgekratzt wirkenden Zeltbesitzerinnen.

      Nach einem Blick über die Schulter zu Neville wandte sich Hanna an ihre Freundin.

      „Heute Nacht wird es draußen wohl sehr warm bleiben. Vielleicht braucht Neville dann weder Schlafsack noch Zelt.“

      Und Jeanette konnte ein Prusten kaum unterdrücken, als sie noch eins drauf sattelte.

      „Vielleicht braucht er ja nicht einmal seinen Pyjama.“

      Da rief Neville schlagfertig dazwischen:

      „Ich vergaß: mein Pyjama ist vorhin in einen Bodenspalt gefallen. Auf den werde ich heute Nacht verzichten müssen!“

      Hanna und Jeanette flüsterten darauf hektisch miteinander, kicherten laut, bevor Jeanette hinüberrief:

      „Armer Neville! Wir erklären uns mit dir solidarisch!“

      Das Nachdenken über diese schräge Bemerkung beschäftigte ihn bis zum Abend.

      VII.

      Nachdem das Zelt aufgebaut war, sortierte Neville sein restliches Gepäck unter einem Baum am Rand der Wiese. Er hob den Kopf, lauschte und hörte …nichts. Von seinen beiden lebhaften Reisegefährtinnen war nichts zu hören.

      Und als er um sich blickte, wurde ihm klar, dass sie weit und breit auch nicht zu sehen waren.

      Dies hielt er für eine gute Gelegenheit, das Zelt zu inspizieren; die Geschichte mit den beiden Schlafsäcken, die zu koppeln waren, interessierte ihn.

      Außerdem gab es noch ein wenig Helligkeit, um sich alles genau anzusehen.

      Als er die Plane zurückschlagen wollte, schallte ihm hell und laut entgegen:

      „So kommst du nicht herein!“

      Vom Eingang her erspähte er Jeanettes dunkle Locken und Hannas blonde Strähnen. Der Rest steckte im großen Schlafsack.

      Er zögerte noch, ob er beleidigt abdrehen sollte, als Jeanette mit sanfter Stimme

      fortfuhr.

      „Jedenfalls nicht so und auch nicht im Pyjama! Lass dir was einfallen!“

      Ihm schwirrte der Kopf.

      Was machten die beiden so früh schon im Schlafsack? Hatten sie ihn schlitzohrig beim Wort genommen, als er ihnen von seinem Pyjama etwas vorschwindelte? Und solidarisch wollten sie mit ihm sein!

      Der Gedanke ließ ihn nicht los, dass die beiden ihn dort im großen Schlafsack gemeinsam erwarteten, -oder quälten ihn bereits Halluzinationen?

      „Egal“, entschloss er sich, „ich wage es einfach.“

      Neville begann sich vor dem Zelteingang zu entkleiden; kurz darauf stand er nackt und voller Erwartung im Licht der Dämmerung, holte einmal heftig Luft und schlug ein zweites Mal die Plane zurück.

      VIII.

      Diesmal war von Hanna und Jeanette, die im Restlicht der Dämmerung sehr wohl erkennen konnten, dass Neville selbst auf seinen Pyjama verzichtet hatte, kein Wort zu hören.

      Er ließ sich auf die Knie nieder und tastete sich wie ein Blinder heran, als sähe er nicht die Gesichter der beiden vor sich. Hanna zu seiner Linken, Jeanette zu seiner Rechten, und dazwischen eine Lücke, gerade so breit, dass sie für ihn Platz bot. Dort entdeckte er auch den durchgehenden Reißverschluss.

      „Ich hab mir was einfallen lassen! Ihr müsst nur sagen, wenn es euch nicht gefällt.“

      Als er in den Schlafsack hineingeschlüpft war, brauchte er nicht allzu lange auf eine Antwort zu warten, auch wenn weiterhin nicht ein Wort gesprochen wurde.

      Auf beiden Seiten gab es schwache raschelnde Geräusche.

      Erst an der Hüfte, dann unterhalb seiner Achseln und an seiner Brust spürte er weiche Haut, streichelnde Hände und wärmenden Atem.

      Hanna und Jeanette deckten je eine Hälfte seines Körpers zu.

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