Rainer Zak

Der lange und der kurze Weg


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      Zwei Tage später rief er sie an.

      „Katja, ich hab dir etwas Wichtiges zu erzählen!“

      „Wirst du deinen Gips los oder was gibt es Neues?“

      Er wollte ihr jedoch das, was er sich hatte einfallen lassen, von Angesicht zu Angesicht sagen, kitzelte ihre Neugier so lange hoch, bis sie ihn zu sich einlud.

      Sie öffnete ihm die Tür mit ihrem schönsten Lächeln; nur mit dem größten Einsatz seiner Willenskraft schaffte er es, sie nicht sofort stürmisch in seine Arme zu schließen. Schon ihre vertraute Berührung seiner Schulter, als sie den Platz neben ihm auf dem Sofa einnahm, machte ihn glücklicher und gab ihm Mut.

      „Sag mal“, forderte sie ihn auf, „das muss ja etwas sehr Bedeutendes sein, wenn du am Telefon nicht damit herausrücken willst!“

      „Katja“, sagte er, „es ist mir sehr wichtig und hoffentlich auch für dich; denn dann ist es für uns beide wichtig!“

      „Was ist bloß los mit dir?“ fragte sie und lachte ihn dabei an. „Kommt das vom Wodka oder vom Whisky?“

      „Ich hab mich als Assistent an der Polizeischule beworben“, kam er endlich mit der Sprache heraus. „Deinetwegen!“

      Katja sah ihn an, als hätte er ihr einen Vortrag in einer fremden Sprache gehalten, obwohl sie alles sofort verstanden hatte.

      „Waffen gibt’s dort nur zum Üben“, beeilte er sich zu erklären. „Und dort kommen keine Straftäter hin und überhaupt ist das alles völlig ungefährlich... “

      Wie in Zeitlupe nahm er wahr, wie Katjas Gesicht sich auf ihn zu bewegte, spürte gleichzeitig, wie sie ihre Arme fest um seinen Hals legte; die Wärme ihres Körpers tat ihm unendlich gut.

      „Meinetwegen?“ flüsterte sie und stieß dabei an seinen Gipsarm.

      Er versenkte seinen Kopf in ihren Locken und atmete deren Duft tief ein; sie drückte ihre Lippen auf seine Kehle und lachte leise.

      „Vorläufig bist du ja als einarmiger Bandit sowieso noch außer Gefecht!“

      „Als Polizist schon“, gab er zu, „aber nicht als Mann.“

      „Warte“, gab sie zurück, „warte nur ab, bis ich dafür sorge, dass du Bettruhe verordnet bekommst! Und dabei liegt die Betonung auf ‚Ruhe’.“

      „Halten sich die Patienten auf deiner Station denn an alle Anweisungen?“

      „Manchmal ja, manchmal nein, manche immer, manche nie!“

      Vier Mal nacheinander streifte sie mit ihren Lippen dabei über die Haut unter seinem Kinn. Dann schloss sie die Augen und wartete.

      Denn sie hatte grenzenloses Vertrauen in den Einfallsreichtum Hendriks.

      „Mit einem Gipsarm kann man wunderbare Ablenkungsmanöver starten“, verriet er ihr. Katja warf einen raschen Blick auf den weißen Klumpen.

      „Denn wer weiß denn, was ich inzwischen mit dem anderen Arm mache?“

      Sie drehte den Kopf zur Seite, um nachzuschauen, was dort geschah.

      Diesen Moment nutzte Hendrik, um mit seinen Lippen über die Flanke ihres Halses bis unter ihr Ohr zu wischen.

      „Oder mit meinem Mund!“ flüsterte er. Sie hielt sich an seinen Schultern fest.

      „Oder mit meiner Zunge!“ Seine Lippen zupften und saugten an ihrer Ohrmuschel; dann drang seine Zungenspitze dort streichelnd tief ein. Aus Katjas Mund erreichte ihn ein heller Ton, ein langgezogenes Summen; seine von ihr herbeigesehnte Zärtlichkeit hob sie in die Höhe.

      Sie nahm daher zuerst nicht richtig wahr, dass er nun noch seinen freien Arm mit ins Spiel brachte.

      Seine Finger schoben einen ihrer kurzen Ärmel hinauf zu ihrer Schulter.

      In Erwartung eines Kusses schloss Katja die Augen und griff nach seiner Hand, doch er beugte sich stattdessen zu ihrem Arm hinunter.

      Gleich darauf spürte sie seine warme und raue Zunge, die sich an der Innenseite ihres Armes auf ihre Achsel zu bewegte.

      Sie erschauderte augenblicklich vor Wohlgefühl.

      „Weiß er, wie empfindsam ich dort bin, wie mich das anmacht?“ dachte sie für einen Moment.

      Hendrik aber war inzwischen leicht benommen von dem Duft ihrer Haut, den er aufgesogen, und von ihrem Geschmack, den er über seine Zunge in sich aufgenommen hatte.

      Als ihr Mund seiner streichelnden Zunge entgegenkam, nahmen seine Lippen sie in Empfang.

      „Ich möchte noch viel mehr von deiner Haut entdecken!“ sagte er.

      „Aber wegen meines Gipsarms kann ich nichts mit Knöpfen und Verschlüssen anfangen!“ Katja nickte amüsiert und zog ihn vom Sofa hoch, bis sie einander gegenüberstanden. „Als Krankenschwester bin ich da gut in Übung!“ sagte sie und begann sein Hemd aufzuknöpfen, löste seinen Gürtel und fuhr rasch fort, in völlig zu entkleiden, nicht ohne zwischendurch ihre Hand sanft hier und dort auf seinem Fleisch ruhen zu lassen.

      Hendrik war verstummt; seine Augen folgten Katjas Bewegungen, bis er völlig nackt vor ihr stand, geschmückt mit einem weißen Fremdkörper am Ende seines Armes.

      Dann schaute sie ihm fest in die Augen und legte eine Hand auf seinen Bauch.

      Zuletzt strich sie ihm zärtlich über seine halb aufgerichtete Rute.

      „Von deiner Haut kann ich auch nicht genug bekommen!“

      Mit diesen Worten zog sie sich geschickt die Bluse über den Kopf und schlüpfte mit wenigen Bewegungen aus ihren Jeans.

      In ihren blauen Dessous stand sie kurze Zeit vor ihm.

      „Noch mehr Haut?“ fragte sie mit einem unbefangenen Lächeln auf den Lippen.

      „Ja“, nickte er, „ich will 100% von dir!“ Und sie erfüllte ihm seinen Wunsch.

      Hendrik tat nur einen Schritt auf sie zu und holte sie mit einem Arm zu sich heran, bis ihre Körper aneinander ruhten, Haut auf Haut.

      Es war einer der schönsten Sommertage; die Sonne füllte den Raum mit Licht und Wärme. Doch Katja überlief ein tiefgehendes Frösteln, das sich aber sofort verlor, als Hendrik auch seinen gipsgeschmückten Arm vorsichtig um sie legte und ihre Hüfte gegen seine Lende presste.

      Schwarze Schafe

      I.

      Als die ausgelassenen Lieder zum Mitsingen ihren Höhepunkt erreicht hatten, gelang es Marlene endlich sich zur Haustür zu schleichen, ohne aufzufallen.

      Aufatmend ließ sie kurz darauf den ganzen Mummenschanz hinter sich und schlenderte in tiefschwarzer Dunkelheit hinters Haus, wo sie einen Platz zu finden gedachte, ohne der grölenden Verwandtschaft zwischen die Finger zu geraten. Der für sie ungewohnte, leicht schwingende Rock flatterte in einer frischen Brise.

      Die Hochzeitsfeier ihrer jüngeren Schwester Pia im Haus konnte ungetrübt ihrem Höhepunkt entgegenschunkeln; es gab eine Spielverderberin weniger im Festsaal, die das Affentheater mit gequälter Miene über sich ergehen ließ.

      Die letzten Schritte zur großen Gartenschaukel legte sie mit neu belebtem Schwung zurück. Fast vergessen vergammelte diese in der dunkelsten Ecke hinter den neu gepflanzten Zypressen.

      Sie näherte sich ihrem Jungmädchenparadies blind von hinten, schwang sich um die Ecke und ließ sich erleichtert in die Höhlung fallen.

      II.

      Ein heißer Schreck durchfuhr sie im gleichen Moment, der von einem durchdringenden Schrei begleitet wurde, von ihrem eigenen.

      Statt