war Marlenes blitzartiges Empfinden, bevor etwas nach ihr griff, an ihr zog und nicht wieder losließ.
„Das Fallobst ist diese Saison besonders saftig und fühlt sich reif an!“ brummte eine Stimme.
Marlene fühlte zwei kräftige Arme an ihrem Körper, einer umklammerte ihre Taille, die Hände des anderen erkundeten mit Gefühl die weich gepolsterten Regionen ihrer Bluse.
Als der Schreck wich, begann sie zu strampeln, um sich aus der Umarmung zu befreien. Sie empfing einen warmen Atemstoß an ihrer Wange, der den Geruch von Rotwein und einen Hauch Knoblauch transportierte. Ein Mann ihres Alters, ein Mann, der festhielt, was er zu fassen bekam.
„Was machen Sie in meiner Schaukel? Und lassen Sie mich endlich los!“
Marlenes Stimme klang fordernd und kleinlaut zugleich, nur Angst war bei ihr keinen Moment lang aufgekommen.
„Aber, aber!“ beschwichtigte er sie. „So spricht man doch nicht mit lieben Gästen, Marlene!“
Er schwang seine Beine von der Schaukel und machte ihr Platz. Erst dann gab er sie frei und ließ sie in die Höhlung der Schaukel rutschen.
„Oder sollte ich eher sagen ‚mit lieben Verwandten’? Denn schließlich bin ich ja so was wie dein Schwager.“
Marlene schwirrte der Kopf; sie schwieg eine Weile ins Dunkle hinein. Dann löste sich das Rätsel für sie auf.
Pias Mann Harald hatte seinen Halbbruder zur Hochzeit eingeladen, dem sie nur kurz begegnet war. Gutaussehend, aber sehr frech und von einer überfallartigen Direktheit. Denn er hatte zur Begrüßung versucht, sie zu umarmen und zu küssen, anstatt ihr dezent die Hand zu reichen. Wenn man bedenkt: der Halbbruder ihres neuen Schwagers.
Nicht mal Harald, den Bräutigam, kannte sie so gut, dass sie so etwas Intimes zugelassen hätte.
Jetzt saß sie dicht neben Florian -der Name fiel ihr soeben wieder ein- und rief sich den energischen Zugriff seiner Hände in Erinnerung.
Und was sie am meisten verwirrte, sie erinnerte sich sehr gern daran.
„Alle Achtung“, raunte er ihr zu, „aber erstaunlich, dass du dieses Abfeiern und Abfüllen der Meute da drinnen so lange ausgehalten hast. Ich hab mich schon vor einer halben Stunde vom Acker gemacht.“
„Ich wusste ja nicht, dass du schon vorausgegangen bist und hier auf mich wartest!“
Sie hatte sich schnell entschieden, seine Frechheit noch zu überbieten und ihn halsbrecherisch herauszufordern; sie lauschte angespannt zur Seite hin.
„Du darfst nicht heimlich hoffen, dass ich das als ironisch verbuche, meine Liebe!“ war nach kurzer Stille seine Antwort.
„Darf ich die misslungene Begrüßung von heute Mittag nachholen?“
Es war so dunkel, dass sie ihn nicht sah, nur seinen Oberschenkel spürte, den er fest an sie presste. Sein ruhiger Atem war in der Stille deutlich zu vernehmen; sie war auf alles gefasst. Eine Umarmung, ein Kuss oder gar der ungestüme Versuch einer spontanen Eroberung! Warum nicht selbst das?
Als er mit seiner Hand den Griff an ihre Taille wiederholte, sie leicht zu sich hin zog, gab sie mit großer Vorfreude nach. Sie spürte seine Bewegung auf sie zu, wobei sich ihre Wangen ganz leicht streiften. Im Moment, da seine Hände auf ihren Schulterblättern lagen, spürte sie sein Kinn in ihrer Halsbeuge und nahm sie seinen leicht herben Geruch in sich auf.
Marlene kam ihm jetzt ohne Zögern stärker entgegen, umschlang seine Schultern und fuhr mit einer Hand streichelnd durch seine Nackenhaare.
Sie vernahm seine Stimme sehr leise direkt an ihrem Ohr.
„Das ist doch schon ganz was Anderes als vorhin. Ich halte dich solange fest, bis… “
Florian unterbrach sich und schwieg.
„Sag schon! Bis w a s geschieht?“ drängte ihn Marlene.
Statt einer Antwort ließ er mit leichtem Druck eine Hand an ihrem Rücken entlang nach unten zu ihren Schenkeln gleiten. Seine Lippen saugten sich gleichzeitig an der empfindsamsten Stelle ihres Nackens fest, die er anschließend mit seiner kreisenden Zunge reizte, bis Marlene vor Entzücken einen Laut von sich gab, -halb heftiges Atmen, halb unterdrücktes Stöhnen.
„Ich halte dich solange fest, bis du genug von mir hast“, setzte er sein Versprechen fort.
Dann löste er sich so weit von Marlene, dass sie pulsierend seinen Atem an ihrem Kinn spürte.
„Darauf kannst du lange warten!“ flüsterte sie mit gespieltem Trotz.
Sie fühlte wie seine Hand über Rücken, Schulter und Wange sich ihrem Mund näherte. Sein Daumen strich einfühlsam vom Mundwinkel her über ihre Lippen, hob dann ihr Kinn vorsichtig an.
Er zupfte zunächst mit halb geöffnetem Mund an ihrer Unterlippe und biss sehr sanft zu, worauf sie ihn heftig bedrängte. Mit ihrer Zungenspitze trennte sie seine Lippen voneinander und drang tief in seinen Mund ein.
Seine andere Hand war inzwischen damit beschäftigt, die bloße Haut ihrer Pobacken zu massieren und zwischen ihre Schenkel vorzudringen.
III.
„Florian!“
Marlene unterbrach ihre Invasion seines Mundes nur, weil sie sich wärmere Plätze vorstellen konnte als ihre Schaukel, um ihr eigenes Liebesfest fortzusetzen.
„Ich glaub, meine Gänsehaut kommt nicht nur von deinen zärtlichen Bemühungen, sondern auch von dem kühler werdenden Wind hier draußen.
Willst du mich nicht woanders hin entführen?“
„Wie wär’s mit einem Zimmerchen im Hotel Grotius?“ fragte er nach kurzem Zögern.
„Hauptsache wir sind weit genug von dieser ganzen Hochzeitsblase weg. Nicht dass wir den Figuren dort noch über den Weg laufen,“ kicherte Marlene.
„Ich muss dir noch was beichten!“ gestand Florian nun kleinlaut. „Du sprichst mit Haralds Hof- und Quartiermeister, meine Süße. Hab die Fete organisiert und die Hochzeitsnacht im Hotel Grotius dazu! Das konnte ich ihm nicht abschlagen, dem alten Romantiker!“
Marlene kuschelte sich sehr beeindruckt in seine Arme; mit seinem Halbbruder hatte Harald es wirklich gut getroffen, -und sie wohl auch.
„Wir könnten ja schon mal das Hochzeitszimmer testen!“ schlug sie leise vor.
„Vorläufig kommen Pia und Harald ja noch nicht dazu, oder?“
„Mein Gefühl sagt mir, dir würde solch eine Verrücktheit einen Mordspaß machen!“ brummte er.
Sein Zupacken wurde wieder fester; er suchte nach ihrem Mund. Ihr warmes Fleisch in seinen Händen brachte ihn auf Touren. Es schien aber, als könnte ihn die Aussicht auf ein warmes Bett nicht zusätzlich locken.
Doch Marlene war hartnäckig.
„Florian!“ erinnerte sie ihn zärtlich aber energisch.
Eine halbe Stunde später standen sie auf der Schwelle des Hochzeitszimmers ‚Venedig’, das Florian für das Brautpaar gebucht hatte.
Marlene machte große Augen, wurde -für Florian völlig unerwartet- seltsam stumm und blieb es auch eine Weile. Ihm kam gleich ein Verdacht.
„Schon mal gehabt?“ fragte er „Hochzeitsnacht mit allem Drum und Dran?“
Sie lachte kurz und verkrampft.
„Jung gefreit und so weiter“, spottete sie, „vor 10 Jahren; die Scheidung war 5 Jahre später. Erster Tag und erste Nacht bei einer bescheidenen Hochzeitsreise nach Tirol. Die Sprungfedern der Betten quietschten so laut, dass wir auf den Fußboden umgezogen sind. Aber wir lebten ja sowieso schon 5 Monate wie Mann und Frau zusammen.“ Dann wandte sie sich ihm mit einem fragenden Ausdruck in den Augen zu.
„Nein, nein“, wehrte er ab, „bei mir hat es zur Hochzeit nicht