wedelte die junge Krankenschwester mit ihren schmalen Fingern vor Hendriks Nase herum.
„Stattdessen gibt es genau solche!“ bestätigte er. „Da möchte man am liebsten Patient sein.“
Gern hätte sich Hendrik in diese liebevolle Rangelei mit der lebhaften Zeugin vertieft und sie fortgesetzt. Ihr Lachen lud ihn dazu ein.
„Ich glaube aber, liebe Frau Gieseking, wir sollten uns jetzt daran machen, einem Ganoven das Handwerk legen. Es kommt dabei ganz entscheidend auf Sie an.“
Denn so verhielt sich die Sache tatsächlich! Katja -wie er sie schon für sich nannte- hatte von ihrem Fenster aus einen Einbrecher beobachtet und war in der Lage Details für ein Phantombild zu liefern.
Ihre gemeinsame Arbeit an dem Phantombild war aber dann doch keine so bierernste Sache wie sonst üblich. Die Kollegin draußen im Aufsichtszimmer wunderte sich sehr über das Gelächter, das hin und wieder aus dem Raum nebenan schallte.
III.
Die Arbeit dort brachte jedoch außer dem Vergnügen der Beteiligten in kurzer Zeit auch den gewünschten polizeilichen Erfolg. Mithilfe der Zeichnung konnte der Täter ausfindig gemacht und festgenommen werden.
Für Hendrik jedoch, der bei der Festnahme zum Team gehörte, gab es trotz des großen Erfolges einen bitteren Tropfen in den Wein; er trug einen Armbruch und eine leichte Gehirnerschütterung davon, als der Verdächtige um sich schlug.
Hendrik war zum Pausieren gezwungen und bewegte sich nun schon seit einer Woche schlecht gelaunt und genervt durch sein Wohnviertel.
Denn immer wenn er zuhause in Selbstmitleid zu versinken drohte, flüchtete er in das geschäftige Leben seines Viertels, besonders oft in das Straßencafé an der Ecke.
Als er seinen zweiten Capuccino an diesem Morgen Schluck für Schluck die Kehle hatte hinunterlaufen lassen, tippte ihm jemand auf die Schulter und nahm schwungvoll neben ihm Platz.
Sie hatte heute ihre braunen Haare im Nacken zusammengebunden und überfiel ihn mit einem Schwall von Fragen.
„Geht es Ihnen inzwischen besser?“ war nur der Anfang.
Ihr Verhör gipfelte in einer Frage dritten Grades: „Ist das der Arm des Gesetzes?“ Dabei umschloss der lästige Gips doch nur seinen Unterarm und sah völlig harmlos aus.
Ihre Augen glänzten mit den Lippen um die Wette und sie legte ihre Hand dicht neben seine gipsfreien Finger auf den Tisch.
„Ja“, gab er zurück, „es geht schon etwas besser. Und in diesem Moment sorgen Sie für einen weiteren gewaltigen Schub in meiner Gesundung.“
Dabei bewegte er seine Hand so weit auf sie zu, dass seine Fingerspitzen ihren Daumen und auch noch den Zeigefinger bedeckten.
„Ich merke schon, dass Sie bereits übermütig werden!“ murmelte sie.
Statt sich aber zurückzuziehen, schob sie ihre Hand weiter vor, bis sie fast ganz von seiner Handfläche bedeckt war.
„Kann ich sonst noch etwas für ihre Dienstfähigkeit tun?“
Sie schaute dabei gegen die Sonne und Hendrik nutzte dies dazu, mit seinem Blick die feinen Linien ihres Gesichtes abzutasten; ihr Mund zog seine Aufmerksamkeit so sehr an, dass er der Illusion verfiel, Katjas Lippen bewegten sich auf ihn zu. Sie blinzelte und hob zum Schutz eine Hand ins Sonnenlicht.
„Es ist ganz einfach, Katja“, versicherte er ihr, „je länger Sie bei mir sind, desto besser geht es mir.“
Sie lachte hell auf und zog ihre Hand unter seiner hervor.
„Wer sich sogar schon wieder an den Vornamen von Zeuginnen erinnern kann, ist kerngesund und in höchstem Maß dienstfähig. Aber jetzt muss ich ganz schnell zu meinem Mittagsdienst.“
Hendrik war entschlossen, sie so bald wie möglich wiederzusehen und tat alles, um seinen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen.
„Dann tun Sie doch wenigstens meinem angeknockten Kopf und dem Ungetüm von Armgips einen Gefallen. Statten Sie ihnen bald einen Krankenbesuch ab. Wenn ich nicht gerade hier herumsitze, finden sie mich zu Hause.“
Dabei schob er ihr seine Karte in die Hand, bevor sie endgültig davoneilte.
IV.
Katja verbrachte ihre Pause in der Cafeteria des Krankenhauses. Heute Vormittag hatte sie erhebliche Schwierigkeiten bei der Konzentration auf die einfachsten Dinge verspürt; ihre Gedanken zwischendurch kehrten immer wieder zu Hendrik zurück, dessen Nähe sie heute Morgen in eine pulsierende Aufregung versetzt hatte, die immer noch anhielt.
Als sie sich im Toilettenspiegel aufmerksam betrachtete, sich prüfend über die Wangen strich, wünschte sie sich in diesem Augenblick, es wären seine Hände, die sie spürte, und nicht nur in ihrem Gesicht sondern auch an ihrem ganzen Körper, erst ganz zart aber auch hin und wieder fester zupackend.
Ihre Wünsche machten ihr klar, dass sie ein großes Verlangen nach dem jungen Polizisten hatte.
Nach dem Dienst lag sie zu Hause lang ausgestreckt auf ihrem Hochflorteppich, döste vor sich hin und versuchte sich zu entspannen.
„Morgen beginnt mein Dienst erst am Mittag“, rief sich Katja in Erinnerung.
Wie gerne würde sie heute Abend zu Hendrik gehen! Beim letzten Mal, als ein Mann ihre Gefühle so aufgewühlt hatte, war sie kopflos in einen Strudel der körperlichen Liebe eingetaucht, aus dem sie mit schmerzhaften Erfahrungen zurückkehrte. Diesmal nahm sie sich fest vor, sich nur in kleinen Schritten auf Hendrik zuzubewegen.
Nur neben ihm sitzen, ein Glas Tee miteinander trinken und ihn nach und nach kennenlernen!
Kurz vor acht Uhr machte sie sich auf den Weg.
„Katja, ich freu mich so, dass du zu mir kommst! Ich hab es mir so sehr gewünscht.“
Hendrik hatte ihr die Tür mit seiner heilen Hand geöffnet und strahlte sie an.
„Als Krankenschwester muss ich doch alles tun, damit du schnell wieder gesund wirst!“ Seine temperamentvolle Umarmung mit Worten versuchte sie sacht zu bremsen.
Aber sofort bedauerte sie, dass ihre Antwort so viel Distanz signalisierte; in den begeisterten Ausdruck seiner Augen mischte sich ein Funke Enttäuschung.
Rasch versuchte sie, dies wieder gutzumachen.
„Besonders Männer brauchen ja fürs Gesundwerden sehr viel Zuwendung!“
Gleich hatte sie den Eindruck, dass ihn ihre Bemerkung so sehr aufmunterte, dass er ihr seine Gefühle offen legte.
„Bei Zuneigung geht es noch sehr viel schneller als bei Zuwendung.“
Katja bewegte sich vorsichtig ans Fenster und stützte sich mit dem Rücken ans Fensterbrett.
„Sag mal, Hendrik!“ forderte Sie ihn von dort aus auf. „Du bist doch nicht der Abenteurer-Typ; dauernd auf der Suche nach den Gefahren und bereit zum täglichen Risiko! Polizist sein passt doch gar nicht zu dir!“
Hendrik warf zuerst einen Blick auf seinen Gipsarm und dann hinüber zu Katja, deren Gesicht im Schatten ihm nichts weiter von ihren Gefühlen verriet.
„Das ist dir sehr wichtig, nicht wahr?“ fragte er nachdenklich und trat an ihre Seite.
Katja lehnte sich leicht hinüber zu ihm; ihre Nasenflügel waren in Bewegung und sie presste ihre Lippen leicht aufeinander.
„Ich möchte nicht Angst vor solch einen Anruf haben, eine Nachricht, die jederzeit kommen kann. Zu hören, dass dem Mann, zu dem ich gehöre, etwas Schlimmes zugestoßen ist.“ Hendrik fiel nichts ein, Katjas Befürchtungen auszuräumen, erst recht nicht, als sie ihm den Grund für ihre Angst verriet.
„Vor zehn Jahren starb so mein Onkel; er war Wachmann bei einem Sicherheitsdienst“, sagte Katja.
V.
Hendrik