Madeleine Abides

Ein gefährliches Spiel


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zum Ohr ihres Begleiters vorbeugen, um gegen die Musik anzuschreien, und die Schwerkraft erste Anhaltspunkte über die Anatomie in Blusen, Tops und T-Shirts zeichnet. Sie lachen gerne und lassen einem Mann rasch vergessen, dass angeblich nur dumm gut …

      Ich bestellte den zweiten Daiquiri, saugte genüsslich am Strohhalm und konzentrierte mich allmählich auf drei oder vier bestimmte Objekte, bei denen ich es eventuell versuchen konnte. Nach und nach fielen sie alle weg, wegen Begleitung, Verschwinden, albernen Lachens, doch-nicht-so-gut oder irgendwas.

      Also das dritte Glas.

      Schön langsam musste ich anfangen zu rechnen, denn ich wollte den Wagen nicht stehen lassen, und wenn ich eines fürs Leben brauchte, dann meinen Turbo. Allerdings tat auch der wenige Alkohol, den ich schon intus hatte, bereits seine Wirkung, und durch meine Adern floss in wohltuender Wärme eine fühlbare Dosis vollkommen unbegründeter Zuversicht, dass mit einem der Mädels an diesem Abend alles paletti gehen würde.

      Als ich gerade den vierten Daiquiri geordert hatte, wurde ich auf eine Unterhaltung in meinem Rücken aufmerksam, die vermutlich schon eine ganze Weile vor sich hin plätscherte:

      „Schlecht“, sagte eine männliche Stimme.

      „Macht nichts“, gab eine weibliche sanft zurück, in einem Tonfall, der nicht mehr und nicht weniger besagte als: „Dann ist es nicht mehr zu verhindern, dass heute die Welt für mich untergeht.“

      Tapfere Mädchen, die auch angesichts der niederschmetterndsten Enttäuschung die Zähne zusammenbeißen, haben mich schon immer zu Tränen gerührt. So richtete ich meine Aufmerksamkeit ein bisschen mehr auf dieses Gespräch, das mich nichts anging, und bekam mit, dass die Zwangslage wohl ziemlich akut war.

      „Ich würde schon, aber ich hab echt nicht den Platz. Außerdem hab ich morgen früh diese Statistikklausur, die ist eh so abgefahren.“

      Wie kalt und vor allem wie grenzenlos bescheuert diese jungen Kerls sein konnten. Dieses Stimmchen war derart entzückend – konnte dieser vernagelte Idiot denn wirklich nicht hören, dass da eine junge Frau in Not war? Hatte er kein Herz?

      „Ich kann ja mal meine Freundin fragen, ob sie was weiß …“

      „Nee lass nur, ich muss es eben woanders versuchen. Notfalls muss ich eben im Bahnhof schlafen.“

      „Der ist ab Mitternacht abgesperrt“, warf ich spontan ein, indem ich mich auf dem Barhocker umdrehte. „Da wirst du kein …“

      Zwei blonde Brüste ließen mich verstummen. Ich meine, die Augen waren blond, nein grün, und sie sahen mich an, wie die Augen einer Ertrinkenden, und ich war ihre letzte Rettung, und das blonde Haar fiel ihr ins Gesicht, und sie führte es zurück, ganz sanft und wundervoll, und ich wollte etwas sagen, etwas sagen, und die Brüste, nein, die Augen, ich, ich, ich …

      „… kein Glück haben?“, vollendete sie mit einem umwerfenden Augenaufschlag, der mich ins Zentrum traf.

      „Ja, kein Glück. Ähm. Abgesperrt. Der Bahnhof.“

      Ich muss sie angesehen haben wie ein Mühlrad, aber sie war nicht böse, sondern es schien sie sogar ein wenig zu erheitern, dass ich mich so hart tat.

      Auf einmal lächelte sie.

      Sie lächelte mich an.

      „Ich hab nämlich keinen Platz zum Schlafen“, sagte sie dann treuherzig.

      „Für die Nacht“, ergänzte ich intelligent.

      „Ja“, erwiderte sie, und sah noch einmal so herzzerreißend entzückend zu mir auf, „für die Nacht.“

      Ein paarmal ging es so hin und her, und es stellte sich heraus, dass sie an einer Zulassungsarbeit bastelte, für die sie Befragungen an weit voneinander entfernten Orten durchführen musste. Nun war sie an diesem Tag in der festen Überzeugung angereist, ein Quartier für mindestens zwei Wochen zu haben, doch die Adresse hatte es nicht gegeben, oder der Kerl, bei dem sie unterkommen sollte, war verreist oder irgendwas in der Art. Sie sagte es vermutlich genauer, doch ich war so intensiv damit beschäftigt, die Bewegungen der beiden kräftigen Hamster zu studieren, die unter ihrem Top synchronturnten, dass ich mich vermutlich nicht so stark wie angemessen auf ihre Worte konzentrierte.

      Bis ich mich schließlich sagen hörte:

      „Bei mir würde es eigentlich schon gehen.“

      „Aber du schreibst morgen Klausur, stimmt’s?“

      „Nein, nein, nicht morgen. Ich meine, keine Klausur. Du könntest schon mitkommen.“

      „Und deine Freundin hat nichts dagegen?“

      „Ja, ähm, nein.“

      „Du bist Klasse!“, rief sie begeistert aus, und ehe ich mich versah, hatte sie mir einen Kuss auf die Wange gedrückt. Bevor ich auch nur etwas sagen konnte, fügte sie schon hinzu:

      „Du musst auch keine Angst haben – mir geht es nur um die Unterkunft. Wirklich. Verstehst du: kein Sex. Nur Übernachten.“

      Sie wandte sich in ihrer Freude sogar an zwei oder drei Nebenstehende, selbst an das Mädchen hinter dem Tresen, und beteuerte ein ums andere Mal überschwänglich: „Kein Sex, kein Sex!“

      So einen richtigen Grund zur Freude vermochte ich darin nicht zu sehen, auch wenn ich noch keine konkreten Pläne für etwaige Höhepunkte des späteren Abends gemacht hatte. Zwar wollte ich mir das nicht anmerken lassen, ich muss aber wohl trotzdem einigermaßen bedröppelt dreingeschaut haben. Denn plötzlich schlug ihre übermütige Stimmung um:

      „Wir können aber auch noch bleiben, wenn dir das lieber ist.“

      Ich hatte gar nicht angedeutet, gleich gehen zu wollen, trotzdem erwiderte ich ohne groß nachzudenken:

      „Nein, nein, wenn du willst, können wir fahren. Mag sowieso nichts mehr trinken.“

      So blieb mein letzter Daiquiri unangetastet, und wir machten uns – sobald ich bezahlt hatte, und zwar für sie gleich mit – auf den Weg zu meinem Wagen.

       2

      Vom ersten Augenblick an achtete ich bewusst darauf, sie nicht zu berühren. Ich wollte den Zauber der Situation nicht zerstören.

      Eigentlich war ich nie auf Blond geflogen, doch das war auf einmal vollkommen unwichtig. Sie war so scheu, so natürlich, so zart und bewegte sich doch so ungeahnt sexy, dass ich sie am liebsten unverzüglich in die Büsche gezerrt hätte. Schon einfach neben ihr zu gehen, in sittsamem Abstand, war so aufregend wie noch etwas, und ich musste mich regelrecht zwingen, nicht ständig nur an das eine zu denken, das der Abend eventuell noch bringen konnte.

      Ich schwebte auf Wolken.

      Jedes Wort, das sie sagte, ließ mich innerlich vibrieren, nicht nur, weil sie es sagte, sondern mehr noch durch die Art, wie sie es sagte. Sie gab mir das Gefühl, momentan für sie der wichtigste Mann weit und breit zu sein. Nicht einfach jemand, an dem ein Mädchen wie sie achtlos vorbeiging, ohne ihn auch nur zu bemerken. Irgendwie schien sie mich toll zu finden. Und das fand ich wiederum noch viel toller.

      Als sie neben mich in den Wagen stieg, klaffte ihr Mantel für einen Moment auseinander und gab den Blick auf zwei hinreißende Schenkel frei, die im Mondlicht schneeweiß schimmerten und meine Phantasie endgültig in die Einbahnstraße schickten.

      Ich schnallte mich an. Und dann gleich wieder ab, weil sie mit der Gurtschnalle nicht zurechtkam und mich entzückend hilflos bat, ihr damit zu helfen. Was ich liebend gerne tat.

      Während ich mich halb über sie, halb um sie herum beugte, konnte ich ihren Duft atmen, und das kriegte mich dann vollends kirre. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als mich selbst so umständlich wie möglich wieder anzugurten, damit ich wenigstens einen kleinen Vorwand hatte, meinen werdenden Ständer unauffällig ein wenig zur Seite zu drücken, so dass er sich nicht gar zu unangenehm am Stoff von Hose und Unterhose verfing. Als ich losfuhr, stand mein Bester bereits in Paradehaltung.

      Sie