Madeleine Abides

Ein gefährliches Spiel


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meine Beute wieder im Wagen hatte, jetzt sogar mit Sack und Pack war jede Unterbrechung nichts weiter als ein völlig unnötiges Risiko. Wie oft kam gerade bei den besten Gelegenheiten im letzten Moment noch etwas dazwischen? Aber das konnte ich ihr natürlich nicht gut sagen.

      „Wenn du unbedingt willst“, fuhr ich nach kurzem Überlegen fort, weil es nicht so aussah, als würde sie es sich noch mal anders überlegen. „Ich wüsste da ein Nachtcafé, das praktisch auf dem Weg zu mir liegt.“

      Das war gelogen, aber sie kannte sich ja nicht aus in der Stadt. Folglich konnte ich ihr alles erzählen, was mir gerade in den Kram passte. Vermutlich sah für sie eine Straße aus wie die andere, und da die Sonne sich für diesen Tag längst verabschiedet hatte, konnte meine knusprige Begleiterin nicht einmal wissen, in welche Richtung wir fuhren. Sollte sie später tatsächlich noch auf dumme Ideen kommen – speziell auf die eine, doch nicht bei mir übernachten zu wollen –, dann musste ich nur daran ‚erinnern’, dass wir doch ohnehin schon ‚fast da’ waren.

      Taktik ist manchmal alles.

      Andererseits hatte ein Umweg auch Vorteile. Denn bis dahin hatte ich jede Minute genossen, die ich mit ihr im Wagen allein gewesen war. Mit ihrem frischen Duft, diesem hinreißend zarten Stimmchen und diesen studierten langen Beinen, die ich meinerseits schon so gründlich studiert hatte.

      Mit dem Ergebnis, dass ich jetzt absolut sicher war, mit diesen entzückenden Beinen und allem, was die Natur daran befestigt hatte, in Klausur gehen zu wollen. Die Abgeschlossenheit meines rassigen Renners war eine gute Vorbereitung darauf, zumal ich da in meinem Element war und jederzeit die Chance hatte, beim Schalten in den nächsten Gang in meiner begreiflichen Verwirrung auch mal vollkommen versehentlich ihr verlockend nach vorn ragendes Knie zu erwischen. Nur Flachlegen wäre trotz der erstklassigen Liegesitze ein wenig umständlich gewesen.

      Aber früher oder später musste sich so viel Nähe doch auszahlen!

      *

      Jedenfalls war sie mit meinem Vorschlag schon mal einverstanden, und so betraten wir wenig später das besagte Lokal, ein speziell zu später Stunde attraktives Café mit zahlreichen abgeteilten Nischen auf mehreren Ebenen einer aufwendigen Balkenkonstruktion in einem saalartigen Raum – dass man sich eigentlich in einem nüchternen Betonbau befand, wurde einem höchstens beim Blick an die Decke bewusst. Das Café war auch an diesem Abend leidlich gut besucht, und wir fanden ein freies Tischchen, an dem wir uns niederlassen konnten. Da die Bedienung erst einmal auf sich warten ließ, sah ich die Chance, rasch noch eine Kleinigkeit zu erledigen:

      „Bestellst du schon mal, falls jemand kommt? Ich geh mir nur eben die Hände waschen.“

      Sie nickte lächelnd, und im Weggehen beschloss ich klopfenden Herzens, mir auf gar keinen Fall mehr Zeit zu lassen als unbedingt nötig, damit mir dieser Spitzenfang nicht noch im letzten Augenblick vom Haken hüpfen konnte. So zog ich auf der Toilette nur schnell eine Packung bunte Präservative, wusch mir alibimäßig die Hände und ging hast-du-nicht-gesehen wieder nach draußen.

      Am Tisch erwarteten mich bereits zwei hohe Gläser mit klarem Inhalt. Mein blonder Engel erhob sich feierlich, hielt mir lächelnd eines der Gläser entgegen und hielt das zweite in einer entzückend unschuldsvollen Geste vor den eigenen Leib gedrückt, und zwar ausgerechnet zwischen zwei freundlich atmende Klassebrüste, die ich für den Rest des Abends nicht aus den Augen zu lassen gedachte.

      „Meinem Retter“, rief sie mir herausfordernd zu, als sie ihr Glas schließlich zum Anstoßen hob, „auf ex!“

      Ich wollte noch etwas erwidern, ließ es aber lieber sein, um sie gar nicht erst aus der Stimmung zu bringen. So ergab es sich, dass ich den Inhalt meines Glases wohl ein wenig überstürzt kippte. Erst als es heftig in meiner Kehle brannte, begriff ich, dass die klare Flüssigkeit keinesfalls Mineralwasser gewesen sein konnte.

      „Haaaahh!“, keuchte ich denn auch, als ich das Glas wieder absetzte. „Was war denn das?“

      „Zu stark für dich?“

      „Quatsch! ‚Zu stark’ gibt’s nur für Schwächlinge.“

      Sie lächelte ein Lächeln, das sich unmittelbar an meinen Weichteilen zu schaffen machte und schlagartig dafür sorgte, dass ein zentraler Teil der Weichteile hart zu werden begann.

      „Eine Tradition aus meiner Heimat“, sagte sie, die Augen schüchtern niederschlagend. „Der heldenhafte Retter des schwachen Weibes erhält ein Glas vom Besten, was das Haus zu bieten hat.“

      „Deine Heimat? Woher stammst du denn?“

      „Kasachstan.“

      „Dafür …“

      „… dafür spreche ich sehr gut deutsch, ich weiß. Ich bin hier geboren. Meine Eltern haben Kasachstan verlassen, damals, als so viele das Land verlassen haben. Nicht viel später kam ich zur Welt.“

      Für ein paar Augenblicke beschäftigte mich der Gedanke, dass unsere diplomatischen Beziehungen zu Kasachstan in ihrer Bedeutung für die Völkerverständigung und den Weltfrieden und überhaupt für alles bei weitem unterschätzt werden. Als nächstes empfand ich ausgeprägte Dankbarkeit gegenüber den Eltern dieses hinreißenden Wesens, weil sie ihre Tochter, deren goldenes Haar im Licht der Wandlampen wie ein Heiligenschein leuchtete, unter ärgsten Entbehrungen in mein Land gebracht hatten.

      Sehr, sehr löblich!

      Hier war sie eindeutig am besten aufgehoben, das konnte ich ohne Zögern bestätigen. Und deshalb hätte ich am liebsten offiziell meine Bereitschaft erklärt, ganz allein die weitere Betreuung der armen verlorenen Tochter im kalten, fremden Land zu übernehmen. Sie sollte sich hier doch gut einleben können und sich auf keinen Fall unerwünscht fühlen.

      Mittlerweile wurde mir allerdings doch ein bisschen warm, was ich zu gerne allein ihrer Gegenwart zugeschrieben hätte. Doch es war wohl eher die ordentliche Portion Alkohol, die ich da gerade als Sturztrunk zu mir genommen hatte.

      „Was war denn nun eigentlich drin in dem Glas?“

      „Gin-Tonic. Magst du das nicht?“

      „Doch, doch. Aber von Tonic war nichts zu schmecken.“

      „Oh weh!“, erwiderte sie mit entzückendem Erschrecken. „Ich dachte, das heißt einfach nur so. Was ist Tonic überhaupt? Vielleicht das in dieser Flasche hier?“

      „Ja“, bestätigte ich gequält lächelnd, „hier auf dem Etikett steht jedenfalls ‚Tonic Water’. Könnte man eventuell mit Tonic-Wasser übersetzen.“

      „Oh, ich bin so dumm“, sagte sie, indem sie aufs Berückendste die flache Hand vor den Mund schlug. „Dann bist du jetzt betrunken, oder?“

      „Tja, so ganz noch nicht. Aber …“

      „Wo ist dein Autoschlüssel?“, fragte sie gespielt aufgebracht, indem sie mich gleich mal freundschaftlich in die Seite knuffte. Offenbar konnte sie sich das Lachen kaum verbeißen.

      „Den kriegst du nicht“, antwortete ich lockend, indem ich ihn um den Zeigefinger kreisen ließ, „ich rücke ihn nicht ra-ha-haus.“

      „O doch!“

      Sie grapschte verspielt nach dem Schlüssel wie eine junge Hündin nach ihrem Lieblingsspielzeug in Herrchens Hand, und dabei kam sie mir unversehens so nahe, dass ich überdeutlich ihre wogenden Brüste an meinem Körper fühlen konnte. Vermutlich schenkte ich den beiden aufregenden Dingern eine Spur zu viel Aufmerksamkeit. Denn ich bemerkte zwar sofort, dass sich da etwas wunderbar Weiches und wundervoll Federndes gegen meinen Körper drückte. Doch dass sie sich tatsächlich des Autoschlüssels bemächtigt hatte, bemerkte ich erst, als es zu spät war.

      Ich schalt sie sofort:

      „Der gehört mir! Gib ihn auf der Stelle zurück!“

      Freilich waren wir beide so aufgedreht, dass ich die Forderung wohl nicht ganz so ernsthaft herausbrachte und sie sie nicht ganz so ernst nahm, wie es vielleicht angebracht gewesen wäre. Jedenfalls machte sie erst einmal keinerlei Anstalten, den