Madeleine Abides

Ein gefährliches Spiel


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klüger, erst einmal so zu tun, als würde ich gar nicht darauf beharren wollen. Sonst würde ich mir meine Chancen bei ihr vielleicht im letzten Moment doch noch verscherzen.

      Und verglichen mit den Chancen, die ich offenkundig bei ihr hatte, war ein dummer Autoschlüssel doch nun wirklich nicht der Rede wert.

       4

      Als wir das Café verließen, war die Sache mit dem Schlüssel immer noch nicht geklärt. Ich hatte rasch unsere Zeche bezahlt – „zwei dreifache Gin-Tonic für Sie, ein Glas stilles minerale für Ihre Tochter“, wie die verwirrte Bedienung fälschlicherweise aufgezählt hatte –, und war schon ziemlich in der Stimmung, den Arm um meinen blonden Engel zu legen. Noch wagte ich es allerdings nicht so ganz, zumal sie selbst keine Anstalten machte, mir das entscheidende Stückchen entgegenzukommen.

      So sagte ich betont beiläufig:

      „Gibst du mir mal eben den Autoschlüssel?“

      „Nein“, erwiderte sie knapp. Und als ich anhob, zu widersprechen: „Du kannst nicht mehr fahren.“

      Selbst unter dem leichten Alkoholeinfluss, den ich nicht gut bestreiten konnte, wurde mir bewusst, dass ihr Tonfall eine Spur zu bestimmt war. Immerhin kannten wir uns erst ein paar Stunden, es war mein Wagen und wenige Minuten zuvor hatte ich sogar noch für den kleinen Zwischenstopp bezahlt, den wir auf ihren Wunsch hin eingelegt hatten. Weil es ihr ein Bedürfnis gewesen war, mir einen auszugeben.

      Also beharrte ich:

      „Nun komm schon!“

      „Wir nehmen ein Taxi.“

      Der Satz kam ruhig und abgeklärt. Duldete schlicht keinen Widerspruch. Das warf mich für einen Augenblick aus der Bahn.

      Kann sein, dass ich dadurch eine Sekunde zu lange mit einer Antwort zögerte. Kann sein, dass ich rasch abwägte, auf welche Vorzüge es bei einem gutgewachsenen Blondchen wie ihr tatsächlich ankommt. Kann auch sein, dass ich es schlicht als unmännlich ansah, ihr den Schlüssel gewaltsam zu entreißen, wenn sie sich nun mal allein mit guten Worten einfach nicht umstimmen ließ.

      Jedenfalls tapste ich wenig später hinter ihr her wie ein einfältiger Jungbär hinter dem Muttertier und wusste immer weniger, wie mir geschah. Da war ein beklommenes Gefühl in der Magengrube, das mir nicht gefiel, aber so richtig wurde ich mir dessen gar nicht bewusst. Eher war ich auf eine vage Art sauer, möglicherweise sogar auf mich selbst.

      „Ist doch idiotisch“, maulte ich, als ich wieder zu ihr aufgeschlossen hatte. „Ich könnte ohne weiteres noch fahren.“

      Ihre Antwort kam so unverhofft, dass ich im ersten Moment glaubte, mich verhört haben:

      „Halt den Mund!“, sagte sie nur, und fand es nicht einmal nötig, mich dabei auch nur anzusehen.

      So lange grübelte ich darüber, ob sie diese drei Worte tatsächlich gesagt hatte, dass es schließlich albern gewesen wäre, überhaupt noch etwas zu erwidern. Es ist möglich, dass ich ein- oder zweimal mit offenem Mund nach Luft schnappte wie ein Stichling an Land, doch mehr brachte ich nicht hervor. Und vor allem nichts, was sie einer Antwort gewürdigt hätte.

      Als ich mich endlich ein wenig gefangen hatte, fiel mein Blick auf ihren Busen, der gerade einen aufregenden Kampf gegen ihr knappes rotes Top bestritt, was sich im fahlen Licht der Straßenbeleuchtung besonders reizvoll abzeichnete. Und im gleichen Moment entschied ich, dass man bei einem jungen Ding wie ihr die Ansprüche an gutes Benehmen nicht allzu hoch ansetzen durfte. Sie würde es schon noch lernen.

      Im Grunde spielte es folglich überhaupt keine Rolle, ob ich mich gegen ihre unbedachte Maßregelung nun entschlossen verwahrte oder nicht. Falls sie die Worte überhaupt so gesagt hatte – und das war keineswegs sicher –, dann hatte sie sie in ihrer jugendlichen Unbekümmertheit garantiert überhaupt nicht so gemeint.

      *

      Fünf Minuten später saßen wir tatsächlich in einem Taxi.

      Sie hatte mich aufgefordert, eines anzuhalten, und als es mir beim ersten Mal nicht gleich gelungen war, hatte sie mich mit einer spöttischen Bemerkung aufgezogen, die eine schlagfertige Antwort geradezu herausgefordert hatte. Leider war mir wieder keine einzige eingefallen.

      Auch das zweite und das dritte Taxi waren mit eingeschalteter Reklame durchgefahren, und da war es ihr wohl genug gewesen:

      „So wird das nie was!“, hatte sie tadelnd gesagt, war selbst an den Straßenrand getreten und hatte nach dem nächsten Taxi Ausschau gehalten. Das war auch keine Minute später in Sicht gekommen. Sie hatte nur kurz ihr rechtes Bein mit dem süßen Stiefelchen einen Schritt vorgesetzt, so dass der offene Mantel auseinandergeklafft war, hatte die schmale Hand emporgehoben und energisch gerufen:

      „Taxi!“

      Das Quietschen der Reifen habe ich bis heute im Ohr.

      Sie hatte mich dann zur Beifahrertür dirigiert – weil ich dem Fahrer den Weg weisen sollte – und war selbst hinten eingestiegen. Als ich schon saß und gerade das Ziel nennen wollte, fragte sie spitz:

      „Und was ist mit meinen Gepäck?“

      Das hatte ich total vergessen.

      „O ich …“, sagte ich völlig perplex.

      Als ich mich anschickte auszusteigen, wandte sie sich mit mitleidsvoller Stimme an den Fahrer:

      „Er ist nämlich ein bisschen … Sie wissen schon.“

      Dabei vollführte sie eine vielsagende Wischerbewegung vor dem zur Grimasse verzogenen Gesicht.

      „Man muss ihm immer genau sagen, was er zu tun hat.“

      Das war arg. Aber ganz Unrecht hatte sie natürlich nicht. Immerhin hätte ich mich grade ums Haar blamiert und ihr wichtiges Gepäck, das wir eine halbe Stunde zuvor extra geholt hatten, einfach irgendwo auf der Strecke zurückgelassen. Zähneknirschend hielt ich lieber den Mund.

      Der Fahrer lenkte das Taxi die wenigen Schritte hinter mir her zu meinem Wagen und öffnete dann die Fahrertür, um mir beim Umladen zu helfen. Sie aber rief ihn zurück:

      „Lassen Sie nur, es ist nicht viel.“

      Viel war es wirklich nicht, doch gegen ein bisschen Unterstützung hätte ich trotzdem nichts einzuwenden gehabt.

      Der Taxifahrer schien es genauso zu sehen:

      „Aber zu zweit geht es schneller.“

      Darauf sie:

      „Es ist besser, er erledigt das allein. Sonst lernt er wieder nichts daraus.“

      Der Fahrer gab nach und schlug seine Tür wieder zu. Ich kam mir ein bisschen affig vor, weil ich mir vorstellen konnte, was der Taxifahrer jetzt über mich dachte. So nahm ich mir vor, derartig dumme Fehler für den Rest des Abends unbedingt zu vermeiden.

      Schließlich hatte ich es geschafft und hätte wieder zu ihr ins Taxi steigen können. Vorsichtshalber sah ich aber noch zweimal nach, ob ich nicht etwas im Kofferraum meines Wagens übersehen hatte. Auch den Kofferraumdeckel des Taxis öffnete ich noch einmal, um mich zu vergewissern, dass ich alles hineingelegt hatte. Es schien alles da zu sein. Gut, dass ich nachgesehen hatte. Sicher ist sicher!

      Und eine Blamage war wirklich mehr als genug.

      Nun konnte ich endlich wieder ins Taxi steigen. Kaum saß ich, hörte ich sie spitz fragen:

      „Was hat denn diesmal wieder so lange gedauert?“

      Sie war zur linken Seite der hinteren Sitzbank durchgerutscht, so dass sie nun hinter dem Fahrer saß. Das hatte zur Folge, dass er sie nicht sehen konnte und ich mich – wenn ich sie ansehen wollte – auf meinem Sitz ziemlich unsouverän nach hinten drehen musste, was ich allerdings auch sofort tat. Denn natürlich wollte ich meine entzückende Beute am liebsten dauernd ansehen. Zu gerne hätte ich aus Vorfreude schon mal einen ausgelassenen Freudentanz hingelegt. Natürlich nicht im Taxi.

      „Gerade