Madeleine Abides

Ein gefährliches Spiel


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sicher. Möchtest du gleich ein wenig …“

      Sie entwand sich mir geschickt, und ihr verführerisches Lächeln ließ erst gar keinen Zweifel daran aufkommen, welches Spiel wir gerade spielten. Ich hatte nichts dagegen, denn je mehr ich mich auf ihre Art einließ, in Fahrt zu kommen, desto eher konnten wir uns endlich der Hauptattraktion dieses denkwürdigen Abends zuwenden.

      Außerdem amüsierte mich diese typisch weibliche Neugier. Frauen müssen immer ganz genau wissen, was sich hinter fremden Fenstern abspielt, ob die Fenster nun zu einem Königshaus gehören oder wie bei mir zu einem idyllisch gelegenen Häuschen im Wald.

      Als letztes besichtigten wir das Schlafzimmer. Mein Schlafzimmer. Sie lobte das große Bett und äußerte sich sehr wohlwollend über meine erkennbare Vorliebe fürs Puristische.

      Gleich auf eine kleine Nummer bleiben wollte sie trotzdem nicht.

      *

      Minuten später saßen wir dann doch noch im Wohnzimmer. Den Wein, den ich mit großem Tamtam entkorkt und zum Atmen in eine teure Kristallkaraffe gegeben hatte, ließ sie mich einschenken, doch sie nippte kaum davon. Stattdessen bat sie mich, ihr doch ein schönes Glas Mineralwasser zu bringen. Das tat ich beflissen, jedoch schickte sie mich umgehend zurück, weil sie nur Wasser ohne Kohlensäure haben wollte. Als ich ihr das brachte, zeigte sie sich pikiert wegen eines unschönen Flecks an ihrem Glas, den sie mittlerweile entdeckt hatte. Also musste ich ein weiteres Mal in die Küche und zurück. Dann endlich hatte ich sie fürs erste zufriedengestellt.

      Bei ihr zurück hätte ich mich am liebsten gleich neben sie gesetzt und mit der Handarbeit begonnen, doch noch schien mir das zu plump. Also nahm ich stattdessen wieder ihr gegenüber Platz und war auf einmal so verlegen, dass ich kaum wusste, wohin mit meinen Händen. Verdammt nochmal, wie schafften das eigentlich andere Männer? Andere hatten offenbar nie Probleme, wenigstens schon mal die Hand in die Bluse zu kriegen.

      Glücklicherweise hatte ich fürs erste wenigstens das Glas mit dem ungeliebten Rotwein zum Festhalten. Das hatte ich auch nötig.

      Manche Frauen waren deutlich unkomplizierter, wenn die Situation erst einmal so erfreulich weit fortgeschritten war. Ausgerechnet dieser blonde Engel aber schien keineswegs die Absicht zu haben, auch nur einen Quadratzentimeter Haut kampflos preiszugeben.

      Fast zwangsläufig war sie es daher, die schließlich wieder so etwas wie ein Gespräch in Gang brachte. Sie ließ mich noch mehr über das Haus erzählen, das Wichtigste aus meinem Lebenslauf, auch allerhand über meine Arbeit. Als wir auf meine Unabhängigkeit zu sprechen kamen, witterte ich die Gelegenheit, endlich mal so richtig aufzutrumpfen. Dazu musste ich gar nicht sonderlich übertreiben, weil ich erstens erkleckliche Rücklagen angehäuft hatte und weil zweitens die anwenderbezogene Software, die ich teils für finanzkräftige Kunden nach Maß schneiderte, teils über verschiedene Internetplattformen direkt vertreiben ließ, einen angenehm gleichmäßigen Geldstrom auf meine Konten fließen ließ.

      „Normalerweise kann ich an jedem Ort der Welt arbeiten. Und zu jeder Zeit, die ich will.“

      „Beneidenswert!“, stieß sie hervor, und ich meinte zum ersten Mal so etwas wie Bewunderung in ihren Augen zu lesen.

      So setzte ich sie denn mit zügig zunehmender Bereitwilligkeit über die imponierendsten Details meines für sie offenbar aufregenden Lebenslaufs in Kenntnis, erfuhr aber über sie so gut wie nichts. Sie erwähnte, dass sie BWL und Psychologie studierte und momentan an einer Zulassungsarbeit bastelte. Aber das war ja ziemlich genau das, was ich schon über sie wusste. Nicht einmal ihr Alter wollte sie mir verraten, doch als ich sie vorsichtshalber auf achtzehn schätzte, lächelte sie.

      Schließlich kam ich auf die gloriose Idee, Musik aufzulegen. Ich dachte erst an Klassik, doch nach dem Reinfall mit dem Rotwein entschied ich mich doch für ein paar stimmungsvolle Rockballaden. Sobald die CD lief, trat ich hinter sie und beugte mich zu ihr hinab.

      Sie duftete hin – rei – ßend.

      Es war kein Parfüm. Es war ihr eigener Duft. Der Duft ihres Körpers. Und er war unwiderstehlich.

      Aber sie rührte sich nicht. Sie ließ es stumm zu, dass ich über sie gebeugt dastand, dass ich den Duft ihres Haares atmete, doch sie machte keinerlei Anstalten, mich ihrerseits zu berühren oder sich zu einem ersten innigen Kuss zu mir umzudrehen.

      So brach ich die Attacke irgendwann unvermittelt ab und richtete mich brüsk wieder auf. Es fiel mir schwer, mir den Anschein von Gleichgültigkeit zu geben, denn natürlich war mir der Fehlschlag alles andere als gleichgültig. Sie aber ließ sich nichts anmerken, und so gelang es mir einigermaßen, meine Enttäuschung zu überspielen.

      „Gibt es eigentlich in Kasachstan viele blonde Mädchen?“, fragte ich, weil mir trotz fieberhaften Überlegens keine noch weltmännischere Frage eingefallen war.

      „Weiß nicht. Ich war da noch nie. Brauchst du noch welche?“

      „Nein, nein. Ich meine, … ich … du bist ja …“

      Es war so unfair! Wie sollte man als Mann ein halbwegs gepflegtes Gespräch führen, wenn ausgerechnet beim Anblick der atemberaubendsten Frau die ganze unwichtige restliche Welt schlagartig zu existieren aufhörte?

      Außerdem: Wozu noch lange reden? Ein paar entschlossene Griffe hätten doch mehr als genug gesagt.

      Aber das wagte ich nicht.

      Noch nicht.

      *

      Sie hatte diese Probleme nicht. Was immer sie tat, wirkte natürlich, spontan und vollkommen ungezwungen. So wie jetzt, als sie sich unvermittelt erhob und neugierig begann, meine CDs und DVDs durchzusehen.

      Bis sie auf etwas Interessantes stieß.

      „’Die Geschichte der Null’“, las sie vor. „Ist das was Mathematisches?“

      Ja, klar, gab es in Kasachstan überhaupt Kinos? War da das Fernsehen schon erfunden?

      Ich hüstelte nervös. Ein Auflachen unterdrückte ich lieber, damit sie mir nicht einschnappte. Aber dass sie so naiv sein konnte, fand ich denn doch zu komisch. So dauerte es etwas, bis ich stockend zu antworten vermochte:

      „Nicht direkt. Ähm. Ist so’n alter Film. Kennst du wahrscheinlich nicht.“

      Sie nickte verständnisvoll. Dann rief sie aus:

      „Da ist ja eine Frau drauf!“

      „Ja? Ist mir noch gar nicht aufgefallen.“

      Lange besah sie das Cover, bis sie versonnen vor sich hin sagte:

      „Die hat gar nichts an.“

      Der Klang ihrer Stimme verhieß nichts Gutes. Ich hatte schon viel zu viele Frauen kennengelernt, die paradoxerweise auf andere Frauen, speziell auf nackte, gar nicht gut zu sprechen waren. Und die nicht einmal den Unterschied zwischen Porno und Erotikfilm kannten. Also wiegelte ich vorsichtshalber entschieden ab:

      „Das sieht wohl nur so aus.“

      „Man sieht ihre Brüste.“

      „Kann gar nicht sein!“

      Corinne Clery hätte meine Worte nicht hören dürfen, denn für ihre hinreißende Darstellung der O würde ich die kleine Pariserin in Wirklichkeit bis zu meinem Dahinscheiden aus tiefstem Herzen verehren. Doch Blondie ließ sich nicht von ihrem Kurs abbringen:

      „Nein, sie hat nichts an! Sieh doch selbst!“

      „Oh ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Sie ist ein Waisenkind, das mit seinen Eltern auf der Flucht ist. Die Eltern sind arm, sehr arm, und sie haben alles verloren. Zuletzt auch noch die Kleider ihrer Tochter.“

      Autsch! Ich hatte schon das Gefühl, etwas zu dick aufgetragen zu haben. Doch mein blonder Engel erwiderte in aller Unschuld:

      „Ach! Fast wie bei mir. Nur das mit den Kleidern nicht.“

      Schade, dachte ich, aber das können wir doch rasch in Ordnung bringen.