Michael Voss

Barbara & Betti


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interessant, wie lange haben sie denn das Anwesen schon?“

      „Da muss ich nachdenken, ich habe es nach der Wende von meinen Eltern bekommen, habe einen kleinen Teil des Gebäudes bewohnbar gemacht und nutze es für das Wochenende. Meine Mutter wohnt dort seit ein paar Jahren ständig. Über die wahre Geschichte lässt sie mich aber im Unklaren.“

      „Also ist der Rest eine Ruine?“

      „Nein, so darf man das nicht sehen, natürlich sind viele Zimmer nicht bewohnbar, aber eigentlich ist es sehr schön. Ach ja, ein Dach ist darauf und es ist auch ziemlich dicht. Außerdem habe ich das Gefühl, dass es Personen gibt, die ich zwar nicht sehen, jedoch besonders nachts hören kann.“

      „Wo liegt denn bitte ihr Anwesen?“

      „Ich möchte mich am liebsten mit Ihnen hier in Wismar treffen.“

      „Also verbleiben wir doch so, dass ich Sie anrufe, wenn ich mich auf den Weg machen könnte. Ach Barbara, mein Vorname ist übrigens Manfred, oder wie wir in Bayern sagen, Fredi.“

      „Also, dann bis bald...Manfred.“

      Natürlich hat sie mit den wenigen Angaben, welche sie mir gegeben hat, mein Interesse geweckt. Ein altes Gebäude mit noch alten Bewohnern ist immer der Höhepunkt, solange es sich nicht um Leichen handelt.

      Am liebsten würde ich nun Südtirol laufen lassen, gäbe es dort nicht auch noch ein altes Schloss. Allein die Frage des Wetters, da spricht doch erstmal alles für Brixen. Ich mache mich also weiter daran, meine Koffer zu packen. Gott sei Dank nehme ich diesmal den Wagen. Wanderschuhe, Regenjacke, da kommt einiges zusammen. Auf der Rückfahrt darf ich den Wein nicht vergessen.

      Meine Südtirol-Reisen waren immer ein voller Erfolg. Brixen fasziniert mich immer wieder, besonders an den Marktagen, da tätige ich meine Einkäufe, besonders wenn es um den Wein geht, eine Ration für die nächsten Wochen.

      Kapitel: 2 Brixen

      Nach vierzehn Tagen Aufenthalt in Brixen, ist es wieder an der Zeit, den Heimweg anzutreten. Als ich in München die Haustüre aufschließe, kann ich das rot blinkende Licht des Anrufbeantworters bereits erkennen. So höre ich eine Nachricht nach der anderen ab. Natürlich ist auch Barbara darauf, sie drängt auf einen baldigen Termin.

      Ich rufe sie als erstes an. Sie will zuerst von Südtirol einen Bericht hören, kommt aber dann schnell zum Kern der Sache. „Wann können Sie kommen?“

      „Also ein paar Tage müssen Sie mir schon noch geben. Hier liegt ein Berg von Post, einige Anrufe muss ich abarbeiten. Also ich meine, eine Woche werde ich schon noch benötigen. Aber bitte eine Frage, wie soll ich denn am besten anreisen?“

      „Mit der Bahn wird wohl am bequemsten sein.“

      „Das meine ich auch, ich werde für Sie ein Zimmer im Hotel für die erste Nacht reservieren. Am nächsten Tag werden wir dann aufbrechen. Ach, im Moment haben wir strahlenden Sonnenschein, also warten Sie nicht solange!“

      Ich krame einen Kalender hervor und wir einigen uns auf den 4. April, so habe ich noch gut zehn Tage für die Vorbereitungen.

      Zuerst gehe ich ins Internet und befrage Google nach einem Schloss oder Herrenhaus, auf welches die Beschreibung passt. Ich bin erstaunt, wie gut hier Mecklenburg-Vorpommern vertreten ist. Aber leider ist nichts vorhanden, was mir weiterhelfen könnte.

      Meine Unterlagen sind normalerweise sehr reichhaltig, da ich mich auf Meck-Pomm. ein wenig spezialisiert habe. Zu viele Objekte sind es inzwischen gewesen. Leider viele, bei denen eine Renovierung nicht mehr lohnte. Die Bausubstanz war einfach nicht mehr zu retten. Sie fallen in sich zusammen und irgendwann sind sie dann verschwunden. Es wird Gras über sie wachsen und zum Schluss ist alles was bleibt, ein Hügel Erde. Vielleicht wird in ein paar hundert Jahren mal jemand die Grundmauern finden und sie historisch als wertvoll einstufen. Bei einigen Objekten wurde mit der Renovierung begonnen und wegen Geldmangels alles wieder eingestellt. Aber die vielen inzwischen wieder hergestellten Schlösser und Herrenhäuser sind zu bewundern und die Besitzer sind zu beglückwünschen.

      Nicht selten sind sie bis an den Rand des finanziell Möglichen gegangen, um ihr Werk fertig zu stellen.

      Ich lege mir meine Unterlagen zurecht, um meine Reise vorzubereiten. Messgeräte, Zeichenpapier und den üblichen Kram. Bei der Wäsche gehe ich auf Nummer sicher. Auf jeden Fall warme Sachen, die alten Gemäuer sind teilweise schlimmer wie ein Kühlschrank.

      Für den 3. April bestelle ich ein Bahnticket mit Schlafwagen bis Hamburg, so komme ich auf jeden Fall ausgeruht an und kann mir eine Übernachtung im Hotel ersparen.

      Kapitel: 3 Meck.-Pomm.

      Jedes Objekt ist eine erneute Herausforderung, selten gleicht das Eine dem Anderen.

      So gehe ich also mit neugierigen Gedanken zum Bahnhof. Mein Zug steht bereits zum Einsteigen bereit. Ich mache es mir bequem, schnappe mir einen Schmöker und vertreibe mir die Zeit mit Lesen. Das gleichmäßige Ruckeln lässt mich schon bald nach der Abfahrt in den Schlaf sinken.

      Die Ankunft in Hamburg ist pünktlich, so habe ich noch genug Zeit ein Frühstück einzunehmen. Auch mein Anschlusszug steht schon da, so dass ich auch in Wismar pünktlich sein werde. Ich rufe Barbara an und bestätige nochmals meine Ankunft. Sie will mich nun doch gleich am Bahnhof treffen, damit wir gleich losfahren können.

      Etwas verunsichert stehe ich am Bahnhof von Wismar, sagten wir nun unter der großen Uhr oder neben der großen Uhr? Wenn ich so um mich sehe, entdecke ich gleich mehrere große Uhren. Sie muss mich wohl erkannt haben, eine junge Frau steht plötzlich vor mir und meint, „Suchen Sie mich?“

      „Wenn Sie Barbara sind? Ich hatte sie mir anders vorgestellt, eher wie eine Landfrau, stämmig und kräftig.“ Barbara muss lachen, ein herzliches, fröhliches Lachen. Wie sie so vor mir steht, denke ich. Vorsicht, in die junge Dame, könntest du dich verlieben. Ihr Körperbau ist nicht zu dick, nicht zu dünn, in Bayern würde man sagen, „Genau richtig, es passt alles.“ Die nächste Überraschung die folgt alsbald. Es ist das Auto, es ist ein „Citroen Entchen“ in rot, etwas ungepflegt und mit einigen Roststellen und Schrammen versehen.

      Sie steht im Halteverbot und wird gerade aufgeschrieben. Sie schimpft wie ein Rohrspatz, so dass der Polizist von weiterem Schreiben absieht.

      Zuerst sage ich mal gar nichts, ich betrachte sie von der Seite, um mir ein Bild von ihr zu machen.

      Sie trägt eine Jeansjacke mit verschiedenen bunten Tüchern, die sie sich um den Hals geschlungen hat. Der lange Rock hat viele Falten, so dass ich vermute, er wurde auf einer Ungarnreise erstanden.

      „Sie sagen ja gar nichts“ meint Barbara.

      „Ich lasse Sie gerade auf mich wirken.“

      Sie lacht herzlich, „Ich lasse mich nun mal nicht gerne aufschreiben.“ Wir starten und die Straße führt uns Richtung Rostock, so vermute ich. Es könnte sich um die Gegend zwischen Rostock und Stralsund handeln. Hier liegt ja auch das Schlösschen Krönnevitz, welches ich schon von früheren Besuchen her kenne.

      Wir gondeln, denn von Fahren konnte man nicht sprechen, so dahin. Sie steuert einen Parkplatz an und parkt das Entchen. Sie fängt das Gespräch so an: „Da ich nicht möchte, dass ein Fremder weiß, wie man zu meinem Anwesen kommt, werde ich Sie bitten, die Augen zu schließen. Mein Anwesen kennen nur sehr wenige, in einem Verzeichnis ist es nicht registriert. Wenn ich später weiß, dass ich Ihnen trauen kann, werden Sie erfahren, wo es ist.“

      „Spätestens wenn ich es sehe, werde ich wissen, um was es sich handelt und wo es liegt.“ Ich bin etwas mürrisch und verhehle es nicht. Da ich ja nun endlich wissen will, mit was ich es zutun haben werde.

      Wir steigen aus und vertreten uns die Beine, als sie auf mich zukommt, sagt sie, „Ich werde Ihnen nun die Augen verbinden.“ Ich bin so erstaunt, dass ich nur sage, „Wenn Sie meinen. Dann spielen wir eben Blindekuh.“

      Sie