Kristian Winter

Liebeswahn


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aufbot, verwunderte ihn ihre Schweigsamkeit. Normalerweise flötete sie ihm danach noch viele liebe Worte ins Ohr, kraulte zärtlich seinen Nacken oder verwöhnte ihn auf andere neckische Weise. Dieses Mal aber schob sie ihn einfach fort, stand auf und trat vor den Spiegel. Während er ihr, das Kinn in die Hand gestützt, mit den Blicken folgte, bürstete sie sich das Haar, zerrte daran, legte hin und wieder den Kopf schief und glich mit ihren schmollenden Lippen einem bockigen Teenager.

      „Warum glotzt du so?“, fragte sie, während sie sich ihr T-Shirt über die üppigen Brüste zog.

      „Du hast Cellulite?“, begann er zu spötteln und glitt mit dem Finger über ihren Schenkel.

      „Na und? Stört es dich?“

      „Weißt du eigentlich, warum Männer keine haben?“

      „Nein, warum?“

      „Weil es Scheiße aussieht, ähä!“ Er kringelte sich vor Lachen, kam damit aber nicht an und das ärgerte ihn. „Wieso muss danach immer alles so schnell gehen? Warum diese Eile? Oder kommt noch jemand? Das will ich doch nicht hoffen!“

      „Ach, du Dummchen! Und was erzähle ich morgen meinem Chef, wenn ich derart übernächtigt aussehe? Er ist sehr feinfühlig und wird es merken. Schon deshalb wirst du jetzt brav nach Hause gehen und süß von mir träumen.“

      „Ich verstehe das nicht! Was findest du nur an diesem Stiesel?“, maulte er daraufhin. „Ich finde ihn unmöglich, ein richtiger Affe ist das! Außerdem ist er viel zu alt für dich, könnte glatt dein Vater sein. Kann der überhaupt noch?“

      „Jetzt fang nicht schon wieder an! Ich habe dir von Anfang an gesagt, wie die Regeln sind! Also beklage dich nicht!“

      „Ja schon, aber die Vorstellung, dass er dich fickt, ekelt mich. Ich kann es einfach nicht abstellen. Sag mir nur eines - empfindest du eigentlich etwas bei dem, ich meine, so wie bei mir?“

      „Hast du keine anderen Sorgen?“, fragte sie und wurde dabei vor Zorn ganz blass.

      „Es interessiert mich eben! Also sag schon!“

      „So lange du auf deine Kosten kommst, sollte dir das doch egal sein, oder?“, antwortete Mako, ohne den Blick vom Spiegel zu nehmen. „Oder hast du etwa einen Grund, dich zu beklagen?“

      „Ist das wirklich alles, was du willst?“, wich er ihr sogleich aus. „Ich meine - gibt es nicht mehr, als jemandem schöne Augen zu machen, den du nicht liebst?“

      „Du bist unmöglich! Natürlich gibt es mehr, viel mehr sogar und das wissen wir beide genau. Nur kann man davon nicht leben.“

      „Aber was ist das für ein Leben, wenn man nur so lebt?“, widersprach er zu ihrem Erstaunen beinahe philosophisch, was zu einem Trottel wie ihm gar nicht passte.

      „Man kann nicht alles haben! So ist das nun mal! Irgendeinen Kompromiss muss man immer eingehen und ich habe mich so entschieden“, seufzte sie mit einem trotzigen Zug um den Mund.

      Das verletzte Lucas. Doch er fand nicht die passenden Worte, all das auszusprechen, was ihn jetzt bewegte. Er war noch nie ein guter Redner gewesen und handelte meist emotional, weshalb ihn diese nüchterne Rationalität verschreckte. Alles in ihm sträubte sich dagegen, besonders nach den vorangegangen Liebesschwüren. Dabei hatte er sie wirklich lieb. Jedenfalls bildete er sich das ein und hoffte noch immer, sie eines Tages davon zu überzeugen. Sagte er sich doch logisch und folgerichtig, wenn er sie nur ordentlich mit seiner Liebe erstickte, würde das ihr die Lust auf Abwechslung schon nehmen. Das wiederum führte dazu, dass er sich ständig vor ihr klein machte, worüber er sich hinterher furchtbar ärgerte. Besonders auf dem Heimweg fühlte er sich oftmals gereizt und hätte am liebsten jemandem die Fresse poliert, wie er sich gelegentlich ausdrückte.

      „Und wenn er dich nur benutzt? Ich meine, wenn deine Rechnung am Ende nicht aufgeht“, begann er erneut zu sticheln, selbst auf die Gefahr, sie damit vollends zu verärgern. „Ich kenne diese Typen. Sie halten sich für etwas Besseres und sind im Grunde nur Egoisten. Ich sage dir, der lässt dich schneller fallen, als du dir vorstellen kannst.“

      „Jetzt hör aber auf!“, fuhr sie ihn an. „Selbst wenn, ist das nicht dein Problem! Es ist meine Entscheidung! Und nun verschwinde, bevor es noch später wird, und pass auf, dass dich niemand sieht ... Ach ja, und vergiss nicht, sie morgen Abend wieder aufzusuchen. Bring sie dazu, wieder in dieses Café zu gehen, hörst du? Vielleicht ruft man wieder die Polizei! Dann erklärt man sie hoffentlich bald für verrückt und wir haben endlich Ruhe!“

      „Du meinst, du hättest Ruhe“, ergänzte Lucas bissig.

      Mako sah ihn verwundert an. „Was soll das jetzt?“

      „Ich finde es nicht richtig“, erwiderte er trotzig und kehrte ihr den Rücken.

      „Darf ich dich daran erinnern, dass wir eine Abmachung haben?“

      „Ja, schon. Aber ich fürchte, wir gehen langsam zu weit. Die Sache könnte außer Kontrolle geraten.“

      „Unsinn! Wir stehen kurz davor! Sie wird doch immer nervöser! Irgendwann wird sie aufgeben und dann ist es geschafft!“

      „Woher hast du das eigentlich gewusst, ich meine, dass mit ihr etwas nicht stimmt?“

      „Du meinst ihre Nervenschwäche? Sie hatte auf dem Flur mal ihre Post verloren und da war diese Visitenkarte herausgerutscht, ausgestellt von irgendeinem Psychiater. Gut ein Dutzend Termine waren darauf eingetragen. Ich habe es genau gesehen, auch wenn sie alles schnell wieder aufsammelte. Aber ich hatte so etwas schon geahnt. Keine normale Frau geht ihren Chef derart an. Dabei will er gar nichts von ihr, nicht die Bohne, und hat ihr das auch gesagt. Sie aber will das nicht begreifen und redet sich irgendetwas ein. Manchmal habe ich das Gefühl, er fürchtet sich vor ihr.“

      „Der und fürchten? Dass ich nicht lache!“, wehrte Lucas verbittert ab.

      „Wenn es aber so ist? Schon lange ist er mit ihr überfordert. Und da er sich an niemand wenden kann, bleibe nur ich. Ich gebe ihm Halt und er vertraut mir. So einfach ist das! Schon deshalb müssen wir es noch verstärken!“

      „Ach, ich weiß nicht!“, maulte Lucas.

      Mako gefiel das nicht. Seine Nachdenklichkeit irritierte sie. „Aber mein Lieber, ist es wirklich so schlimm?“, lenkte sie plötzlich ein und trat auf ihn zu. Dabei legte sie ihm zärtlich die Hand unter das Kinn und sah ihm in die Augen.

      „Was ist, wenn etwas passiert?“, erwiderte er. „Sie war letztens beinahe vor ein Auto gelaufen, als sie plötzlich unkontrolliert die Straßenseite wechselte! Außerdem fürchte ich, dass man in diesem Scheißlokal schon was mitbekommen hat.“

      „Das sind ja völlig neue Töne! So kenne ich dich gar nicht!“

      „Ich mich auch nicht“, seufzte er weiter. „Aber manchmal kommen mir solche Gedanken. Ich fürchte, wir kommen da nicht mehr raus.“

      „Du siehst das zu schwarz“, versuchte ihn Mako zu beruhigen. „Diese Frau ist nur ängstlich und ich weiß auch, warum. Wie ich hörte, lebt sie allein und hatte auch noch nie was mit einem Mann. Kannst du dir das vorstellen? Da muss man ja irrsinnig werden. Du bewirkst also nichts in ihr, was nicht schon da ist.“

      „Ich fühle mich trotzdem nicht wohl dabei.“

      „Wenn es so ist, sollten wir natürlich aufhören“, erklärte sie verständnisvoll. „Ich möchte nicht, dass du meinetwegen leidest.“

      „Wer sagt denn so etwas? Ich habe nur kein gutes Gefühl!“, stellte Lucas klar.

      Sie umschlang jetzt seinen Kopf und drückte ihn an sich. „Ach, du Dummchen, wann wirst du endlich erwachsen?“

      Daraufhin umfasste auch er ihren Leib und schmiegte seine Wange an sie. „Ich liebe dich!“

      „Du sollst so etwas nicht sagen.“

      „Wenn es aber so ist!“

      Noch einmal küsste sie seine Stirn und