Erich Hübener

Die Beichte eines Kindermädchens


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entstand, war irgendwie spannungsgeladen.

      „Also um es mal klar zu sagen, von einem der Steine am Fundort stammte sie nicht. Denn dann hätte ich in der Wunde zumindest Schmutz oder Sand oder sonst irgendwelche erkennbaren Rückstände gefunden. Es muss ein sauberer, harter, relativ scharfkantiger Gegenstand gewesen sein. Es war ja fast eher ein Schnitt als eine Platzwunde.“

      „Sie sagten nach dem ersten Eindruck am Fundort, dass sie ihr erst post mortem zugefügt worden ist.“

      „Ja, Herr Kommissar“, sagte sie spitz „und das hat sich auch bei der genaueren Untersuchung in meinem Labor bestätigt.“

      Walter merkte, dass das Gespräch zu Ende war. „Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung“, sagte er so liebenswürdig wie möglich und legte auf.

      „Ist die immer so empfindlich?“, fragte er dann.

      „Nein, nur wenn ihre Kompetenz angezweifelt wird.“

      „Hab ich das denn gemacht?“

      „Ja, allerdings.“

      „Ich habe doch nur nach Fakten gefragt.“

      „Ja, aber es war wohl mehr die Art und Weise wie Sie gefragt haben.“

      Beide schwiegen, aber Walter dachte daran, sich bei passender Gelegenheit für sein Verhalten zu entschuldigen.

      Die Presse

      „Was sagen wir denen nur“, fragte Schuster mit schlotternden Hosen.

      „Ach was, das sind auch nur Menschen. Die beißen schon nicht“, antwortete Walter.

      Eine Pressekonferenz war anberaumt. Die Reporter stürzten sich wie die Aasgeier auf die zwei Personen, die rechts und links neben dem Staatsanwalt saßen.

      „Ich schlage vor, dass Sie, Kollege Schuster, als zuständiger Ortspolizist die Fragen der Damen und Herren beantworten“, hatte der Staatsanwalt in der Vorbesprechung gesagt.

      Schuster wurde abwechselnd blass und rot.

      „Keine Angst, Kollege, Sie schaffen das schon. Sagen Sie einfach, was Sie in Ihrer Ausbildung für eine solche Situation gelernt haben. Und notfalls bin ich ja auch noch da.“

      „Und ich auch“, ergänzte Walter.

      Und es begann gleich heftig.

      „So geht es doch nicht weiter!“, brüllte der Vertreter der `Rechtsrheinischen Zeitung´. „Wir können unsere Leser doch nicht mit Vermutungen abspeisen. Es ist immerhin ein Mord an einer unserer Mitbewohnerinnen geschehen. Und da will die Bevölkerung über die Zusammenhänge auf dem Laufenden gehalten werden.“

      Der Vertreter des `Kreisanzeigers´ pflichtete ihm bei und ergänzte noch: „Da muss doch mal von höherer Stelle was passieren. Man kann eine Ermittlung in einem Mordfall nicht einem jungen – in allen Ehren, Herr Schuster – unerfahrenen Ortspolizisten und einem pensionierten, nicht autorisierten ehemaligen Kriminalkommissar überlassen.“

      Schusters Zornesader schwoll an. Sein Gesicht färbte sich dunkelrot. Walter saß ganz gelassen da. Im Grunde hatte der Reporter ja Recht. Er, Walter, war tatsächlich nur ein besserer Hilfspolizist ohne Rechte und Befugnisse.

      Und er kannte solche Situationen aus seiner bisherigen Laufbahn, wenn die Presse versuchte die Polizei unter Druck zu setzen, um an Informationen zu kommen. „Wir leben schließlich davon“, hatten sie ihm immer wieder gesagt.

      „Welche Fakten haben Sie denn bisher?“, fragte der Vertreter der `Unabhängigen´ den Staatsanwalt.

      Genau, dachte Walter, die wollen immer gleich Fakten haben. Dabei haben wir selbst noch nicht einmal welche.

      Der räusperte sich und sagte: „Nun, wir wissen, dass die Tote eine Russlanddeutsche war, also deutsche Vorfahren hatte, dass sie hier im Ort bei der Spedition Fischer als Kindermädchen gearbeitet hat, dass sie von Frau Fischer als sehr fleißige Haushaltshilfe beschrieben worden ist, dass sie nicht eines natürlichen Todes gestorben ist und dass…“

      Der Reporter der `Rechtrheinischen´ meldete sich. Der Staatsanwalt erteilte ihm das Wort.

      „Aber das wissen wir doch alles schon, Herr Staatsanwalt. Wir wollen wissen, wie der aktuelle Stand der Ermittlungen ist, ob es schon einen Verdächtigen gibt oder wenigstens ansatzweise eine Spur?“

      Der Staatsanwalt sah Walter an, Walter sah Schuster an. Der riss sich zusammen. Man sah förmlich, wie ein Ruck durch seinen Körper ging. Dann gab er die einzig richtige Antwort, so, wie er es in seiner Ausbildung gelernt hatte: „Über Ergebnisse in einem laufenden Verfahren dürfen wir keine Auskunft geben, um den Fortgang der Ermittlungen nicht zu gefährden.“

      Schallendes Gelächter war die Folge. Schuster sah Walter fragend an, aber der nickte zustimmend.

      „Aber meine Herren“, rief der Staatsanawalt die Versammlung zur Ordnung.

      „es ist völlig korrekt, was der junge Kollege gesagt hat. Und wir hätten dem Kollegen vor Ort längst Verstärkung geschickt, wenn wir nicht an allen Ecken und Enden personell permanent unterbesetzt wären. Darauf sollten Sie mal Ihr Augenmerk richten und entsprechend an höherer Stelle Druck ausüben. Die Mitarbeiter hier machen ihren Dienst so gut es geht, glauben Sie mir.“

      Damit war dem ersten Angriff der Wind aus den Segeln genommen. Doch der Vertreter der `Unabhängigen´ meldete sich noch einmal zu Wort: „Wie wollen Sie denn nun weiter vorgehen?“

      Der Staatsanwalt beugte sich vor, legte die Unterarme auf den Tisch und sagte beruhigend: „Lassen Sie die Beiden doch erst mal ihre Arbeit machen. Ich versichere Ihnen, dass wir in Hauptkommissar Walter einen fachlich kompetenten qualifizierten Helfer haben, der in seiner aktiven Laufbahn manchen Verbrecher zur Strecke gebracht hat. Ich persönlich halte die beiden für ein gutes Team. Die Dynamik der Jugend gepaart mit der Erfahrung und der Abgeklärtheit des Alters. Das ist eine gute Kombination.“

      Danke, dachte Walter, das reicht, sonst kommen mir gleich die Tränen.

      „Und ich verspreche Ihnen“, fuhr der Staatsanawalt fort, „dass ich mich für Ihre Belange einsetzen werde und selbstverständlich werden Sie sofort informiert, wenn wir konkrete Ergebnisse vorweisen können.“

      Die üblichen Erklärungen, dachte Walter. Wie oft habe ich das schon in meiner Laufbahn gehört. Geschehen ist dann meistens nichts. Immerhin hat er uns damit die Pressefritzen vom Halse gehalten. Aber Reporter können bekanntlich hartnäckig sein.

      Walter erkundete das Industriegebiet. Es gab am Ortsrand schon etliche Ansiedelungen. Da war eine Metallverarbeitung, ein Abschleppdienst, der Elektrogroßhandel der Familie Meixner und die Spedition Fischer. Die war sein eigentliches Ziel gewesen. Der Betrieb bestand aus zwei Großgaragen, zwei Lagerhallen und einem zweistöckigen Wohnhaus, in dem anscheinend auch gleich das Büro und die Verwaltung untergebracht waren. Ein bisschen Grün drum herum, eine kleine Blumenrabatte, ein paar Ziersträucher, kein richtiger Garten. Jedenfalls wurde da sicher kein Gemüse angebaut. Hinter dem Haus standen ein paar Spielgeräte, ein Sandkasten, eine Schaukel, eine kleine Rutsche, was man eben für zwei Kleinkinder so braucht. Das Dachgeschoss war ausgebaut. Wahrscheinlich hat dort Olga gewohnt, dachte er. Der Anblick des Hauses brachte ihn in dem Fall auch nicht weiter. Aber das Haus barg ein Geheimnis. Und das wollte er lüften.

      Er schlenderte zurück zum Ort, sah sich die Häuser an, blieb gelegentlich stehen und erreichte so irgendwann die Kirche. Er trat ein. Im Inneren war es still. Durch die alten bunten Glasfenster flutete das volle Tageslicht herein. Schön, dachte er, nicht so dunkel und muffig wie die meisten alten Kirchen. Gerade trat der Pfarrer aus dem Beichtstuhl.

      „Guten Tag“ sagte Walter.

      „Grüß Gott“ sagte der Pfarrer, „welcher Glanz in unseren bescheidenen Mauern.“

      Von Bescheidenheit konnte bei all dem Prunk wohl kaum die Rede sein, dachte Walter. „Woher kennen Sie mich?“

      „Ich bitte Sie, so eine bedeutende Persönlichkeit