Erich Hübener

Die Beichte eines Kindermädchens


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ihn was wegen der Pilze fragen.“

      „Ach sooo, da hat der Papa sicher nichts dagegen. Komm, ich bring dich hin.“

      Der etwa achtjährige Junge lief um das Haus und rief: „Papa, da ist Besuch für dich. Der will dich was fragen, wegen Pilzen.“

      Walter war dem Jungen gefolgt. Herr Herwig versuchte gerade zu flüchten, aber so schnell kam er nicht aus dem Liegestuhl heraus. Also ließ er sich wieder hineinfallen. Er sah Walter bösartig an und sagte: „Was wollen Sie? Was soll mit meinen Pilzen sein?“

      Er war etwa 55 bis 60 Jahre alt, a:ber schon ein bisschen korpulent. Auch das Haupthaar war schon ein wenig gelichtet. Er trug Freizeitkleidung, Shorts, T–Shirt und Sandalen. Walter trat so nah an den Liegestuhl heran, dass er ihm die Hand geben konnte.

      „Ich bin Stephan Walter, Kriminalbeamter a. D. Herr Schuster, mit dem Sie ja gestern telefoniert haben, bat mich, ihm bei der Ermittlung in dem Fall der Toten an der Feuerstelle behilflich zu sein.“

      „Ja, natürlich weiß ich worum es geht. Aber ich habe doch schon alles gesagt.“

      „Na ja, mag schon sein. Ich hätte da nur noch eine Frage wegen dieses Fotos.“

      Walter zog die Zeitung aus der Tasche und hielt sie Herrn Herwig vors Gesicht. Die Wirkung war nicht zu übersehen. Walter legte nach.

      „Das muss sehr früh am Morgen aufgenommen worden sein. Es ist noch neblig, die Spinnenweben glänzen vom Tau und die Sonne ist noch nicht aufgegangen. Und außer Ihnen ist zu diesem Zeitpunkt niemand da oben gewesen. Und die Spurensicherung hat eindeutige Fußspuren sichergestellt. Was meinen Sie, wenn wir die mit Ihren Schuhen vergleichen, was da wohl …“

      „Ja, ist ja gut“, sagte er aufbrausend, „ja,ich habe das Foto gemacht. Aber ich hab es nicht der Polizei gegeben sondern an die Zeitung verkauft. Ist ja auch nicht verboten oder?“

      „Na, ganz legal ist es nun auch wieder nicht. So etwas könnte man als Unterschlagung von Beweismaterial auslegen. Aber wir würden darüber hinwegsehen, wenn Sie uns noch ein bisschen mehr von dem entsprechenden Morgen erzählen. Denken Sie mal genau nach. War da noch irgendetwas?“

      Er dachte tatsächlich einen Moment nach und sagte dann: „Nein, außer mir und dem anderen Pilzsammler war da niemand.“

      „Welcher andere Pilzsammler?“

      „Na da unten auf dem Weg, da war ein Kollege von mir, der hat auch Pilze gesammelt.“

      „Können Sie den Mann beschreiben? Groß oder klein, dick oder dünn?“

      „Nee, dafür war er zu weit weg. Ich hab nur gesehen, dass er ähnlich angezogen war wie ich und einen dunklen Hut aufhatte.“

      „Meinen Sie, dass er Sie auch gesehen hat?“

      „Ich glaube schon, denn er ist dann gleich in die andere Richtung gegangen. Wissen Sie, bei uns Pilzsammlern gibt es ein ungeschriebenes Gesetz: Wenn man sich zufällig begegnet, dann geht jeder in die entgegengesetzte Richtung. So geht man sich aus dem Weg und sucht nicht an Stellen nach Pilzen wo schon ein anderer geerntet hat, verstehen Sie? Und ich habe noch genau gesehen, dass er sich gebückt hat, um Pilze zu sammeln.“

      „Das haben Sie gesehen?“

      „Ja, ganz genau.“

      „Meinen Sie, dass Sie den Mann bei einer Gegenüberstellung wiedererkennen würden?“

      „Nein, ich glaube nicht. Ich habe ihn ja nur von hinten gesehen. Und es war nebelig und der Mann war ziemlich weit weg.“

      „Ist Ihnen eigentlich nie der Gedanke gekommen, dass dieser Mann etwas mit der Leiche zu tun haben könnte“

      „Nein, nie, Herr Kommissar, Pilzsammler bringen doch niemanden um.“

      Walter gab auf, da war wohl nichts mehr zu holen. „Vielen Dank“, sagte er, „und das nächste Mal machen Sie keine verbotenen Fotos, versprochen?“

      Herr Herwig nickte. Walter verabschiedete sich und ging. Wieder auf dem Revier erzählte er Schuster von seinem Erfolg.

      „Aber Chef, da waren doch gar keine Fußspuren.“

      „Na und? Das war ein Schuss ins Blaue. Und es hat geklappt. Ich habe zwei Puzzlesteine, die wir heute Morgen noch nicht hatten. Erstens wissen wir jetzt, wo die Zeitung das Foto her hat und zum anderen wissen wir auch, dass an dem Morgen noch eine weitere Person da oben im Wald war.“

      Schuster überlegte, ob diese Tatsache sie entscheidend weiter bringen würde. Walter unterbrach seine Überlegungen mit einem völlig anderen Thema. „Übrigens, haben Sie von der Schlägerei in der Wirtschaft gehört?“

      „Na klar, Chef, das spricht sich doch sofort herum.“

      „Worum ging es dabei eigentlich ganz genau?“

      „Das ist eine lange Geschichte. Wollen Sie sie hören?“

      „Klar, sonst hätte ich nicht gefragt.“

      „Also: Der Blume-Torsten und der Mischner, das sind Parteifreunde. Und der Mischner hat irgendwo einen reichen Freund, der auf dem Grundstück vom Blume-Torsten gerne ein Hotel bauen möchte, so mit Wellness und allem. Aber das Grundstück ist zu klein. Nebenan steht das Elternhaus vom Rosenbauer. Das ist der Dritte der Raufbolde. Der hatte nämlich damals in den Brunnenhof eingeheiratet wo er jetzt auch noch wohnt. Und deshalb haben die ersten beiden seit Jahren schon versucht, der Mutter vom Rosenbauer die Hütte abzuschwatzen, aber ohne Erfolg. Es war nämlich durchgesickert, dass es ihnen gar nicht um die Hütte ging, sondern um das Grundstück. Und weil die alte Frau Rosenbauer nicht wollte, dass ihr Elternhaus abgerissen wird, hat sie nicht verkauft. Aber seit ihrem Tod steht das Haus leer. Dass der Rosenbauer jetzt nicht verkauft, hat aber letztendlich einen anderen Grund. Der Metzger Thomsen, der Besitzer des Ferienhauses, ist wiederum ein Parteifreund vom Rosenbauer, natürlich von der anderen Partei, versteht sich. Der will verhindern, dass da oben ein Hotel gebaut wird, weil er befürchtet, dass er dann seine Ferienwohnungen nicht mehr vermieten kann. Also zahlt er dem Rosenbauer jährlich ein paar Hundert Euro, natürlich unter der Hand, damit der seine Hütte nicht verkauft. Und deshalb geraten die drei sich immer wieder mal in die Haare.“

      „Und was ist mit der Drohung?“

      „Ach, Chef, Sie wissen doch wie das ist, dummes Geschwätz, das wird halt so dahergeredet. Aber da passiert schon nichts.“

      „Sagen Sie das nicht. Ich spreche ja nicht unbedingt von Mord, aber im Affekt ist schon manche Drohung dann tatsächlich passiert. Sehen Sie, in meiner aktiven Dienstzeit habe ich bei vielen Verhören Menschen vor mir auf dem Stuhl gehabt – Männer, aber auch Frauen – die im Affekt einen anderen Menschen getötet haben, die aber unter normalen Umständen noch nicht einmal einer Fliege etwas zu Leide tun würden. Und so wie die Streithähne aufeinander losgegangen sind hätte da schon etwas passieren können. Stellen Sie sich vor, einer von denen wäre unglücklich gefallen und hätte sich den Kopf irgendwo angeschlagen. Das kann schon zum Tode führen.“

      Schuster hatte aufmerksam zugehört. Dann nickte er und sagte gedehnt: „Ja, das könnte hier auch passieren.“

      Die erste Beichte

      „Du bist zum ersten Mal hier, meine Tochter“, stellte der Pfarrer fest, als Olga im Beichtstuhl Platz genommen hatte.

      „Ja, Hochwürden.“

      „Aber du bist katholisch, oder?“

      „Ja, Hochwürden. Jedenfalls hat unsere Oma das immer gesagt.“

      „Gut, dann beginne, mein Kind“

       Es entstand eine kleine Pause. Dann sagte Olga: „Ich habe ein paarmal gelogen. Als mir eine Tasse heruntergefallen war habe ich gesagt, dass es die Katze gewesen ist. Als ich einmal verschlafen hatte, habe ich gesagt, dass der Wecker nicht geklingelt hatte. Aber das stimmte auch nicht.“

      „Ja, das ist nicht recht,