Gery Wolfsjäger

Casmilda's Gewinn durch Verlust


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und doch diplomatische Art und Weise zu vermitteln.

      Der März dieses Jahres beschreib ein ziemlich verwirrendes Wetterspiel aus entsetzlicher Wärme und Kälte. Casmy und Conny liebten Sonne, deshalb gaben sie sich mit diesen halben Sachen von warmem Klima kaum zufrieden. Doch immerhin hatten sie einen Ausflug in sonnige Gefilde geplant. Dort wollten sie sich den heißen Temperaturen ebenso hingeben wie den attraktiven Männern, die sie dort erwarteten, sowie möglicherweise einer kleinen Phase des abschließenden Liebeskummers, wenn das Feuer der Urlaubsaffäre erloschen war.

      Sie wussten wie schön der Sommer in Wien sein konnte, wie leidenschaftlich die durchtrainierten Männer ihre Muskeln auf der Donauinsel zum Ausdruck brachten, aber die Neugierde des Unbekannten hatte sie wieder einmal erfasst, wie die Neugierde auf ein Paket, das es auszupacken galt.

      Casmilda spielte mit ihren schulterlangen, aubergine getönten Haaren, um ihrem unbewussten Wunsch nach Geborgenheit eines Mannes Ausdruck zu verleihen. Sie liebte es, wenn Männer ihre glänzende Mähne streichelten.

      „Meinst du, Marco würde mit uns nach Mallorca fliegen?“ fragte Casmilda.

      „Wie wär’s wenn du ihn einfach fragst, Dummerchen? Du bist doch sonst nicht so schüchtern!“, erwiderte Cornelia, und zwinkerte ihrer Freundin vergnügt zu.

      Diese zuckte mit den Schultern.

      „Es sind nur noch zwei Monate bis zu unserem Urlaubsantritt“, meinte Casmy. „Ich sollte ihn wohl bald fragen, nicht wahr?“, fügte sie lächelnd hinzu.

      „Ja, aber andererseits haben wir ihn erst kürzlich kennengelernt, meine Liebe. Du und ich hingegen teilen seit Anbeginn unserer Lehrzeit diverse Launen und Tagesverfassungen miteinander, zehn lange Jahre. Himmel, wie die Zeit vergeht!“, seufzte Conny, um anschließend nachdenklich die Stirn zu runzeln.

      „Ich habe eine Idee, wir vergessen dieses spanische Last – Minute – Angebot und bleiben hier, um sein Wesen genauer unter die Lupe zu nehmen, was natürlich in erster Linie deinem Interesse naheliegt!“

      Casmilda blinzelte überrascht. Seit einigen Monaten beschäftigten sie sich mit der Diskussion, wo sie ihren Sonnengebeten am besten nachgehen könnten. Cornelia ignorierte die Verblüffung ihrer Freundin und lehnte sich bequem in ihrem Stuhl zurück, um ihrem Gedanken eine freudige Entspannung zu verleihen. Sie wechselte die Stellung ihrer Beine, die sie übereinandergeschlagen hatte.

      „Das ist typisch für dich Conny, kein Wunder, dass deine Bindungen erlischen, kurz nachdem sie entflammt sind, du machst dich von Männern abhängig! Soll Marco doch hier bleiben, wir machen uns alleine unseren Spaß, auf Mallorca gibt es bestimmt viele attraktive Touristen!“

      Nun war es Cornelia, die einen verdatterten Blick aufsetzte und sich die Hände in die Hüften stützte.

      „Meine Liebe, kann es sein, dass du plötzlich Angst davor hast, dich Marco zu nähern? Vorhin hast du noch in den höchsten Tönen von ihm geschwärmt, und jetzt redest du plötzlich von irgendwelchen Touristen!“, spöttelte Conny in gespielt dramatischem Ton.

      „Vergiss nicht,“, seufzte Casmy, „wir arbeiten im selben Salon. Also ist es wohl das Beste, wenn ich mir die Sache mit ihm aus dem Kopf schlage – und aus dem Herzen. Außerdem hat er seinen Urlaub vielleicht bereits geplant, und verbringt ihn außerhalb Wiens.“ Conny fühlte mit ihr und strich ihr kurz über den Kopf.

      „Du hast recht. Lass' lieber die Finger von ihm. Tut mir leid für dich, aber du weißt ja: Privates und Geschäftliches zu trennen ist die Basis für eine gute Teamarbeit!“

      Casmilda konnte Cornelia nicht widersprechen. Dennoch schwärmte sie für Marco, und sie wusste über die Schwäche ihres Verstandes gegenüber diesem Gefühl Bescheid.

      Wenige Augenblicke später unterhielten sie sich zur Abwechslung über ein bodenständiges, realistisches Thema: die Finanzierung des Hotels und des Flugs .Das Endergebnis des Debakels hinderte sie daran, nach Mallorca zu reisen. Sie entschieden sich für einen Aufenthalt in Wien, weil ihre Ersparnisse kein anderes Urlaubsziel zuließen. Zwar rentierte sich der Luxus des Quartiers und auch der Flug um Haaresbreite, aber letztendlich müssten sie auf den Eintritt in die diversen Discotheken, die der Ballermann 6 hergab, verzichten, da diese Kosten ihr Budget überstiegen, ganz zu schweigen von den Getränkepreisen. Sie verabschiedeten sich also gedanklich von ihrem Sommertrip ins Ausland und beschlossen, sich davon nicht die Vorfreude auf die hitzige Jahreszeit verderben zu lassen.

      Das Haarstudio Die fliegende Schere hatte im Mai 3 Wochen lang geschlossen, somit blieb genügend Zeit, einmal so richtig ausspannen zu können. Conny nippte an ihrem Cherry-Shake. Sie dachte kurz über Marco nach, den auch sie sehr attraktiv fand. Aber mehr war da nicht. Mehr durfte da nicht sein. Weder Conny noch Casmy konnten sich Gefühle, sexuelle Erlebnisse oder zu viel Freizeit mit Marco erlauben, es würde dem Geschäftsleben nichts Gutes abgewinnen. Außerdem definierte ein Ehrenkodex in ihrer Freundschaft, sich nur objektiv in die aktuelle oder bereits beendete Liebesbeziehung ihres Gegenübers einzumischen, ganz gleich, welcher Intensität diese entsprang, somit waren Flirt – oder Annäherungsversuche jeglicher Natur für die jeweilige beste Freundin tabu.

      Die drei Stylisten wohnten in einem Jugendwohnhaus im 12. Bezirk, Meidling. Die U4 – Station „Meidling Hauptstraße“ befand sich in der Nähe jenes Gebäudes. Das Haarstudio war ebenfalls öffentlich mit der U4 gut zu erreichen, vom Schwedenplatz entfernt waren es nur ein paar Schritte in Richtung Rotenturmstraße, sowie zur Vorlaufstraße Nr. 19.

      Im Jugendwohnhaus lebten Menschen verschiedenster Herkunft. Marco war gebürtiger Italiener und von Linz nach Wien gezogen, Casmy kam aus Wilhelmsburg im Bezirk St. Pölten Land, und Cornelia stammte aus dem weinreichen Burgenland. Rein zufällig ergab es sich, dass sie alle im selben Wohnheim untergebracht waren, sowie im selben Geschäft arbeiteten. Conny und Casmy wohnten bereits seit Anbeginn ihrer Lehrzeit in Wien. Marco war erst vor 5 Wochen eingezogen.

      Es war nur Bewohnern außerhalb Wiens sowie einreisenden Ausländern die Erlaubnis vorbehalten, in diversen Jugend – und Studentenwohnheimen zu leben. An und für sich gab es auch eine Vorschrift, die die Altersgrenze für das Beziehen einer Wohnung konkret festlegte, aber die Bewohner hätten teilweise rein theoretisch die Väter oder Mütter der jüngeren Insassen sein können. Die Verwaltung jedoch blickte über diesen kleinen Regelverstoß hinweg.

      Casmy und Conny nutzten diese älteren Menschen als abschreckendes Beispiel. Die Aussicht, noch in gehobenem Alter in einer Stätte zu wohnen, die für Studenten und Lehrlinge oder junge Leute mit geringem Einkommen vorgesehen war, sollte ihnen kein Vorbild sein.

      Im gesamten Jugendwohnhaus gab es diverse Freizeiteinrichtungen wie beispielsweise einen Fitness, – Musik – und Partyraum, einen Tischtennistisch, den Squash – Bereich, Internetzugang sowie einen Tennisplatz. Nicht zu vergessen waren natürlich die Getränke – und Snack-Automaten, die Bibliothek und die gemütlichen Couchen und Sitzecken.

      Die Zeiger der Uhr im Restaurant zeigten 18:30.Sie nahmen die letzten Bissen ihrer Happy – Schmecky – Burger zu sich, kauften für unterwegs noch eine Sweetmouse – Kirschschnitte , und verließen das Fastfood– Restaurant. Junk – Food – Mood hatte seine Eröffnung vor einem Jahr gefeiert, die Menüs waren an jenem Tag dementsprechend günstig gewesen. Auch danach bewegten sich die Preise in einem durchaus toleranten Rahmen, allerdings enthielt der Speiseplan nicht unbedingt Nahrungsmittel, die sich mit diversen Schlankheitskuren gut vereinbaren ließen. Die Zeitungen berichteten mehr oder minder theatralisch über wilde, klatschsüchtige Skandale: „Happy – Schmecky – Burger lassen Sie bei regelmäßigem Konsum nach drei Monaten aussehen wie ein Walross, da ein Stück so viele Kalorien enthält wie drei gebackene Schweineschnitzel“, oder „Die Desserts bei Junk – Food – Mood sind mit Stoffen angereichert, mit denen Sie möglicherweise Fenster putzen könnten!“ Die Ernährungswissenschaftler im Fernsehen neigten ebenfalls gerne zu ähnlichen Übertreibungen, aber Casmy und Cornelia wussten, warum sie in letzter Zeit ständig den Fitnessraum im Jugendwohnhaus aufsuchten, insofern sie ihren inneren Schweinehund dazu überwinden konnten.

      Die jungen Frauen gähnten,