Gery Wolfsjäger

Casmilda's Gewinn durch Verlust


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      Casmilda wuchs in einem kleinen Dorf namens Wilhelmsburg an der Traisen im Bezirk St. Pölten Land auf. Sie wusste, was es hieß, selbstständig zu sein. Sie wurde nicht verwöhnt, was ihre Kindheit betraf, ganz im Gegenteil, was ihr wichtig war, musste sie sich hart erarbeiten. Ihre Noten in der Schule waren immer exzellent. Nach der 4. Klasse lernte sie selbstständig und alleine für die Schule.

      Wie groß war die Enttäuschung, als sie ihr Abschlusszeugnis der Hauptschule in den Händen hielt, mit lauter Einsern, und ihren Eltern in den Ohren hing: „Mama, Papa, wir ihr schon wisst ist mein Zeugnis überdurchschnittlich gut ausgefallen! Ich würde so gerne eine höhere Schule besuchen! Danach möchte ich vielleicht Psychologie studieren, und…!“

      „Vergiss es, Schätzchen“, warf ihre Mutter sachlich ein, „für derartigen Luxus haben wir kein Geld. Die ständigen Bücherkosten, die Ausflüge und dergleichen übersteigen unser monatliches Budget. Erlerne einen anständigen Beruf, Mädchen!“

      Als Casmilda vorschlug, einen Nebenjob anzunehmen, um sich die Schulkosten selbst leisten zu können, wurde ihr dies verboten. „Dein Engagement in allen Ehren, Liebes, aber ich glaube, damit wirst du dich überfordern.“

      Somit bewarb sie sich im Alter von 15 Jahren bei Die fliegende Schere. Sie hatte es nicht leicht mit Cornelia, die am selbigen Tag wie Casmilda ihre Lehre antrat .Conny nahm alle ihre Aussagen persönlich, hinterfragte dabei ihren eigenen Wert und war schnell beleidigt. Es dauerte eine Weile, bis die beiden einander verstehen lernten. Ihre Kolleg -und Freundschaft war jedoch nicht immer von Kompromissen übersät, weil sie abgesehen von ihren charakterlichen Unterschieden in vielen Punkten einer Meinung waren, sei dies nun gekennzeichnet durch private Dinge wie gemeinsame Hobbies oder berufliche Dinge wie dieselben Geschmäcker bei einer fachlichen Typberatung – sie fanden mehr und mehr zueinander. Tief in ihrem Inneren wussten Casmilda und Cornelia über die Wichtigkeit der Akzeptanz ihrer jeweiligen Unterschiede Bescheid, sie würden sich nicht grundsätzlich füreinander ändern, aber mehr und mehr Bereitschaft zeigen, ihr Gegenüber zu verstehen. Casmilda brachte mit ihrer Persönlichkeit im Salon eine starke Powerfrau zum Ausdruck, die mit Elan und Motivation ans Werk ging.

      Cornelia trat den Kunden mit einer sehr feinfühligen Ader entgegen, die sie sehr an ihr schätzten, obwohl Ausnahmen die Regel bestätigten. Somit stellten sie an ihren guten Tagen ein fantastisches Team dar, das balanciert und richtig handelte. Misslungene Teamkonzepte konnte ein Außenstehender an Connys beleidigter Miene oder Casmildas zornigen Blicken erkennen. Selbstverständlich jedoch waren beide mit einer selbst antrainierten Schauspielergabe ausgestattet, die es ihnen ermöglichte, die „schlechten“ Tage vor den Kunden zu verbergen. Irgendwie schafften es Casmy und Conny immer wieder beide, aufeinander einzugehen, wenn sie sich gestritten hatten, egal ob aus privaten oder beruflichen Gründen. Sie konnten immerhin viel voneinander lernen, wenn die Bereitschaft dafür gegeben war.

      Der Abend bei Junk-Food -Mood hatte einen Anflug von Müdigkeit über die Gemüter der Stylistinnen gezogen. Zuerst waren sie sturzbetrunken am Sonntag Morgen nachhause gekommen, hatten danach ein paar Stunden geschlafen und sich statt frischer Luft die Düfte eines Fast Food-Restaurants gegönnt.

      Sie hockten abends zusammen in Connys Zimmer im Jugendwohnheim und schwiegen sich gegenseitig an, dabei wanderten ihre Blicke zwischendurch zum Fernseher, der eine kitschige Serie ausstrahlte. Seit ihrer Diskussion wegen Daniel hatten die beiden sich nicht mehr miteinander unterhalten, kein einziges Wort gewechselt. Doch Casmy tat eben nur, worum Conny sie gebeten hatte. „Lass' mich bitte zufrieden!“, hatte sie gesagt. Dabei war Casmilda vollkommen bewusst, wie wichtig Conny in solch trotzigen Momenten Worte des Mitleides waren, doch sie tat ihr diesen Gefallen nicht, weil er sich letztendlich nicht als Gefallen herausstellen würde. Sie musste lernen, Mücken Mücken sein zu lassen, anstatt sie zu Elefanten aufzublasen. Schließlich sah Casmy ihre Freundin an und grinste. In ihren Augen erkannte Conny Aufmunterung und Zuversicht. Spätestens dann wurde Cornelia klar, welche Übertreibung sie wieder einmal an den Tag gelegt hatte, ihr Schmerz galt immerhin ihrem Liebeskummer wegen Daniel, nicht der ganzen Welt um sie herum.

      Nun musste auch Cornelia grinsen und schloss ihre Freundin in die Arme. Dabei merkten beide die nicht zu verleugnende Fälligkeit eines Rückentrainings, die ihr Berufsleiden hervorbrachte. Eine halbe Stunde später rüttelte Conny Casmy sanft am Arm, die bereits eingeschlafen war.

      Es folgte die typische Küsschen – Verabschiedung und Conny ging zu Bett.

      Auch Casmilda befand sich wenige Minuten später in ihrem kleinen Schlafgemach. Kurz, bevor sie sich selig in den Schlaf wiegen wollte kam ihr ein Gedanke. Ihre schweren Lider aufrechterhaltend beschäftigte sie Connys Verhalten dahingehend, wie wichtig sich die Liebe eines Mannes für sie selbst darstellte. Doch anstatt diesem Gedanken tiefgründige Philosophien folgen zu lassen, entdeckte sie in ihrem Inneren eine sexuelle Begierde.

      Kurzerhand öffnete sie die Nachttischschublade und nutzte ihren Vibrator, sowie ihre zärtlichen Hände, um sich wenige Minuten später einem sinnlichen Orgasmus hinzugeben.

      Ein Anflug leichter Reue streifte sie, während sie das Penisimitat unter das lauwarme Wasser im Badezimmer hielt. Sie wusste genau, dass sie die Möglichkeit hätte nutzen können, sich der lebendigen Fleischeslust eines Mannes im Dance for Chance vollkommen hingeben zu können, was Küsse oder sexuelle Begierden anbelangte, die sich letztendlich in einem privaten Bett ihre Bahn gebrochen hätten, somit hätte sie auf den Nutzen des Vibrators vollkommen verzichten können. Doch die Rücksichtnahme auf Conny, dessen Vorwürfe, sie hätte sie alleine in der Diskothek zurückgelassen, hatten sie davon abgehalten, ihrem erotischen Drang bereits am Samstag nachzugeben, trotz des hohen Alkoholspiegels.

      „Doch ich habe Connys Unsicherheit gegenüber Männern nicht zu verantworten, obwohl sie mir diese Verantwortung in Form von Vorwürfen gerne unterbreiten möchte“, sagte sie laut in den Raum, als sie in ihrem Bett liegend die Decke anstarrte. Die Kompromisse in unserer Freundschaft sind nicht immer einfach für mich, dachte sie. Wenige Sekunden später war sie eingeschlafen.

      Unterdessen dachte Conny erneut über Daniel nach. Nun, da sie alleine mit sich selbst war, und Casmilda sie nicht von ihrer uneinsichtigen Art, die Situation zu sehen, abhalten konnte, trieben in ihren Gedanken einige Hassfantasien gegen ihren Exfreund ihr Unwesen. Es war einerseits gut, sich von ihren Emotionen treiben zu lassen, denn sie entsprachen ihrer wahren Natur, die Dinge zu sehen. Andererseits wusste Cornelia tief in ihrem Inneren, wie sehr sie es in ihrem Leben befürworten würde, mehr Selbstvertrauen zuzulassen und somit ihre Wahrnehmung für die Außenwelt zu verändern. Doch Veränderung war ihr ein Gräuel, sie barg keine Sicherheit. Also würde sie sich bestimmt noch eine Zeit lang mit ihrem alten selbstzweifelnden Ich herumschlagen müssen. Wenige Minuten später fiel auch sie in einen tiefen Schlaf.

      Am nächsten Tag wurde Casmilda bereits sehr früh am Morgen wach, als sie schlaftrunken registrierte, an ihrem arbeitsfreien Montag noch viel länger ausschlafen zu können.

      Doch die Erinnerung an einen realistischen Traum hielt sie davon ab, weiterhin auszuruhen. Sie setzte sich ruckartig im Bett auf, schloss die Augen und ließ die Bilder vor ihrem geistigen Auge revue passieren: Marco und Casmy hatten die sexuelle Vereinigung der Reiterstellung genossen, wobei sie ihn mit gierigen Blicken fixiert, sowie mithilfe obszöner Worte motiviert hatte, tiefer in sie einzudringen. Schließlich erschien Conny und filmte die beiden bei ihrem Lustakt. Mit den Worten: „Das Internet wird seine Freude an dem Film haben!“, bedachte sie Casmy mit einem eiskalten Lächeln. Gefühle der Scham und des Entsetzens durchfuhren ihren nackten Körper, als sie ihre Hände verzweifelt um ihn schlang. An dieser Stelle riss sie erschrocken die Augen auf. Schnell schnappte sie sich ihr Tagebuch und begann, den Traum schriftlich zu analysieren: „ 9.3.: Ich träumte von Marco, der mich sexuell befriedigte, und Conny, die den Akt unterbrach. Sie filmte uns während ich mich auf ihm bewegte, und drohte damit, das Ganze ins Internet zu stellen. Was soll das bedeuten? Mir scheint, als hätte ich Angst, Conny würde mir dieses Gefühlshoch mit Marco nicht gönnen, das sich in meinem Traum anhand einer sexuellen Vorstellung ausdrückt. Doch wieso sollte sie das tun? Sie ist meine beste Freundin. Obwohl ich mir darüber im Klaren bin, welch übertriebenes Ausmaß Connys Neid annehmen kann, wissen sie und ich, woher seine Wurzeln