Gery Wolfsjäger

Casmilda's Gewinn durch Verlust


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hatten sie die Burger, Süßigkeiten oder Milchshakes als äußerst delikat empfunden, doch beizeiten begann ihr abgespanntes Gehirn zu begreifen, wie die Gerüche gesunden Essens sich im Vergleich anfühlten.

      Connys Handy klingelte, als sie auf dem Gehsteig standen.

      „Was? Das wirst du noch bereuen! Du wirst nie eine Frau kennenlernen, die dein Wesen über längere Zeit toleriert, das schwöre ich dir!“

      Mit hastigen Bewegungen drückte sie auf den roten Knopf und warf ihr Mobiltelefon in die Handtasche. „Was hast du?“ fragte Casmilda entsetzt. Besorgt blickte sie in das traurige Gesicht ihrer Freundin, dessen Augen sich langsam mit Tränen füllten. Sie tätschelte sanft ihren Arm.

      „Er will unsere Beziehung aufgeben!“, entfuhr es Conny lauter, als sie beabsichtigt hatte.

      „Wer?“

      „Drei Mal darfst du raten!“

      „Äh, Jakob?“

      „Nein, diese Liaison ist seit sieben Wochen passé, es geht um Daniel! “

      „Oh, entschuldige, da habe ich mich wohl vertan, du wechselst ja auch die Männer wie die …..“

      „Ruhe!“

      „Ich bin ja schon still. Tut mir leid, das war nicht sehr einfühlsam von mir. Ach ja, zurück zu Daniel: so ein gemeiner Typ. Und warum will er sich von dir trennen?“ Casmy fragte sich, inwiefern sie diesem übertrieben Drama ihre Ernsthaftigkeit beisteuern konnte.

      „Er meinte nur, seine Intuition rate ihm zu dieser Handlung. Doch wieso quält er mich drei Wochen lang mit seinem romantischem Getue, um mich schließlich derart kalt abzuservieren?“

      Casmilda tippte sich nachdenklich mit dem Finger an die Stirn Ihr kam ein Gedanke.

      „Entweder hat er sich emotional noch nicht von seiner Ex-Freundin gelöst, eine ganz andere Person hinter deinem Rücken kennen gelernt, oder er ist schwul.“ Letzteres sollte ein Witz sein, um Conny aufzuheitern. Aber der Versuch war vergebens. Conny verzog keine Miene. Casmilda seufzte und hob erneut an zu sprechen.

      „Wer weiß, vielleicht ist er oberflächlich und wollte nur eine rein sexuelle Beziehung mit dir führen, ohne Regeln von Treue oder Rechenschaft. Das würde dann wohl allerdings auch bedeuten, dass du nicht den Typ Frau repräsentierst, den er auf sexueller Ebene attraktiv findet!“

      „Aufbauende Worte, danke!“ Conny verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.

      „Tut mir leid, wenn ich noch folgendes Ass im Ärmel habe, aber andererseits solltest du dir Gedanken darüber machen, welchen Beitrag du selbst leistest, der die Männer in die Flucht schlägt. Schließlich sagst ausgerechnet du zu Daniel, er sei ein Typ, dessen Eigenschaften schwierig zu tolerieren seien. Damit hättest du dich gut und gerne selbst meinen können.“

      „Lass’ mich jetzt kurz in Ruhe, bitte!“ Conny hatte ihr scheinbar kaum zugehört und schwelgte mit ihren Gedanken in einer Opferhaltung.

      Die zwischenmenschliche Liebe ist die komplexeste Erfindung der Menschheit, die es gibt, schoss es der frustrierten jungen Dame durch den Kopf. Sie glaubte, fähig zu sein, eine Beziehung zu führen, und den Partner sowie sie selbst glücklich machen zu können, wirkte aber auf Männer durch ihr überempfindliches, launisches Wesen ziemlich unreif, trotz der 25 Jahre, die ihr Alter beschrieben. Casmy war zwei Monate älter als Conny.

      Casmilda fragte sich ernsthaft, was Cornelia bedrückte. Es fiel ihr schwer, diese Situation wirklich akzeptieren zu können. Conny hatte Daniel doch nur drei Wochen gekannt, und nun verhielt sie sich, als sei ihr Herz gebrochen. Konnte Liebe auf den ersten Blick sie tatsächlich so sehr verletzen, wenn sie nicht erwidert wurde? Sie fragte sich, wie sie sich fühlen würde, wenn Marco ihr eine Abfuhr erteilen würde, auch, wenn sie nicht in ihn verliebt war, sondern nur für ihn schwärmte. Ihr Herz machte dabei einen traurigen Satz und sie verdrängte den Gedanken sofort wieder. „Diese Sache ist sowieso hinfällig“, meldete sich ihr innerer Kritiker zu Wort. Ihr Herz jedoch war ganz anderer Ansicht.

      Casmilda hatte ihren Arm um Connys Taille gelegt. Conny schwieg und weinte still. Ihr Kopf lag auf der Schulter ihrer Freundin. So schritten sie Arm in Arm die Straße entlang, bis sie sich schließlich auf einer Bank niederließen. Es gab viele Momente, in denen Casmilda Cornelia nicht verstand, aber sie war für sie da, wann auch immer sie ihre Hilfe brauchte. Sie setzten sich auf eine Parkbank. Auch Situationen, in denen Cornelia in solchen Momenten der Traurigkeit frustriert und lautstark ihren Kummer zum Besten gab, mitten auf der Straße oder auch in einem Café, nahm Casmilda einfach hin - diese Szenen waren ihr schon lange nicht mehr peinlich. Auch in einer Freundschaft konnte ein verinnerlichtes Gewohnheitstier Wunder bewirken.

      Conny zeigte ihre Launen auch gut und gerne am Arbeitsplatz. Ungeduldig verdrehte sie des Öfteren entnervt an einem Dienstagmorgen die Augen– montags hatte Die fliegende Schere geschlossen - , weil sie sich darüber ärgerte, dass jemand ihre rosa Schnitt-Fit – Schere verlegt hatte, bis ihr die Erleuchtung kam, jene aufgrund von Schwarzarbeit am Wochenende noch in ihrer Handtasche liegen gelassen zu haben .Diese Kleinigkeit beschrieb nur ansatzweise ihre überempfindliche, tollpatschige Natur. Eines Tages, als sie einem attraktiven Mann hinterherstarrte, weil er ihres Erachtens nach einen tollen Hintern besaß, lief sie wenige Augenblicke später gegen ein riesiges, kaum übersehbares Stoppschild. Ein prägnantes, ironisches Massaker krönte schließlich ihre Tollpatschigkeit. Sie stieß ein frustriertes „Scheiße!“ aus und stand 2 Sekunden später in einem Hundehaufen.

      Bei jeder dieser Pannen war Casmy dabei gewesen, die derartigen Situationen einen Heidenspaß abgewann. Sogar die überempfindliche Conny schaffte es mittlerweile, ihre Lachmuskeln bei jenen Erinnerungen anzuspannen.

      Cornelia wurde bewusst, dass sie ihr Make – Up in Ordnung bringen musste, da ihre Tränen ihr mühevoll errichtetes Werk zunichte machten.

      „Geht es dir jetzt ein wenig besser?“, fragte Casmilda, während sie ihre Hand hielt.

      „Nein, um ehrlich zu sein, nicht. Du hast Recht, ich sollte mich nicht grämen, wir haben uns nur drei Wochen lang gekannt. Ich bringe mich ständig in derartige Situationen, wie du ebenfalls richtig erkannt hast, und dieses innere Zugeständnis tut mir weh. Wie kann ich mit mir selbst ins Reine kommen?“

      Casmilda hatte eine glänzende Antwort parat, doch sie wurde unterbrochen. Ihr blieb der Mund offen stehen, und die langen Wimpern schienen gen Himmel zu wachsen, zumindest fühlte es sich so an.

      Da, einen Meter von ihr entfernt, ging er schnellen Schrittes seinen Weg, wohin auch immer. Marco.

      „Hey Marco, hallo, bleib' doch mal stehen!“, rief sie ihm von weitem zu. Sie fühlte eine tiefe Euphorie in ihr aufsteigen, und ihr Herz begann zu pochen, als er sich langsam zu ihr umdrehte. Er lächelte, als er sie erkannte, und Casmilda stieg die Röte ins Gesicht, da sie sein attraktiver Anblick aus der Fassung brachte. Er machte auf dem Absatz kehrt und bewegte sich auf die beiden Frauen zu. Der hübsche Italiener trug ein weißes, ärmelfreies Shirt, eine kurze schwarze Hose, und sein Haar hatte er mit Wet-Gel einen Stand verliehen, der ihn ein wenig größer wirken ließ, da er mit 1,75cm nicht unbedingt eine stattliche Körpergröße aufwies. Hingegen unterstrichen seine dunkelbraune Haut und die charismatischen Augen die Attraktivität seiner Ausstrahlung, die von seinen stark hervortretenden Muskeln an Brust, Armen und Beinen vollendet wurde. Casmy erschienen seine Bewegungen wie ewige Kilometer, da in diesem Moment ihre Sehnsucht nach seiner strotzenden, beschützenden Kraft eine eigene Persönlichkeit anzunehmen schien. Darüber hinaus liebte sie es, ihm zuzusehen, wie er seinen tollen, braungebrannten Körper in der Sonne wiegte.

      „Hallo ihr Beiden“, begrüßte er Casmilda und Conny mit einem Handschlag. „Ich habe euch leider nicht gesehen.“

      „Macht doch nichts“, entgegnete Casmilda, die gerade mit der Sonne um die Wette strahlte, „ich habe dich gesichtet und nun bist du hier.“

      Marco setzte sich zu ihnen. Der Schweiß lief ihm von der Stirn, was Casmilda als höchst erotisch empfand, weil sie die Tropfen am liebsten sanft mit ihren Fingern weggewischt hätte.