Gery Wolfsjäger

Casmilda's Gewinn durch Verlust


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konnte Casmilda nicht bestreiten. Sie schaffte das Klischee des testosterongesteuerten Mannes ab und projizierte es mit ihrer sexuellen Offenheit auf sie selbst.

      Valy begab sich wieder zu Bett, genoss traumlos ihren Schlaf und stand pünktlich um 14 Uhr auf um sich für den gemeinsamen Tag vorzubereiten. Ebenso pünktlich klopfte auch Casmilda an der Tür, diesmal wurde sie von ihrer Freundin mit einer Umarmung und zwei Wangenküsschen begrüßt.

      Sie nahmen die nächste U-Bahn, um zu Junk Food Mood zu gelangen, das ungesunde Fast Food schmeckte Valy, Casmy und Conny unbeschreiblich gut. Casmy öffnete das U-Bahn-Fenster, um ein wenig frischen Fahrtwind abzubekommen.

      Durch das herrliche Wetter spiegelten sich in Valys Haaren glänzende Reflexionen des Sonnenlichts, die ihr wunderschönes Blond zur Geltung kommen ließen. Casmilda betrachtete die kaputten Enden und meinte: „Deine Spitzen könnten einen Schnitt vertragen, sie sehen aus, als hättest du eine Spinne in deinen Haaren fuhrwerken lassen, wobei der Spliss die Netze darstellt!“

      Sie lachte über ihren eigenen Witz. Dabei rümpfte sie theatralisch die Nase, und fuhr Valetta kurz mit den Fingern durch ihre Wuschelmähne, was jene mit einem Einziehen des Kopfes als überflüssig deutete. „Ja ja, du immer mit deiner überheblichen Friseurzunge, aber gut, tob' dich aus wenn du meinst, es würde mir dann besser gehen, heute noch, wenn du willst. Ich persönlich finde, es gibt wichtigere Dinge im Leben eines Menschen als kaputte Haarspitzen.“ Sie schüttelte mit gespielter Entrüstung den Kopf und grinste.

      „Das ist nun mal eine Berufskrankheit, meine Liebe!“ Casmilda war um kein Kontra verlegen.

      „Berufskrankheit! Dass ich nicht lache“, entgegnete Valy mit theatralischer Miene, „deinem Prinzip nach müsste ich also jedem Gast in unserer Pizzeria davon abraten, unsere Pizzen zu essen, wenn sie ab und zu ein bisschen angebrannt sind, weil ich meinen Beruf derart ernst nehme, nicht wahr?.“ Gespielt dramatisch stemmte sich Valy die Hände in die Hüften. Casmy nahm die Herausforderung an.

      „Was kann ich denn dafür, dass du ihn nicht ernst nimmst?“, bemerkte sie, und verlieh ihrer Stimme einen gespielt abwertenden Ton. Mit einem lockeren Lächeln winkte Valetta ab. Die U – Bahn rollte schließlich in der Station „Längenfeldgasse“ ein, sie stiegen um und waren wenige Minuten später an ihrem Ziel angelangt.

      Sie setzten sich an einen Ecktisch im Freien. Im Fast-Food-Paradies bestellten sie je einen Happy Schmecky-Burger sowie zwei Lufti – Schoki - Erdbeermuffins. Sie orderten keine Getränke, da sie aus Sparmaßnahmen in ihren Handtaschen für je eine große Flasche mit verdünntem Fruchtsaft gesorgt hatten.

      Casmilda ließ sich gerade die Mischung aus sauren Gurken, Rindfleisch und Tomaten schmecken, als sie einen hektischen Daniel bemerkte, der beinahe an ihr vorbeigelaufen wäre. Nahezu atemlos hielt er inne. Casmy blinzelte, als sie seine Anwesenheit registrierte, um auch sicherzugehen, dass er tatsächlich vor ihr stand. Sie hatte ihn nur ein einziges Mal gesehen. Nach Atem ringend kam er direkt auf sie zugesteuert.

      „Weißt du, wo Conny ist?“, fragte er Casmy, ohne eine Begrüßung zu erwähnen.

      Sie bemerkte seine Schweißperlen und legte angewidert ihren Burger zur Seite.

      „Sie ist zuhause, wo denn sonst? Was willst du denn von ihr?“, fragte Casmy in leicht gereiztem Ton. Hat er nicht bemerkt, dass ich gerade genüsslich einen Burger verspeise? dachte sie bei sich.

      „Ich will mit ihr reden, spätestens dann, wenn ich meinen Termin zum Haareschneiden bei ihr einhalte.“ Sein Keuchen war nicht zu überhören, als er den Oberkörper nach vorne gebeugt hielt, um sich mit den Händen auf seinen Knien abzustützen. Seine Stimme verriet einen leicht verzweifelten Unterton. Casmilda blickte ihn emotionslos an, nicht etwa aus Loyalität gegenüber Conny, aber weil er scheinbar keinen Funken Anstand besaß. Er hatte sie weder begrüßt, geschweige denn sich für die Störung entschuldigt, die er während ihres appetitlichen Genusses verursacht hatte.

      „Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?“, wollte sie wissen, und fühlte sich in diesem Moment ein klein wenig verfolgt. Beunruhigt verschränkte sie die Arme vor der Brust.

      Daniel antwortete: „Das wusste ich nicht, ich habe nur gerade verspätete Mittagspause, und dachte, ich hole mir ein Menü. Warum ist Conny eigentlich nicht bei dir, ich dachte, ihr verbringt jede freie Minute miteinander?“

      Seine Mimik und Gestik sprachen für die vollkommene Überzeugung, ein Recht auf die Befriedigung seiner Neugierde zu besitzen.

      „Nein, dem ist nicht so, außerdem geht dich das überhaupt nichts an!“, mahnte ihn Casmy nun ihn lauter werdendem, gereiztem Ton.

      Daniel war von Beruf Bäcker und hatte Tagdienst. Entweder war es die Müdigkeit, die sein Beruf mit sich brachte, oder er war aus Schüchternheit wortkarg geworden, denn von einer Minute auf die andere hielt er plötzlich den Mund.

      „So ein Zufall aber auch, dass wir uns hier treffen!“, meinte Casmy sarkastisch, um die Gesprächspause zu decken.

      „Zufälle gibt’s nicht!“, mischte sich Valy wütend ein, die das Gespräch mit wachsamen Elefantenohren belauschte. Sie sahen einander an und mussten grinsen. Echte Freundinnen hielten zusammen, und seien dies auch nur gekennzeichnet durch einen viel sagenden Blick des Lächelns. Sie konnten Daniel aufgrund seines taktlosen Auftrittes nicht ausstehen und machten keinen Hehl daraus, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen. Das eine Mal, als Casmy ihm begegnet war, hatte er auch keine Anstalten der Höflichkeit gemacht. Grüßen wurde bei ihm klein geschrieben. Dieser desinteressierte und selbstgefällige Tonfall machten ihn auch nicht unbedingt zu einem Sympathisanten.

      Daniel marschierte schnurstracks ins Restaurant, bestellte einen Zwiebel – Crunchy – Snack, einen Sugarlover als Dessert und ging - natürlich ohne ein Wort des Abschieds.

      „So ein unverschämter Kerl!“, meinte Valetta und schüttelte den Kopf. „Ich weiß schon, warum mir Frauen die lieberen Beziehungs – und Gesprächspartner sind!“ Zur Beruhigung steckte sie sich eine Marlboro zwischen die blassrosa geschminkten Lippen.

      „Du hast Recht. Abgesehen davon verhält sich dieser Typ glaube ich immer so. Aber apropos lesbische Beziehungen“, sagte Casmilda mit neugierigem Blick, „bist du dir sicher, dass das deine endgültige Bestimmung ist, das Lesbisch - Sein?“, fragte Casmy.

      „Äh, ja!“, antwortete Valy. „Und jetzt halt’ bitte die Klappe, darüber haben wir bereits oft genug diskutiert, meine Teuerste!“ Ihr dominanter Tonfall duldete keinen Widerspruch. Casmy zuckte nur mit den Achseln.

      Gemütlich saßen sie an ihrem Tisch und genossen stillschweigend das ungesunde Mahl, erfreut über Daniels Verschwinden. Nach einem kräftigen Schluck Erdbeer-Trauben -Juice verspürte Valetta einen starken Harndrang.

      „Entschuldige mich bitte!“, grinste sie Casmy zu.

      „Du könntest Daniel Nachhilfe in Sachen Höflichkeit geben, meine Liebe!“, lachte Casmilda zurück.

      Auf der Toilette konnte Valy immer gut ihren Gedanken nachhängen und sich entspannen. Seelenruhig ließ sie sich auf dem Deckel nieder und verrichtete mit geschlossenen Augen entspannt ihr Geschäft. Wäre da nicht dieses Wimmern gewesen, das sie augenblicklich aus ihrem Tagtraum aufwachen ließ, hätte sie bestimmt noch einige weitere Augenblicke in dieser Position verharrt.

      Sie öffnete die Augen und verließ den WC-Raum. Sie fragte sich nervös, ob sie diese Stimme kannte und schlug die Hände vor ihr Gesicht, als ihr eine Ahnung zu verstehen gab, wem diese gehören könnte. Das Geräusch drang aus der Toilette nebenan. Als sie genauer hinhörte, ließen sich die jammernden Töne in Worte und Sätze zusammenfassen. „Ich bin so arm, alle Welt hasst mich!“, säuselte die Stimme.

      Ja, tatsächlich, kein Zweifel. Valetta kniff sich kurz in den Unterarm, obwohl sie genau wusste, welcher Albtraum ihr bevorstand.

      Es war ihre Ex-Freundin Tatjana. Sie kam aus Tirol, war 27 Jahre alt, und ein richtiges Drogenwrack. Voller Wucht wurde die WC-Türe geöffnet und Tatty stürmte aus der Toilette. Sie war ebenfalls zugezogen,