Gery Wolfsjäger

Casmilda's Gewinn durch Verlust


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for Chance zuwarf, als ich versuchte, mit den anwesenden Männern zu flirten. Und diese Fantasie bezüglich des Internets beschreibt meine Angst davor, die Öffentlichkeit, sprich mein Chef Larcy Biksmer könnte von der Affäre zwischen mir und Marco erfahren. Dies würde seine strenge Erinnerung an die Trennung zwischen Privat – und Berufsleben bedeuten. Doch ich muss auf den Boden der Tatsachen zurückkehren – zwischen Marco und mir läuft keine Affäre.“ Zumindest noch nicht fügte sie im Stillen hinzu.

      Sie atmete tief durch, beruhigt durch ihre analysierenden Worte und legte das Tagebuch zurück in die Schreibtischschublade.

      Sie machte sich Kaffee und putzte sich die Zähne. Dann aß sie, noch im Pyjama, eine Schüssel mit Sckoko-Müsli und extraleichter Milch, um schlank zu bleiben.

      Casmilda duschte, rauchte nackt ein paar Zigaretten, und bekleidete sich mit einer dünnen Leinenhose sowie einem türkisen, bauchfreien Top. Nachdem sie sich nochmals die Zähne geputzt hatte, klopfte es an der Tür. Wer das wohl sein mochte um diese Zeit? fragte sie sich. Die Uhr zeigte 9:40.

      Sie öffnete und ein unheimlich gut aussehender, junger Mann stand vor ihr. Er schien nicht älter als 20 zu sein. Er hatte dunkle, kurze Locken und schokoladenfarbene Augen, passend zu seinem braunen Teint, der seinen muskulösen Körper zierte.

      „Ja, bitte?“

      „Ich bin Florenzo, Marcos Cousin, das ist für Sie!“, brachte er mit einem Lächeln hervor, das nur dem leidenschaftlich geformten Mund eines Italieners entspringen konnte.

      „Du kannst mich auch sehr gerne duzen!“, erwiderte Casmilda und streckte ihm aufgeregt ihre rechte Hand hin, die er vorsichtig drückte. Casmilda nahm eine weiße Rose entgegen, die laut Florenzos weiterer Ausführung von Marco stammte. Ihr Duft schien den gesamten Raum zu erfüllen, zumindest fühlte ihn Casmilda derart intensiv, da ihre Glückshormone ihr einen Streich spielten. Da war auch ein Kärtchen dabei: „Für eine liebe Arbeitskollegin, dein Marco“.

      „Danke sehr, Florenzo, möchtest du gerne einen Kaffee mit mir trinken?“, fragte sie lächelnd, als ihre Bäckchen eine zarte rötliche Farbe annahmen.

      „Nein danke, das ist lieb von dir, ich muss mich beeilen um Zeitungen auszufahren!“

      Mit diesen letzten Worten verschwand er.

      Was für ein Charmeur Marco doch war! Obwohl sie ihn für taktvoll und einfühlsam hielt, überraschte es die junge Dame doch, dass ihr Kollege solch einen würdevollen Schwang der Romantik an den Tag legte. Sie steckte die holde Blume zwischen den Busen in ihr Top und drehte sich vergnügt im Kreis. Wo er jetzt wohl ist, ob er an mich denkt?, fragte sie sich. Sie wollte die Rose einwässern und nahm sie vorsichtig aus ihrer provisorischen Halterung, wobei die prallen Brüste der Blume einen guten Halt verliehen hatten. Sie befüllte eine langstielige Vase mit kaltem Wasser, als sie sich die weiße Rose genauer ansah. Da bemerkte sie die ersten bräunlichen Flecken an den Blütenblättern. Wollte er mir schmeicheln oder mich in meiner Würde kränken?, dachte sie. Angeekelt verzog sie den Mund zu einer schmalen Linie und legte ihre Stirn in Falten.

      Doch sie beruhigte sich wieder. Einem geschenkten Gaul schaute sie nicht ins Maul.

      Doch eine andere Sorge schlich sich in ihr Bewusstsein. Sie nahm auf ihrem Bett Platz und befühlte ihren aufgeregten Herzschlag. Sie sammelte ihre Gedanken, als sie den Kopf in den Händen gestützt hielt. Marco, der aufgrund seiner femininen Mimik und Gestik die Frage aufkommen ließ, inwiefern er dem gleichen Geschlecht zugetan war, ließ ihr eine Rose überbringen. Doch warum besaß er derart viele Fotos von seinen Ex-Freundinnen, die er prahlerisch präsentierte? Oder zeigten die Fotos seine platonischen Freundinnen? Schwulen Männern war es immerhin eigen, Frauen als ihre Seelenverwandten zu betrachten.

      Um sich von ihrer selbst auferlegten Verwirrung abzulenken, erfreute sie sich weiterhin an der Rose. Weiß symbolisiert die Reinheit, sagte man. Sie zündete sich eine Zigarette an und schmunzelte. Marco steckt vielleicht all seine Hoffnung in meine Jungfräulichkeit, die ich schon längst verloren habe, dachte sie und stieß den Rauch aus. Das würde auch erklären, warum er so nervös gewesen war, als er ihr die aubergine-Farben Tönung aufgetragen hatte und sie sich mit den Fingern über den Busen gestrichen hatte, um ihn sexuell anzuheizen. Sie drehte sich schmunzelnd auf den Rücken und zog genüsslich an ihrer Zigarette. Es machte ihr Vergnügen, Spekulationen über Marcos Gedanken anzustellen. Vielleicht meinte er ja, sie solle sich ein Beispiel an der Rose nehmen, weil Casmildas Sündhaftigkeit Bände sprach. „Diese Bände darfst du gerne lesen“! , rief sie euphorisch aus und verfiel einem Lachanfall, als sie kurz darauf bemerkte, wie die Asche ihrer Zigarette auf den Boden fiel, weil sie sich zu weit aus dem Bett gelehnt hatte. Sie holte einen Aschenbecher und dämpfte die Zigarette aus. Dann holte sie ihre Gedanken wieder ins Hier und Jetzt zurück.

      Wenige Minuten später klopfte sie an die Tür ihrer Freundin und Nachbarin Valetta. Verschlafen öffnete sie. Sie hatte ebenfalls ihren freien Tag, und arbeitete im Kaufhaus Lipsmelker auf der Mariahilferstraße in einer Pizzeria.

      „Wie spät ist es?“, fragte Valy verschlafen, ohne ein Wort des Grußes.

      „Es ist zehn!“

      Da wollte Valetta schon die Türe zuknallen, als Casmy den Fuß dazwischen legte, und sie flehend ansah.

      Valetta ließ sie herein. „Kaffee, Tee?“

      „Nein, danke!“, antwortete sie fröhlich.

      In knappen Worten berichtete sie von ihrem blumenreichen Ereignis, und Valy hörte mit kaum aufgerissenen Augen zu.

      „Wie kommt er auf die Idee, dir eine Blume überbringen zu lassen?“, fragte sie, als sie sich auf ihr Bett setzten.

      „Ich weiß es nicht“, antwortete Casmy mit verträumtem Blick und elfengleicher Stimme, „ er verwirrt mich ein wenig. Ich frage mich einerseits ob er schwul ist, seiner Mimik und Gestik wirken ziemlich feminin, wie ich dir bereits erzählt habe, andererseits schickte er mir diese herzallerliebste Rose!“

      Anschließend zeigte sie Valetta die Sms, die sie ihm gesandt hatte, und musste schmunzeln. Diese strich sich mit einer flotten Handbewegung ihr kurzes Haar aus dem Gesicht und verzog ihren Mund zu einer schmalen, nachdenklichen Linie. Was sollte sie ihrer Freundin raten? Dass sie die Finger von ihm lassen sollte? Valetta hatte ihre Bedenken über Beziehungen mit Arbeitskollegen bereits geäußert, sie davor gewarnt, Privates und Berufliches derart gedankenlos in einen Topf zu werfen. Mehr konnte sie für sie nicht tun. Casmy betrachtete ihre Freundin. Sie konnte ihre Gedanken teilweise erahnen.

      Valetta war eine hübsche, 23 – jährige Blondine, naturblond, wofür sie viele ihrer Freundinnen beneideten.

      Eine ihrer wenigen Schwächen bestand darin, schnell die Geduld zu verlieren, und dementsprechende Aggressionen aufkommen zu lassen. Einen Teil ihres feurigen Temperaments nutzte sie auch in diesem Moment, als sie Casmilda aufgrund ihrer Schlaftrunkenheit nach einer halben Stunde zur Tür hinausschob, ohne großartige Rechenschaften darüber abzulegen. Sie meinte nur, sie würden sich später treffen. Und sie solle auf dem Boden bleiben, denn immerhin sei eine einzige Rose kein Grund, sie zu behandeln wie einen gesamten Strauß. Casmilda lächelte ihr zu, bevor sie sich umdrehte und ging. Mit diesem Lächeln versuchte sie sich selbst und Valetta Verständnis für ihr raues Wesen entgegenzubringen, das sie des Öfteren stutzig machte.

      Valetta führte ein eher solides Leben. Die attraktive Lesbierin verbrachte ihre Freizeit gerne zuhause, lackierte sich ihre Fuß – und Fingernägel mit der Nuance hottest chocolate, ever been , ihrer Lieblings- Nackellackfarbe, rauchte Kette, und lud Freunde oder Freundinnen zum Kaffee ein, auch lesbische Damen zu One – Night – Stands hatten ihre Wohnung schon des Öfteren von Innen gesehen. Valetta und Casmilda diskutierten oft, ob Homo – oder Heterosexualität in der Frauenwelt die zufriedenstellendere Variante sei, doch diese Diskussion schien ins Endlose zu führen.

      Valy hatte oft dem einen oder anderen männlichen Wesen verbal und körperlich ihre Dominanz spüren lassen, weil er in der Diskothek ihre feste Freundin gefragt hatte, ob sie bereit für Sex wäre, oder ob die beiden an einem flotten Dreier interessiert waren. Auch Casmy war einmal dabei