Gery Wolfsjäger

Casmilda's Gewinn durch Verlust


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Marco wissen, der in das Gesicht einer Frau blickte, die dringend ein neues Make-Up nötig hatte und vor allen Dingen ein Taschentuch. Marco reichte ihr eines aus seiner Hosentasche.

      „Danke Marco, das ist lieb von dir. Casmy und ich haben keine dabei!“, stammelte Conny verlegen, ohne seine Frage zu beantworten.

      Sie ärgerte sich über diesen Frevel. Daniel war auch freundlich zu ihr gewesen, und hatte ihr binnen kurzer Zeit sehr weh getan. Andererseits konnte sie solch attraktiven, männlichen Wesen nicht böse sein. Außerdem hatte er mit charmanter, einfühlsamer Stimme nach ihrem Befinden gefragt, somit vergaß sie ihre nachtragende Natur.

      „Was machst du denn hier?“, wollte Casmilda wissen, als sie ihren Kopf in einer verträumten Schräglage auf ihre Hand stützte.

      „Ich war gerade bei meiner Großmutter zu Besuch, sie wohnt gleich in der Nähe des Westbahnhofs.“ Er warf Conny einen kaum merklichen Seitenblick zu. „Soll ich euch lieber alleine lassen? Unsere Kollegin scheint Trost zu brauchen“, fragte er, seinen Blick wieder Casmy zugewandt. Obwohl diese genau wusste, wie Recht der hübsche Italiener hatte, flehte sie ihn innerlich an, zu bleiben.

      „Wie du willst, Marco, du störst jedoch in keinster Weise!“, entgegnete sie mit einem zuckersüßen und doch aufrichtigen Lächeln.

      „Hau’ ab!“, hätte Conny aufgrund ihres gebrochenen Herzen am liebsten geschrien, doch sie ließ es bleiben. Für Marco würde sie sich ausnahmsweise zusammennehmen.

      Casmildas Worte sprudelten aus ihr heraus, ehe sie sie aufhalten konnte. Nervös stammelte sie: „Äh, Marco, übrigens, wegen der Sms gestern, das war irgendwie…“

      „Sehr direkt!“, beendete Marco den Satz, wobei sein aufrichtiger Blick keine Vermutung aufkommen ließ, wie er ihre Nachricht bewertete.

      „Ja, da hast du wohl die richtigen Worte getroffen. Aber vergiss sie einfach und lösche sie, ich hatte ein bisschen zu viel getrunken.“ Casmilda verletzte sich an ihren eigenen Worten, was sich in ihrer Herzgegend mit einem ziehenden Stechen bemerkbar machte. Intuitiv legte sie die Hand an jene sensible Körperstelle, wie um damit den Schmerz lindern zu können. Doch es war das Beste, sich von Marco privat zu distanzieren.

      „Wenn du das sagst“, meinte Marco mit einem strahlenden Charisma, das seine Worte weder arrogant noch kalt erklingen ließ, sondern einfach von Herzen freundlich wirkte.

      Anfangs hatte sie ein ganz anderes Bild von ihm. Er hatte erst vor vier Wochen im Salon angefangen zu arbeiten. Casmilda hasste ihn, denn er wirkte arrogant und schleimte sich scheinbar mit seinem technischen Gerede über Haarschnitte – und Colorationen bei ihrem Vorgesetzten ein. Eines Tages lächelte er die junge Friseuse jedoch verlegen an, und sie begann innerlich für ihn zu schwärmen. Als die beiden miteinander ins Gespräch kamen und merkten, dass sie im selben Studentenwohnheim lebten, tauschten sie ihre Telefonnummern aus, um sich für einen Plausch in ihrer Freizeit zu verabreden. Conny beobachtete das Geschehen und ein kleiner Anflug von Eifersucht zierte ihr Gesicht. Wenige Tage später hatte Marco Casmy gefragt, wann sie denn Lust hätte, besagten Drink zu konsumieren, daraufhin entgegnete sie nur lässig, sie hätte Orangensaft zuhause, „aber trotzdem danke“.

      Der junge Hairstylist verstand ihren Humor nicht ganz, bis sie anfing zu grinsen.

      „Und eine Dusche habe ich auch, falls du mit mir mal schwimmen gehen möchtest, ich bin mit allem gut versorgt!“ Marco hatte zu lächeln versucht, war aber scheinbar zu verklemmt, um diese Witze zu begreifen. Somit war ihr gemeinsames Treffen auf einen ungewissen Zeitpunkt verschoben worden.

      Marco hatte seine Marlboro zu Ende geraucht und zertrat die Kippe mit seinem Fuß, der an einem stark durchtrainierten Unterschenkel herausragte.

      „Meine Lieben, ich muss jetzt wieder los. Meine Schwester wartet auf mich. Wir sehen uns dann am Dienstag!“

      Er reichte ihnen höflich die Hand und ging seines Weges.

      Wie familiär er ist, ging es beiden Damen durch den Kopf, ein Rätsel.

      Casmy strich sich ihr aubergine getöntes Haar aus der Stirn, wo sich schon langsam der Schweiß sammelte. Dieser Mann hatte ihr den Kopf verdreht, und sie wusste über den Auslöser ihrer Schweißperlen sehr gut Bescheid – die Sonne alleine konnte sie bestimmt nicht hervorgerufen haben.

      Marco hatte die Tönung auf ihr Haar appliziert. Sie trug an jenem Tag ein trägerloses Top, und ihre wohlgeformten Brüste kamen gut zur Geltung. Sie bemerkte, wie sehr er sich mit dem Auftragen des Präparates beeilte, und mit hochrotem Kopf bemerkte, dass sie sich zwischendurch mit den Fingern über den Busen strich. Seine offensichtliche Verklemmtheit gab ihr zu denken.

      Conny hatte neues Make-Up aufgelegt und fühlte sich ein wenig besser. „Männer sind und bleiben Herzensbrecher“, meinte sie, um die Verantwortung für ihre Gefühle an Daniel abzuschieben. „Am liebsten würde ich jetzt da weitermachen, wo wir gestern aufgehört haben, auch, wenn ich immer noch einen Kater verspüre.“

      „Wir brauchen unsere Gehirnzellen noch für andere Dinge. Konzentriere dich lieber auf deinen Selbstwert als Frau“.

      Conny blickte ihre Freundin verdattert an. „Also willst du mir sagen, eine anstrengende Art an den Tag zu legen, mit der die Männer nicht umgehen können, ja? Ist es das, worauf du hinaus willst?“ In ihrer Stimme schwang ein nervöser und gleichzeitig aggressiver Tonfall mit.

      „Um ehrlich zu sein: ja. Du bist von dir selbst nicht überzeugt, daher rührt dein unsicheres und oftmals launisches Auftreten. Es verschreckt die männlichen Wesen. Nimm dich selbst wie du bist, hab dich gerne, dann tun es auch andere. Das ist die Grundregel jeder Beziehung!“, entgegnete Casmilda und blickte Cornelia tief in die Augen. Dieser missfielen die Worte, weil sie über ihre eigene Schwäche Bescheid wusste, und dabei ertappt zu werden war ihr äußerst unangenehm. Ihr letztes Kontra bestand daher aus einem kurzen Schnauben, dann verließen sie die Bank und machten sich auf den Weg zur U-Bahn.

      In Connys Gedanken ging ein typisches Schema vor, das wusste Casmy. Sie glaubte, eine Freundin müsse mehr Loyalität zeigen, und diese in Form von sanften Worten der Zustimmung und des Verständnisses ausdrücken. Casmilda kritisierte Conny stattdessen, um ihre Denkweise zu ändern, was dieser sicher gut täte.

      Ihre kleinen Reibereien beschäftigen sich öfters mit der Thematik der Männerwelt. Anstatt sich jedoch gegenseitig zu verstehen, ging das Desaster immer wieder von neuem los: Casmy dachte anders als Conny, und die beiden verspürten keine Lust, sich in die Lage ihres Gegenübers zu versetzen. Casmilda betrachtete Conny des Öfteren als kindisch, wenn sie solche Szenen wie die oben genannte beobachtete, wobei Cornelia ihre Freundin dabei als unsensibel empfand.

      Um die heutigen Standpunkte der Beiden zu verstehen, waren ihre Vorgeschichte und Kindheit von Bedeutung: Cornelia wuchs als wohlbehütetes Kind in einer gut situierten Familie in Deutsch-Kreuz im Burgenland auf. Sobald ihre Mutter sie im Alter von 10 oder 12 ermahnte, ihr im Haushalt zu helfen, oder mehr Engagement für die Schule aufzubringen, kam ihr Vater hinzu, um sie vor der Mutter in Schutz zu nehmen, obwohl eigentlich kein verbaler Angriff von dieser erfolgt war. Connys Mutter hatte in ihrem Leben nicht sonderlich viel erreicht, was ihren beruflichen Erfolg anbelangte, deshalb glaubte sie, eine höhere Schule würde ihrer Tochter bestimmt gut tun, da ein dementsprechender Abschluss ihr die Möglichkeiten erschießen würde, die ihr selbst verborgen geblieben waren. Sie meinte es nur gut mit Conny. Ihr Vater jedoch liebte seine Tochter über alles, und klammerte sich an sie, weil er in seiner Kindheit nicht gelernt hatte, die Liebe, die ihm sein Vater verweigert hatte, nicht erzwingen zu können. Somit sah er in allem Liebevollen einen Zwang, den man an sich band und festhalten musste, um die betreffenden Liebe nicht zu verlieren. Conny wuchs somit zu einer verwöhnten Göre heran, die bei jeder Kleinigkeit ins Wanken geriet und zu jammern begann, und jeder Mensch, der das nicht verstand, war ihres Erachtens nach unsensibel, und musste sie trösten und vergöttern wie ihr Vater. Diese Vorstellung haftete noch heute an ihr.

      Nur ihre Außenwelt, sprich Connys Arbeitskollegen, ihr Chef und ihre Freundin Casmy wollten sie aus diesem verwöhnten Trott herausziehen, wenn auch nicht alle Betroffenen bewusst dieses Ziel verfolgten, da nur Casmy