Mira Schwarz

Liebe auf den zweiten Blick - Insulaner küssen anders


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erst mal den Kopf freibekommen. Aber hab Dank für dein zaubersüßes Angebot. Ich werde es im Hinterkopf abspeichern – schließlich habe ich meine Schwester noch nie auf dem Laufsteg gesehen. Asche über mein Haupt!«

      »Na ja, aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.«

      Katharina war es sowieso egal. Sie hatte ihrer Schwester einen Vorschlag unterbreitet – ob sie diesen nun annahm oder nicht, war nicht ihr Problem. Sie hatte wenig Lust Luisas Probleme an sich heranzulassen.

      »Augenblick Kati, da kommt ein neues Gespräch rein. Warte mal eben!« Luisa hielt Katharina in der Warteschleife und meldete sich »Ach, hallo, Mama! Ja, nee … warte mal, ich habe Katharina auf der anderen Leitung.«

      »Du Kati, ich muss Schluss machen. Mama ist auf der anderen Leitung. Ich habe dich lieb, Schwesterherz!«

      »Ich dich auch«

      Sie war froh, auch ihre Mutter zu sprechen. So würde sie die Geschichte nicht noch dutzende Male wiederholen müssen.

      »Sag mal, war das Katharina? Ihr sprecht wieder miteinander? Das überrascht mich jetzt aber?«, meinte ihre Mutter.

      Luisa nervte das. Wieder die alte Leier, nur weil ein einziges Mal Knatsch zwischen den beiden Schwestern geherrscht hatte. Wieso mussten immer wieder die alten Kamellen hergeholt werden.

      »Guten Morgen, Mutter. Ja, meine Scheidung ist durch. Ja, sie ist gut verlaufen. Ja ich bin traurig. Nein, ich heirate nicht wieder (jedenfalls nicht sofort, fügte Luisa im Stillen hinzu).« Sie seufzte leise. »Aber zu deiner Frage - ja, natürlich reden Katharina und ich miteinander, wieso auch nicht?«

      Ihre Mutter schnüffelte. »Also, da will man seine Tochter unterstützen in ihrer Trauer, in ihrer Machtlosigkeit … und wird beschimpft … also Luisa wirklich … ich schreibe das jetzt mal dem Stress des heutigen Tages zu«

      Luisa, die mittlerweile leicht ihre Stimme erhoben hatte, wurde das viele Geplänkel langsam lästig. Sie liebte ihre Mutter, ohne Frage, aber gerade in diesem Moment schaffte sie es nicht auch nur einen einzigen Vorwurf auszuhalten. Es war einfach nur … im Augenblick verbreitete ihre Mutter ganz schlechtes Karma und Luisa beeilte sich, sie aus der Leitung zu schmeißen.

      »Mutter, gibt es noch etwas Wichtiges? Wenn dem nicht so ist würde ich dich gern heute Abend zurückzurufen, ehrlich gesagt bin ich ein bisschen platt von dem Tag. War ja nicht gerade ein Kaffeekränzchen.«

      »Ach, mein armes Kind!«

      »Sorry, Mom, aber ich …«

      »Nein, schon gut, leg dich hin und versuch einen klaren Kopf zu bekommen. Solche Tage hat man manchmal, aber auch die gehen vorbei. Vielleicht solltest du einfach mal etwas Dampf ablassen.«

      »Danke, Mum.«

      Puh! Erst mal durchatmen, dann warf Luisa mit voller Wucht die Kaffeetasse gegen die Wand.

      Scheiße! Die ganze Welt hatte sich gegen sie verschworen. Luisa tat sich selbst unglaublich leid. Reichte es denn nicht, dass sie gerade einen Rosenkrieg überstanden hatte. Was hatte ihre Mutter ihr empfohlen? Dampf ablassen. Klang gar nicht schlecht.

      Mist! Sie begann zu weinen. Ja, vielleicht hätte sie nicht auf den Unterhalt verzichten sollen. Doch was hätte sie machen sollen, immerhin ging es so schneller.

      Immerhin hatte sie sich diese Entscheidung mehr als einmal überlegt – sie wollte einfach keine Bittstellerin mehr sein! Sie hatte Rückgrat beweisen wollen, zeigen wollen, dass sie eine selbstbewusste Frau war die mitten im Leben stand! Sie brauchte das Geld dieses verzogenen Muttersöhnchens von Ehemann nicht.

      Luisa hatte vor ihr Leben ab jetzt selbst auf die Reihe zu kriegen. Jawohl! Wie das funktionieren sollte, war Luisa noch ein Rätsel – doch Rätsel waren dazu da, gelöst zu werden. Manchmal neigte Luisa zu Reaktionen, die ihr binnen Sekunden leid taten – diese könnte dazugehören. Luisa hatte viele sogenannte Freunde besessen. Wo waren die plötzlich alle, als es darum ging ihr zu helfen?

      Ja, als sie noch die Yuppie-Tante aus dem vornehmen Blankeneser Stadtteil war, da hatten natürlich alle ihr »Sugar-Girl« gern gehabt. Doch jetzt zog die »Clique« einfach weiter – immer dahin, wo jemand einen auf dicke Hose machte. Und da waren sie garantiert richtig bei Mark und weitaus besser aufgehoben als bei Luisa die irgendwo im Stadtteil St. Pauli hauste.

      Luisa musste sich eingestehen, dass die Menschheit einfach nicht mehr berechenbar war und selbstredend den einfachsten Weg nahm. Warum sich auch belasten mit den Problemen anderer Leute? Dieser ganze Schickimicki-Mist hing ihr sowas von zum Halse raus. Wie hielt Mark das aus – jeden Abend auf der Piste?

      Luisa legte sich auf das Bett und ließ den Tag noch einmal Revue passieren. Neue Freiheiten waren geboren worden, aber irgendjemand hatte ihr auch einen Berg von Problemen vor die Tür gestellt.

      Die innere Stimme wurde lauter:

      Verdammt Luisa, fang an zu leben und sieh zu, dass du es auf die Reihe kriegst.

      »Hm!«, nuschelte sie im Schlaf und rollte sich in ihre Bettdecke ein.

      ***

      Der Hamburger Januarhimmel zeigte sich am nächsten Morgen von seiner unfreundlichen Seite – grau, trüb, regnerisch – und irgendwie spiegelte dieses Farbenspiel Luisas Stimmung wieder.

      Bäh, kein einziger Sonnenstrahl konnte das zähe Grau vertreiben. Hamburger Mistwetter.

      Luisa, die langsam erwachte, fröstelte. Es war unangenehm kühl in der kleinen 2-Zimmer-Dachgeschosswohnung. Die Wohnung gab auch sonst nicht viel her, doch Luisa hatte sie aus zweierlei Gründen gewählt: Erstens war sie preiswert, zweitens lag sie zentral im Stadtteil St. Pauli der gerade wieder auf dem Weg zu einem der begehrtesten Wohnviertel Hamburgs emporstieg und sie benötigte kein Auto, was bei ihrer derzeitigen Finanzlage auch nicht gerade schlecht war.

      Langsam öffnete Luisa erst das eine dann das andere Auge, blinzelte kurz, und hätte am liebsten die Augen sofort wieder geschlossen.

      Tja, Luisa das sind die Anfangsschwierigkeiten, wenn man allein vor seinem Leben steht, was so viel bedeutete wie: »Holt mich hier raus, ich habe Angst vor meiner eigenen Courage, Angst, dass wieder irgendetwas schief läuft …«

      »Ach, Luisa, das wird schon«, sagte sie zu sich selbst und schaute aus ihrem Dachgeschossfenster in den trüben Himmel Hamburgs. Diese Wohnung war bestens geeignet für Frischluftfanatiker. Es zog überall, und das nicht zu knapp.

      »Du willst doch nicht für immer bleiben«, versuchte sie sich zu beruhigen. Doch sie würde die Buddenschöns bitten müssen, wenigstens das Dachgeschossfenster in Ordnung zu bringen. Das ging so wirklich nicht. Luisa wusste, dass sich Ernst Buddenschön gern einen schönen Genever genehmigte – nun, dann würde er halt die Flasche gegen einen Hammer eintauschen müssen. Luisa schaute sich um.

      Was, sie jetzt mit etwas Abstand sah, ließ Luisa erschauern. »Das Luisa nennt man dann wohl Totalabsturz!« Nach Jahren des Luxus nun das hier … Luisa traten Tränen in die Augen.

      Luisa wusste im Augenblick nicht, was falsch und was richtig war.

      »Warum hast du diesen Weg für dich gewählt?«, hinterfragte sie sich selbst.

      Weil du es wolltest! Du wolltest nicht mehr sein braves »Mädchen« sein, währenddessen er mit anderen Frauen durch die Betten gevögelt ist. Auch nicht sein Notnagel, wenn Lissy, Cissy und wie sie alle hießen, mal nicht greifbar waren. Du wolltest dir doch wieder in die Augen schauen können, ohne dich vor dich selbst zu ekeln, war's nicht so. Wach auf, du blöde Gans. Wach auf, Luisa, das Leben ist kein Pony-Hof.

      »Arschloch!« Luisa schrie die Worte durch die kleine Wohnung.

      Jeder konnte hören, dass Sie noch nicht fertig war mit ihrem Marc, sie war immer noch wütend auf ihn und sie war sowieso die einzige Mieterin die derzeitig zu Hause war. Alle anderen Mieter waren unterwegs zur Arbeit, verdienten ihr Geld, damit sie leben konnten. Buddenschöns waren jetzt sicher beim Frühstück – und du?