Mira Schwarz

Liebe auf den zweiten Blick - Insulaner küssen anders


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Tine plötzlich. »Mitternacht ist schon vorbei.« Tine war schon immer die praktisch Veranlagtere gewesen.

      Luisa merkte bald, dass sie ihre Freundin unterschätzt hatte. Diese war keine Heulsuse – im Gegenteil. Tine stand mitten im Leben und bemitleidete weder sich selbst noch andere. Tine packte zu und nahm kein Blatt vor den Mund.

      Alsbald begann Tine loszulegen. »Hör zu Luisa – erstens, du musst dein neues Leben aus eigener Kraft hinkriegen nur dann bist du wirklich frei. Es gibt keinen Mark mehr und sollte der Typ noch in deinen Hirnwindungen rumkriechen, verscheuche ihn. Solltest du Schiffbruch erleiden, ist es dein Ding, klaro? Ordne dein Leben. Hattest du irgendwo in einem vergessenen Hinterstübchen die ganz leise Absicht gehabt im Fall der Fälle bei den Sartors ›betteln‹ zu gehen, vergiss es. Du würdest nie frei sein! So geht Leben, Luisa!«

      »Tine, du wäscht mir ordentlich den Kopf, doch das brauchte ich wohl um mich endlich mit den Gegebenheiten abzufinden – ich ziehe hier die Elendsnummer durch und warte auf den nächsten Morgen. Bäh! Du bist ein richtiger Schatz, ein Goldschatz sozusagen.«

      Tine nahm sie einfach in den Arm und hielt sie ganz fest.

      »Alles gut, Luisa, alles gut.«

      Einige Zeit später hörte man von den beiden Nachteulen ein ruhiges, gleichmäßiges Atmen. Die Freundinnen waren auf dem Sofa eingeschlafen.

      ***

      Am nächsten Morgenschlief Luisa fast bis zum Mittag. Nicht, dass dieser Umstand bald zur Routine wurde.

      Kein tropf, tropf, keine Kälte die durch die Ritzen zog.

      Hier war es ruhig, angenehm warm und sie hatte nach der Aussprache den Schlaf wohl auch gebraucht. Vieles hatte sich Luisa gestern Abend von der Seele geredet und sie hatte es als sehr befreiend empfunden.

      Tine indes war bereits früh aufgestanden. Sie hatte Brötchen und vor allem jede Menge Zeitungen aus allen Regionen der Republik besorgt – natürlich, sie wollten die Stellenanzeigen durchforsten. Tine hielt fiel von der traditionellen Form der Zeitungen und bei Stellenanzeigen ging nichts über das gedruckte Exemplar einer Zeitung.

      »He, Schlafmütze aufwachen! Wir schreiten jetzt zur Tat!« Tine zog Luisa einfach die Decke weg und Luisa blickte sie verschlafen an.

      »Wie spät ist es denn?«

      »Och.« Tine sah in gespielter Verzweiflung auf ihre Armbanduhr. »Zu spät, Süße. Es ist mittlerweile bereits dreizehn Uhr fünfzehn.«

      »Waaas? Das kann doch gar nicht sein dass ich so lange geschlafen habe, o Gott!« Luisa war entsetzt.

      Sie schämte sich, weil Tine bereits Brötchen geholt, Kaffee gekocht, alles so zauberhaft dekoriert hatte, selbst ein frischer Blumenstrauß stand auf dem Tisch.

      »Gib mir fünf Minuten!«, sagte Luisa. »Dann bin ich bei dir.«

      »Na, nun ist es auch schon egal!« Tine ganz pragmatisch. »Wir werden jetzt in Ruhe frühstücken und dann Zeitung lesen.«

      »Zeitung lesen?«

      »Aber ja, wir werden heute eine Stelle für dich finden, so war ich Tine Klink heiße.«

      Luisa war plötzlich ganz aufgeregt. Endlich roch es zumindest im Anflug nach Neuanfang. »Okay. Dann mal los.«

      Als diese aus dem Bad herauskam, lagen dort die Süddeutsche, die ZEIT, irgendeine Zeitung aus dem Allgäu, die Sylter Rundschau und der Tagesspiegel.

      »Und die willst du alle durcharbeiten!« Luisa schluckte schwer.

      »Nee!« Tine schaute sie frontal an. »Du arbeitest die Presse durch, meine Süße, denn du suchst eine Stelle! Nicht ich.«

       »Tiiine!«

      »Willkommen in der Realität, meine Süße.«

      Tine lachte. »Tja, Luisa, nicht mal eben vor den Scheidungsrichter, sondern jetzt werden die Ärmel hochgekrempelt!«

      »Eye, Eye, Captain, aber erst mal eine Tasse Kaffee.«

      Nachdem Luisa zwei Stunden in die Zeitungen geschaut hatte, fühlte sie sich erschöpft und ausgelauft. Sie donnerte eine Zeitung mit einer ziemlichen Wucht in die nächste Ecke. »Ich schaff das nicht, Tine, ich bin zu blöd für alles!«

      Tine, die merkte, dass es ihrer Freundin schwer fiel, sich mit den Gegebenheiten des nun beginnenden Alltags abzufinden, sagte ganz profan: »Überleg mal Luisa, was kannst du besonders gut – außer Glamourgirl zu sein – was hast du schon mal besonders gut hinbekommen – oder den Eindruck gehabt, hey, das war gar nicht so schlecht!«

      Luisa musste lange überlegen, bis sie mit einer Story um die Ecke kam, die Tine gar nicht so schlecht fand.

      »Marc und ich, wir sind mal um die Alster gegangen, und da kam uns ein älteres Ehepaar entgegen, dem war der Hund weggelaufen – ein Beagle, die büxen ja gern mal aus. Wir boten unsere Hilfe an, doch das ältere Ehepaar sagte: Den kriegen Sie nie, Maxi hört einfach nicht! Der Hund blieb einfach nicht stehen, und dann habe ich ganz laut gepfiffen. Ich habe nicht geschrien, bin nicht hinter dem Hund hinterhergerannt, sondern ganz ruhig in die entgegengesetzte Richtung gegangen. Und was soll ich dir sagen – der Hund kam! Kam zu mir und schlabberte mir die Hand ab.« Sie wartete eine Sekunden, musste lächeln. Das war wirklich eine der wenigen, schönen Episoden aus ihrer Ehe. »Da dachte ich: - Hey, ziemlich cool, irgendwie hast du offensichtlich einen Draht zu Hunden. Das Ehepaar selbst war völlig von den Socken und bedankte sich überschwänglich bei mir. Ich hatte noch zwei, drei Begegnungen mit ausgebüxten Hunden, einem Rottweiler und einem kleinen Rauhaardackel, allesamt eher von der knurrigen und muffeligen Sorte, doch irgendwie reagierten sie auf mich.« Sie musste trocken schlucken. »Meinst du, sowas geht?«

      »Na, klar.« Tine nickte. »Hat ja nicht jeder einen Draht zu Hunden. Viele Leute laufen ja sogar weg, wenn ein Hund auf sie zugerannt kommt - sieh mal zu, dass du das vertiefst, kauf dir Literatur und lass dich da mal beraten … zumindest wäre es ein Ansatzpunkt.«

      Plötzlich lachte Tine hell auf und sagte: »Mensch, Luisa, schau dir das mal an. Das gibt's doch gar nicht.«

      Sie reichte ihr eine Zeitung rüber, und Luisa las, was da in der Sylter Rundschau geschrieben stand:

       Das Aurora-Luxus-Hotel in List auf Sylt sucht zum nächstmögl. Termin Dog-Sitter/in zum Ausführen und Beschäftigen ihrer vierbeinigen Gäste. Sie sollten stressresistent sein, Wind und Wetter trotzen und ein heiteres Gemüt mitbringen.

       Spaß und Freude am Umgang mit Hunden Bedingung, alles Weitere unter Handynummer …

      »Oh, Tine, das ist ja der Hammer! Gibt es doch noch Wunder auf dieser Welt – gerade erzähle ich dir diese Story und – also eigentlich glaube ich ja nicht an Überirdisches, aber hier scheint gerade so was abzulaufen.«

      »Wunder gibt es immer wieder!«, trällerte Tine los.

      Luisa warf sich in Tines Arme und wirbelte einmal mit ihr durch die ganze Wohnung.

      »O Mann, Tine, jetzt hab ich richtig Hunger bekommen. Lass uns frühstücken, und danach rufe ich auf Sylt an. Die Suppe versalzt mir keiner.«

      »Luisa, mir graut vor dir. Du zeigst ja mal richtig Elan. Wow!«, meinte Tina lächelnd.

      Beide Frauen umarmten sich, und Luisa bemerkte so etwas wie Aufbruchstimmung.

      Endlich, nach viel zu langer Dunkelheit, ein wenig Licht.

      Kapitel 4 – Kleiner Wink des Schicksal

      Nachdem die beiden Freundinnen nach dem doch recht kopflastigen Morgen einen kurzen Spaziergang unternommen hatten, griff Luisa zu ihrem Handy und wählte die Telefonnummer auf Sylt. Zwischenzeitlich hatte sie sich im Netz schlau gemacht.

      Das Hotel,