Nicolà Tölcke

Der Duft der indischen Nelke


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Träger, die eine beeindruckende Verantwortung für dieses wunderbare Dekolleté übernehmen.

      „Ich scheine dir also zu gefallen! Na dann habe ich ja schon gewonnen.“ Was für eine Begrüßung!

      Ich habe mich schon meiner Klamotten entledigt. Sitze nur in schwarzer Unterhose und schwarzem T-Shirt auf dem ausgebreiteten hellblauen Oberhemd, mit dem ich den Plüschleopard unter meinem Po verstecke.

      Ich stehe auf, habe Gänsehaut überall, spüre ihren Körper, den weichen Chiffon an meiner Haut und diesen Duft, den sie verströmt. Viel später habe ich gelernt, dass das Shalimar ist. Ich habe mich nie getraut sie zu fragen.

      „Hat dir denn meine kleine Darbietung gefallen?“

      „Ich war und bin hin und weg. Nights In White Satin ist einer meiner absoluten Lieblingstitel. Wie du dich dazu bewegt hast. Ich finde keine Worte.“

      „Komm, Hubert, nimm mal dein Hemd weg. Mein Kimono ist größer und ein bisschen daran gewöhnt. Also eine ganze Stunde möchtest du mit mir?“

      „Ja! Hoffentlich wird dir das nicht langweilig?“ Meine rhetorische Frage.

      Statt zu antworten dreht sie den Zeiger der Eieruhr einmal komplett im Kreis.

      „Wenn wir so zusammen sein wollen wie am Mittwoch, dann würde ich mich freuen, wenn du mir dafür einhundert Mark schenken könntest.“

      Wer kann diesem Blick widerstehen? Ich nicht. Ein großer Blauer wechselt von Besitzer zu Besitzerin.

      Wir setzen uns nebeneinander. Ich höre das Rascheln ihrer Strümpfe unterm Kleid. Ich lege meinen Arm um sie. Drücke sie an mich. Küsse sie, schließe die Augen, ja ich weiß, das ist ein Moment des Glücks in diesem Leben.

      „Lass uns doch mal plaudern, bevor wir uns genießen?“

      „Gerne, alles, was du magst, Liane. Heißt du eigentlich wirklich so?“ Ich gebe ihr einen Stups auf ihr Näschen.

      „Wenn du es genau wissen willst?“

      „Ja, natürlich.“

      „Liane, Margarethe, Julia.“ Ihre Lippen berühren sanft mein Ohr.

      „Sicher möchtest du wissen, warum ich in eine Peepshow komme?“

      „Na, das kann ich mir doch denken. Du hast sicher sonst niemanden, der …“

      „… so zärtlich ist wie du!“ Meine Finger gleiten durch ihr Haar.

      „Na ja, du hast doch sicher eine Frau oder Freundin?“

      „Habe ich. Wir leben seit ein paar Jahren zusammen. Unser Leben gestaltet sich aber eher wie das eines Bruders mit seiner Schwester. Da ist null erotische Spannung zwischen uns. Zudem hat sie mich mit einem Freund betrogen.“

      „Und warum hast du sie nicht gehen lassen?“ Ihre Hand auf meinem Knie ist angenehm warm.

      „Ich bin so ein verdammtes Gewohnheitstier! Eigentlich bin ich sowieso nur aus einer Art Mitleid mit ihr zusammengekommen.“

      „Wie das denn?“ Die Hand wandert ein wenig nach oben.

      „In unserer ersten Nacht in ihrem kleinen Zimmer bin ich fast aus dem Bett gefallen vor Schreck, als ich sie von hinten nackt sah. Ihre Kleidung muss unglaublich geschickt das getarnt haben, was da zu Tage, besser gesagt zu Nacht trat. Ich habe vorher noch nie so gewaltige Oberschenkel gesehen. Später erfuhr ich, dass es für dieses Phänomen auch einen Fachausdruck gibt: Reiterhosenfettsucht!

      Und das mir, wo ich so mit den Augen, ich meine, wo ich so optisch, erotisch gesehen, zu erregen bin.“

      „Warum bist du denn nicht am nächsten Morgen vielleicht nicht schreiend, aber immerhin doch davongerannt?“ Da nähert sich etwas meinem Schoß!

      „Noch in jener Nacht hat sie mir von ihrem Selbstmordversuch erzählt, dass sie eine Woche im Koma im Sauerstoffzelt lag, dass ihr Urvertrauen gestört sei, weil sie als Baby von ihrer Mutter zu ihrer Uroma abgegeben worden war. Ich konnte sie nicht, nur weil sie dick war, vor den Kopf stoßen. Und Teile ihres Charakters sind ausgesprochen herzlich. Es gibt aber auch ihre dunkle, ihre cholerische Seite.“

      „Wie sieht die aus?“ Ihre Hand wandert in meine untere Hose.

      „Stell dir mal vor. Sie hatte ein halbes Jahr ein Verhältnis mit einem guten Freund von mir.

      Abends zur Essenszeit hübschte sie sich dann auf und fuhr zu ihm. Und das einige Male pro Woche. Ich wusste genau, wo sie da landete. Manchmal rief sie mich sogar von ihrem Stelldichein aus an, fragte, wie es mir ginge. Liane, ich weiß nicht, ob ich mich mit deiner Hand an dieser Stelle noch konzentrieren kann!“

      „Das musst du lernen, Hubert! Ich werde einen Teufel tun und jetzt von dir ablassen. Zudem, wo er schon so wunderbar gewachsen ist. Erzähl weiter.“

      „Vor zwei Wochen komme ich am späten Nachmittag nach Hause. Sie fragt mich, warum ich so spät käme. Ich antworte wahrheitsgemäß, dass mich ein Fahrgast im Café am Schloß Charlottenburg zu einem Glas Sekt eingeladen hätte. Sie fragt, was das für ein Fahrgast sei. Du musst wissen, dass ich neben dem Studium Taxi fahre. Also antworte ich ihr, dass das die junge Frau sei, die ich als Dauergast zweimal die Woche von Nikolassee zum Flughafen brächte. Dann merke ich schon, wie ihre Gesichtsfarbe ins Rötliche wechselt. Und klar, dann kommt dieser Satz: Und in welchem Hotel wart ihr? Daraufhin werde ich sauer und entgegne ihr, dass wir uns den ganzen Nachmittag im Puff in der Windscheidstraße eingemietet hätten, um dort mit einer Hure einen enorm geilen Dreier zu zelebrieren.

      Was ich nicht wusste ist, wie flink sie sein kann. Ratzfatz greift sie sich meine zwölfsaitige Gibson und schlägt sie mir über den Kopf. Mein Doktor musste mich mit drei Stichen nähen. Die Gitarre ist im Gitarrenhimmel und glaubst du, dass sie sich nur andeutungsweise entschuldigt hätte? Mir wird immer noch ganz anders, wenn ich mir vorstelle, wenn da nicht die Akustik- sondern eine E-Gitarre gestanden hätte. Liane Margarethe Juliane, du würdest jetzt gerade bei …“

      „Pssssst!“ Sie dreht mir den Nacken zu und flüstert:

      „Hubert, der Reißverschluss würde gerne abwärts fahren.“

      Ich tue ihr und mir den Gefallen, fahre entlang des

      BH-Verschlusses talwärts und komme erst fast am unteren Rand des Hüftgürtels zum Stehen. Ihre Hand verlässt mich. Sie steht auf, ich stehe auf und sie fragt ziemlich unkompliziert, aber auch rhetorisch:

      „Ja, was machst du denn nun mit deiner halbausgezogenen Schlampe?“

      Wortlos ziehe ich ihr das Kleid über den Kopf. Und da steht sie vor mir, wie vorhin auf der Bühne: Weißer BH mit Brüsten, die keineswegs noch mehr eingeengt werden dürften, einem Hüftgürtel, der sicher aus einem Retro-Wäschegeschäft stammt, jedoch die Aufgabe hat, sich um die Strümpfe, vermutlich aus reiner Seide, zuschnappend zu kümmern. Und letztlich diese Lackpumps, wegen der so manches Weib seiner besten Freundin beim Caféhausbesuch ins Ohr flüstern würde: Meine Gute, für die würde ich morden!

      „Darf ich vorstellen: linker Hand, mein Herr, das ist Margarethe und zu Ihrer Rechten wartet Julia! Du darfst sie gerne ein wenig über den Rand befreien. Falls du sie magst, so darf ich verraten, dass sie es lieben, ein wenig abgeschleckt zu werden.“

      Einen Moment lang stehe ich sicher vor ihr, als hätte ich vom Hupen und Trompete spielen keinen Schimmer.

      Aber na klar! Frauen geben ihren Brüsten gerne auch mal Namen. So schiebe ich meinen Zeigefinger vorsichtig in Margarethes Behausung und lasse das Nippelchen über die Begrenzung des bajuwarischen Kleidungsstücks hinausschauen. Vorsichtig nehme ich es zwischen meine Lippen und umkreise es mit meiner Zunge. Die Reaktion ist eindrucksvoll. Wie ein verkehrtes Ausrufungszeichen ragt es mir in den Mund. Aber Julia möchte ja auch. Als ich sie befreie, hat sie schon fast Margarethes Ausmaße. Damit die aber nicht traurig wird, puste ich ihr ein wenig Luft zu. Nun kommt die Reaktion von höchster Stelle:

      „Gemeinheit! Willst du mich quälen?“

      „Wo