Ernst von Wegen

Der Nackt-Scanner


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Anfänger setzten Schritte und Stöcke mit einer Ernsthaftigkeit, die einem religiösen Ritual glich. Stellte sich der gewünschte Erfolg, eine geringere Hosengröße, nicht beizeiten ein, stocherten und stöckelten sie mit der Verbissenheit des Durchhaltens an meinem Fenster vorbei. Wenn nach dieser Phase des lustlosen „Weiter so“ die Hintern noch immer nicht kleiner wurden, gaben viele entnervt auf. Einige Jogger verschwanden in der Regel nach Erreichen des Idealgewichts von meiner Bildfläche. Manche tauchten ein halbes Jahr später entsprechend fett geworden wieder auf. Am verlässlichsten aber waren die Hundebesitzer, sie gingen bei jedem Wetter mit der Präzision einer Funkuhr.

      Meine Blicke, wie gesagt, blieben an der Hecke hängen, nur meine Phantasie folgte den Leuten manchmal, wenn am Schreibtisch nichts vorangehen wollte, weiter in den Park hinein. Die alte Dame mochte Tauben oder Eichhörnchen füttern und mit ihrem lange verstorbenen Mann Gespräche führen. Der ältere Herr mit dem durchgedrückten Rücken las vermutlich auf „seiner“ Bank „seine“ Tageszeitung, dies oder jenes Liebespärchen drückte sich hinter Büschen herum, während ein vorbeilaufender Jogger die Kalorien zusammenzählte, die er mit jedem Schritt verlor. Auf diese Weise mit Dingen beschäftigt, die nichts mit mir und noch weniger meiner Arbeit zu tun hatten, löste sich so manche Blockade und ich fand das passende Wort, den passenden Satz, ähnlich wie man auch verlegte Sachen findet, sobald man aufgehört hat, fieberhaft nach ihnen zu suchen. So wurde ich im Laufe der Zeit mit den Leuten vertraut, ohne sie zu kennen. Mir war zum Beispiel aufgefallen, dass die junge Frau mit den zwei Pudeln (tatsächlich waren es Möpse, aber das hätten Sie mir nicht geglaubt, oder? Wir glauben ja lieber gut Erfundenes, als eine Wahrheit, die sich allzu sehr aufdrängt). Es war mir also aufgefallen, dass die Frau mit den zwei Pudeln immer zu uns rüber schielte, wenn ich im Hof mit Claudia sprach.

      Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen zu Hause ist, aber in unserer kleinen Stadt sind die meisten Hundehalter relativ unsexy. (Daran ändern auch Möpse nichts.) Ich sollte mal einen Essay über Hundebesitzer schreiben. Hundehalter erwarten von ihren Hunden Eigenschaften, die sie bei ihren Mitmenschen vermissen: Treue, Zuwendung, gehorsames Einfügen in die bestehende Ordnung. Sie sind also eher in der Fraktion Verlässlichkeit verortet, als in der Fraktion Leidenschaft. So kleiden sie sich, so geben sie sich: bieder und unauffällig, statt attraktiv oder gar aufregend. Das war meine persönliche Theorie und sie war, wie jede Theorie nur begrenzt wirklichkeitstauglich. Denn eines Tages klingelte es. Ich ging runter und vor der Tür stand die besagte Hundehalterin, aber ohne ihre Pudel (Sie sehen selber, dass Möpse hier für Verwirrung gesorgt hätten)! Sie trug auch nicht ihr schlabberiges Gassi-Outfit, sondern einen figurbetonten, kurzen Rock und eine Bluse, die viel Haut freiließ; statt ihrer bequemen Treter trug sie schicke Pumps, sogar ihr Allwetter–Gassigesicht war dezent geschminkt. So gestylt, wie sie nun vor mir stand, war ich mir sicher, dass ich sie schon anderswo gesehen hatte. Während ich noch grübelte, wo, sagte sie:

      „Sie sind doch der Schriftsteller Immo Polcas, nicht wahr?“

      „Ja, was führt Sie zu mir?“

      „Ich habe sie neulich in dieser Talkshow gesehen. Sie waren Klasse! Ich hätte gerne ein Autogramm von Ihnen, ich meine, wenn man schon einen berühmten Mann in der Straße wohnen hat... ich bin doch nicht lästig, oder? Komme ich ungelegen?“

      „Nein, nein“ sagte ich. ‚Im Gegenteil‘, dachte ich, ‚so wie du heute aussiehst! Ich werde‘, dachte ich, ‚in meinen Essay über Hundehalter einfließen lassen, dass Tiere den Menschen irgendwie herunterziehen, und wenn er (oder sie) das Tier loslässt, sich wieder auf Menschenebene begibt, sich damit automatisch wieder erhöht‘.

      „Kommen Sie mit“ sagte ich. Sie ging vor mir die Treppe hoch. Sie roch gut, wider Erwarten gar nicht nach Hund und ihre Pobacken wippten mit jeder Stufe, die sie nahm, sexy hin und her. Oben angelangt, huschte sie durch die offene Wohnungstür, ohne auf meine Aufforderung zu warten und schritt forsch voran ins Wohnzimmer. Bewundernd fuhr ihr Blick über unsere Bücherregale:

      „Wow“, sagte sie, „genauso habe ich mir die Schreibhöhle eines Intellektuellen vorgestellt!“

      „Das ist nur Belletristik“ sagte ich, „das Hobby sozusagen, die Sachliteratur habe ich in meinem Schreibzimmer.“

      „Darf ich es sehen?“

      „Gerne, kommen Sie, hier ist es. Sehen Sie sich ruhig um, ich mach‘ uns einen Kaffee. Oder bevorzugen Sie Tee?“

      „Nein, nein, Kaffee ist schon okay.“

      Minuten später holte ich sie ab:

      „Ich habe im Wohnzimmer serviert.“

      Ich schenkte ihr ein Exemplar meines aktuellen Buches Aus meiner Sicht, eine Sammlung von Kolumnen, die ich für die Zeitung Die Woche kompakt mit großem Publikumszuspruch geschrieben hatte, die sich als Buch rätselhafterweise aber schwer verkauften. Verstehe einer den Markt und das Kaufverhalten der Leute! Ich jedenfalls verstand beides nicht. Ich klappte das Buch auf und signierte es mit dickem Filzschreiber über eine ganze Seite. Sie strahlte und bedankte sich überschwänglich. Dann sagte sie: „Ich bewundere Sie übrigens schon länger. Ich habe Sie letztens mit dieser Essensausfahrerin gesehen, das Auto stand öfter mal unten...“

      „Eine Bekannte“ sagte ich.

      „Oh“ sagte sie.

      „Sie ist neulich weggezogen aus unserer Stadt.“

      Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, „Ich heiße übrigens Lisa Buske und wohne in der Parkstraße 3. Unter Nachbarn einfach nur Lisa, okay?“

      „Auf gute Nachbarschaft“ sagte ich leicht ironisch, schließlich wohnten wir in Nummer 74, gut dreihundert Meter entfernt,

      „Ich heiße mit vollem Namen Immanuel. Schon mein Vater war Professor für Philosophie und so hat er mir den Namen seines Idols Kant verpasst.“

      „Na dann, Immo!“ sagte sie und klebte mir einen verheißungsvollen Bruderkuss auf die Lippen.

      „Immo, darf ich dir was gestehen...“

      Und ehe ich antworten konnte, gestand sie schon:

      „Als ich dich mehrmals mit dieser Essenstante sah, bin ich vor Eifersucht fast verrückt geworden. Ich dachte, die gehen jetzt rauf und bumsen eine Runde und ich gehe mit meinen blöden Hunden spazieren!“

      Ich sah sie mit großen Augen an.

      „Und“ fragte Lisa?

      „Was und?“

      „Habt ihr gebumst?“

      „Ich, ich, ich muss Sie schon sehr bitten...“ stammelte ich.

      „Du! Wir waren schon beim Du, Immo. Und du musst mich nicht bitten und schon gar nicht sehr, Immanuel, ich mach’s doch gern.“

      Sie legte ihre Hände in meinen Nacken und küsste mich. Zwischen den Küssen hauchten ihre feuchten Lippen heiße Ah’s und Oh’s. Ruck zuck hatte sie sich ihrer Bluse entledigt und zog mir das T-Shirt über den Kopf. Sie führte meine Hände zum BH-Verschluss und küsste mich wieder, während ich ihn öffnete. Sie hatte kleine knackige Brüste mit süßen Nippelchen, einen straffen, beinah muskulösen Körper den ein sanft gerundetes Becken krönte. Meine Hand fuhr in ihren Schlüpfer und fand darin nicht den wilden Urwald vor, den ich bei einer Tierhalterin erwartet hatte, sondern einen gepflegt zurechtgestutzten Park, in dessen Mitte eine vorwitzige Klitoris mich aufgeregt begrüßte. Als sie mir die Unterhose runterziehen wollte, blieb diese mit dem Bauchgummi an meinem stark erigierten Glied hängen.

      „Langsam“, sagte ich. Doch langsam ging jetzt gar nichts mehr. Kaum waren wir nackt, sprang sie an mir hoch wie ein Äffchen, klammerte sich mit den Beinen um meinen Bauch und rutschte langsam an mir herunter. Schlüssel und Schloss fanden sich sofort. Ich lehnte mich zurück um das Gleichgewicht zu halten und Lisas niedlicher Hintern, den ich im Spiegel sah, hüpfte munter auf und ab. Ich kam vor ihr und als sie spürte, dass ich meine Salve abzuschießen begann, blieb sie ruhig auf meinem Stempel sitzen und küsste mich.

      „Tut mir leid“ sagte ich, „du warst noch nicht