Ava Patell

Ein Hauch von Vorsehung


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Grollen aus seinem Bauch war dem Paarungsruf eines Buckelwals nicht unähnlich. Kaden spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg. Der Geruch von Scham erfüllte das Auto.

      »Nun gut. Also ein Zwischenstopp«, erklärte Nikolaj ruhig.

      Kaden gähnte hinter vorgehaltener Hand und sah aus dem Fenster. Leise Musik begleitete ihre Fahrt, bis Nikolaj erneut den Blinker setzte und auf das Gelände eines Master Burger fuhr. Nikolajs Meinung nach gab es hier die besten Burger und Pommes. Vor allem letztere waren perfekt gewürzt und frittiert, nicht zu fettig und herrlich knusprig. Er fuhr auf den Drive In zu und bemerkte Kadens verwirrten Blick.

      »Sie essen Burger?«

      »Manchmal.« Er lenkte den Wagen vor den Lautsprecher, ließ die Scheibe hinunter.

      »Willkommen bei Master Burger . Ihre Bestellung bitte«, knarzte ihnen eine verzerrte Frauenstimme entgegen.

      »Einen Cheeseburger mit Tomaten, Zwiebeln, Mayo und Hot Sauce. Dazu zweimal Master Fries und ...« Fragend sah er zu Kaden, welcher ihn immer noch mit großen Augen ansah.

      »Oh!«, machte er dann und beugte sich vor. »Bacon Cheese Burger mit Gurken, Tomaten, Salat, Zwiebeln und Paprika. Pommes, dazu Ketchup und Mayo. Danke!«

      »Sehr gern. Dürfen es noch Getränke dazu sein?«, fragte die fremde Stimme durch den Lautsprecher.

      Nikolaj überlegte nicht lange. »Ein Wasser mit Kohlensäure ohne Eis für mich und ...« Er sah erneut fragend zu Kaden. Dessen Duft strich für den Firmenchef durchs Auto wie eine sichtbare Spur.

      »Cola ohne Eis.«

      »Das wäre alles.«

      »20,80 Dollar am zweiten Fenster.« Nikolaj fuhr langsam vor zum zweiten Fenster, zog dort das Portemonnaie aus seiner Jacketttasche und nahm das Geld heraus, welches er kurz darauf gegen die typische braune Papiertüte mit dem Master-Burger -Logo darauf tauschte. Diese reichte er sofort an Kaden weiter.

      »Lassen Sie es sich schmecken.«

      »Ganz sicher nicht in diesem Auto.«

      Nikolaj konnte sich ein leises Schnauben nicht verkneifen. »Kleckern Sie gern?«

      »Wer kleckert schon gern?«, fragte Kaden amüsiert. »Aber ja. Na ja, zumindest bei Burgern.«

      »Hm.« Nikolaj trat aufs Gaspedal und Kaden hoffte, dass die Burger so gut und frisch waren, dass sie noch einen Moment warm bleiben würden. Die Fahrt verlief in relativem Schweigen und der Duft der Burger verdrängte jetzt alles andere, ließ Kaden das Wasser im Mund zusammenlaufen und testete seine Selbstbeherrschung. Das Verlangen, die Tüte einfach aufzureißen und den Burger in einem Stück in den Mund zu stopfen, war beinahe unmenschlich groß.

      Schon seit sie von der Schnellstraße abgebogen waren, war Kaden klar geworden, wohin die Fahrt ging und als sie schließlich vor seinem Wohnhaus hielten, seufzte er leise.

      »Und Sie hätten mir nicht einfach sagen können, dass Sie mich nach Hause bringen?«,

      Nikolaj lächelte. »So ist die Erleichterung, dass ich Sie weder entführe, noch knebele oder töte doch viel größer. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende, Mr. Williams.«

      Kaden sah nach draußen. Dann wieder zu seinem Chef und deutete hinter sich, aus dem Fenster. »Wollen Sie vielleicht mit hoch kommen? Sonst ist Ihr Burger doch kalt, bevor Sie zuhause sind.« Also schön, die Aussage beruhte auf einer Vermutung, weil er keine Ahnung hatte, wo Niklolaj wohnte, aber er war sich fast sicher, dass es nicht um die Ecke war. Und lud er gerade tatsächlich seinen Vorgesetzten in seine winzige Wohnung ein? In der es aussah wie nach einem Bombenanschlag? Das war absolut unpassend und unangebracht, aber vermutlich war er unterzuckert und dadurch nicht mehr Herr seiner Sinne.

      Nikolaj beugte sich jetzt vor und sah an dem Wohnhaus empor. »Ich weiß die Einladung durchaus zu schätzen, aber das wäre keine gute Idee.«

      Kaden grinste schief. »Unter Ihrer Würde?«

      »Es ist nicht angemessen. Das hat nichts mit Würde zu tun, nur mit unserem Verhältnis. Ich bin Ihr Vorgesetzter.«

      Jetzt musste Kaden doch lachen. »Ich wusste nicht, dass wir ein Verhältnis haben.« Bei Nikolajs Gesichtsausdruck jedoch, der absolut emotionslos war, räusperte er sich.

      »Schon gut. Dann danke für die Fahrt.« Er öffnete die Tür und stieg aus, hängte sich seine Tasche um, kramte nach dem Schlüssel, bevor er in die Papiertüte griff und sich umständlich mit Burgerschachtel, Pommestüte und Cola bewaffnete. »Und für das Essen. Gute Nacht.« Kaden schloss die Tür mit dem Ellenbogen und hätte um ein Haar den Colabecher in der Hand zerdrückt. Die waren früher auch stabiler gewesen.

      Nikolaj sah dem jungen Mann nach, der im Halbdunkel auf die Haustür zutrat und tatsächlich so aussah, als würde er jeden Moment im Gehen einschlafen. Lämmchen ... Darea hatte schon ganz Recht, der Vergleich drängte sich auf. Nik wartete, bis Kaden im Haus verschwunden war, bevor er den Motor erneut startete und den Heimweg einschlug. Sein Blick fiel auf die Papiertüte, die nun sein Beifahrer war. Kadens Duft hing noch hauchzart in der Luft und so wie es ihm schon öfter aufgefallen war, fiel ihm auch jetzt auf, wie er auf ihn reagierte. Wie sehr ihm diese Komposition zusagte. Nein, es wäre wirklich keine gute Idee gewesen, Kaden nach oben zu begleiten. Hinauf in eine Wohnung, in der die Luft vollends angereichert war mit diesem Duft aus Mandeln, Granatapfel, Baumwolle und Vanille.

      Etwa 15 Minuten später fuhr er in seine Auffahrt, parkte den Wagen und betrat sein Haus. Er setzte sich an den Esstisch, um einen lauwarmen Burger und weich gewordene Pommes zu essen. Das Klingeln des Handys und der Name auf dem Display ließen nichts Gutes erahnen. Nikolaj hob ab und stellte auf Lautsprecher.

      »Darea?«

      »Was macht das Lämmchen?«, fragte sie ohne Umschweife.

      »Es ist im Trockenen«, formulierte Nikolaj vorsichtig und schüttelte den Kopf. Diese dämlichen Metaphern.

      »Gut.« Sie klang tatsächlich zufrieden.

      »Du hast doch nicht etwa einen Narren an ihm gefressen, oder Darea?«

      Das kurze Schweigen klang beinahe entrüstet. »Pah! Nein. Ich halte ihn nur für wichtig, damit du deiner Arbeit nachgehen kannst.«

      Eine Lüge? Eine Halbwahrheit? Oder die volle Wahrheit? Schwer zu sagen bei dieser Frau. Nik schob sich einen Pommesstreifen in den Mund, die Tüte knisterte leise.

      »Was machst du gerade?«, fragte sie und Nikolaj sah auf die Reste vor sich.

      »Ich esse.«

      Er hörte sie sehnsüchtig seufzen. »Was muss ich tun, um mal wieder in den Genuss deiner Kochkünste zu kommen? Sag schon. Was gibt es heute bei dir?«

      »Burger und Pommes.«

      Eine Weile schwieg Darea am anderen Ende, aber er konnte sie atmen hören. »Kannst du das wiederholen?« Nikolaj seufzte leise und Darea schien sich noch prächtiger zu amüsieren. Er konnte es an ihrer Stimme hören, als sie weitersprach. »Die Frage ist ja jetzt wohl eher, ob du einen Narren an unserem Lämmchen gefressen hast, mein Lieber.«

      »Unsinn Darea.«

      Sie schnalzte mit der Zunge wie sie es vorhin getan hatte. »Kein Unsinn. Du würdest dir nie alleine Burger und Pommes holen. Und aus deinem ›Es ist im Trockenen‹ schließe ich, dass du Kaden nach Hause gebracht hast. Also habt ihr einen Zwischenhalt bei Master Burger gemacht, so wie ich dich kenne. Wenn schon Burger, dann die, hm?«

      Nikolaj kniff leicht die Augen zusammen. »Wir sehen uns Montag, Darea.«

      Damit beendete er das Gespräch und hörte sie noch lachen, als sein Handy stumm neben ihm lag. Er hätte ihr nichts von Burgern und Pommes sagen dürfen. Jede Information war zu viel in ihren Händen und sie war wie kein anderer Mensch in der Lage, aus noch so kleinen Hinweisen Schlüsse zu ziehen, die ihm schon oft die Frage aufgedrängt hatten, ob da Magie im Spiel war. Diese Frau wusste zu viel, ahnte zu viel und lag mit ihren Vermutungen