Carsten Wolff

Weiß, Rot und Dunkel


Скачать книгу

Leser, und hier wende ich mich einmal ganz gezielt an die männliche Leserschaft: Wer den Kiez nicht kennt, wäre zu einer solchen Wette bereit, wer hingegen Kiezgänger ist, reagiert eher gelassen und unaufgeregt. Wie oft habe ich es schon sehr zum Gefallen der anwesenden Herrn miterlebt, wie diese pralle Weiblichkeit gegen ein Getränk und unter gleichzeitigem starken Aufmunterungsbeifall auf diese Art und Weise gern zur Schau gestellt wurde. Wie spontan die großen prachtvollen Äpfel von ihrer Trägerin herausgeschüttelt wurden, sie wie reifes Obst bei einem lauen Lüftchen zu Fall kamen, nicht aber auf den Boden prallten, sondern mit der Trägerin trotz des großen Gewichtes fast unerwartet verbunden blieben und wie von einem unsichtbaren Gummiband gehalten hin und herpendelten und kaum zur Ruhe kommen wollten, bevor sie anschließend wieder an den eigentlichen Aufbewahrungsort zurückgestopft wurden, bereit für den nächsten Auftritt. Allzu häufig zusätzlich mit ein paar lockeren Sprüchen von der Eigentümerin und Halterin begleitet wie: »Damit du auch mal was Richtiges zu sehen bekommst, Süßer!«

      Heute Nacht wäre einmal wieder Zeit für eine solche kleine Showeinlage. Potenzielle Gäste für einen solchen Auftritt sind jedenfalls in genügend großer Anzahl anwesend und auch bereit.

      Als sich unsere Blicke treffen, ruft sie mir zu:

      »He, Kleiner! Lass uns die Nacht zum Tag machen!«

      »Wer?«

      »Ja, du!«

      »Also ich!«, und ich deute mit dem Finger auf mich.

      »Kleiner?« Habe ich da richtig gehört? Bei meiner Größe von 190 cm fühle ich mich keineswegs geschmeichelt. Bereits im nächsten Augenblick schiebt sich dieser mächtige Oberbau gefolgt von ihrem Körper zu mir an den Platz heran und hält mir ihre pralle Weiblichkeit direkt vor Augen. Mindestens Körbchengröße 80D (wobei eigentlich von Korbgröße gesprochen werden sollte) mit sicherlich einem dicken Doppelplus dazu, darauf schätze ich spontan die massigen Dinger ein.

      »Ich bin zwar Antialkoholiker, habe um diese Zeit keine Lust auf Milch«, sage ich und versuche vorbei an diesen immensen Brüsten ihr ins Gesicht zu schauen. Düpiert zieht sie ihren Busen zurück, eigentlich wäre eher Euter der treffende Ausdruck für diese Pracht, zumal sie von mir offensichtlich erwartet hätte, eine Schmeicheleinheit über ihre drallen Ausmaße zu hören.

      »Du kannst wohl nicht mehr, Kleiner!«, antwortet sie laut hörbar für alle Umstehenden und lacht dabei. Ein wenig frech und unangemessen, wie ich finde. Aber wie drückt es der Volksmund so treffend aus: Wie man in den Wald (hier: Animierbar) hineinruft, so schallt es heraus! Schließlich habe ich die erste Spitze gesetzt. Aus diesem Grund möchte ich auch nicht weiter diskutieren, was ich kann oder auch nicht kann und überhaupt können sollte, dürfte, möchte et cetera, jedenfalls hier und heute nicht. Bin ich doch zum Amüsieren und nicht zum Anbändeln hierhergekommen. Und dennoch geht schon ein gewisses Prickeln aus dieser Situation hervor, weil sie sich offensichtlich auf mich fixiert hat, und genau deshalb fordere ich sie auf, sich zu mir zu setzen, möglicherweise auch, noch weiß ich es nicht so genau, um mir weiteren Hohn und Spott von ihr und anderen Gästen zu ersparen. Schlagfertig ist sie ja und zur Kurzweil willkommen!

      »Du heißt bestimmt Janine?«, frage ich sie direkt und gebe damit gleichzeitig auch ihrem Zwilling, der U-Bahn-Stimme, einen Namen.

      »Wenn du es möchtest, heiße ich Janine für dich, Kleiner! Und wenn du etwas Kleingeld dabei hast, kannst du Janine zu einem Sekt einladen.«

      »So bescheiden?«, denke ich mir, ohne es auszusprechen. Sie aber scheint meine Gedanken (weibliche Intuition!) augenscheinlich erraten zu haben und fügt hinzu:

      »Es darf natürlich auch Schampus sein!«

      Na bitte, die Verständigung klappt doch ausgezeichnet, auch ohne etwas auszusprechen, und eigentlich könnte das Gespräch gleich auf diese angenehme Art und Weise fortgeführt werden.

      »Genehmigt«, nicke ich zustimmend und schon ruft Janine laut durch die Bar: »Einen Schampus für mich und für meinen leichten, kleinen Begleiter Cola-Light auf seine Rechnung!«

      »Wer von uns ist eigentlich leicht?«

      »Wohl von Beruf Spaßvogel und Fragensteller!«, kommt es prompt zurück.

      Bislang habe ich mein Gegenüber nicht sehr interessiert und eher oberflächlich gemustert, aber jetzt, wo sie mir nun einmal vis-à-vis sitzt, fange ich an, sie genauer zu betrachten. Das heißt, den Rest der Dame, der durch ihre mächtige Oberweite gerade nicht verdeckt wird und der ihren Körper horizontal in zwei Teile, in ein Darüber und ein Darunter, unterteilt. Blond gefärbt, circa 1,65 m groß, normal gewichtig (ohne Oberweite), leuchtend rotes und sehr eng geschnittenes, figurbetontes Kleid, eindeutig kurz, sodass auch die Beine für den Betrachter sehr schön zur Geltung kommen, passende rote Pumps mit einer Absatzhöhe von mindestens 12 cm. Mein Herz geht auf. Unter ihrem Kinn tritt ein leichter Fettansatz zum Vorschein, der aber nicht wirklich stark ausgeprägt ist. Immer wenn sie spricht und das Kinn dabei nach unten bewegt, bildet sich diese typische kleine Fettrolle aus.

      Bei Fremden, denen ich begegne, schaue ich zuerst auf diese Kinnpartie. Diese Region, mit der von mir so titulierten Unterkinnfettrolle, wenn sie sich wie eine Welle im Wasser beim Sprechen fortpflanzt und mit jeder Mundbewegung aufs Neue in Bewegung setzt und dabei hin und her rollt wie ein Schiff im Seegang, empfinde ich als viel interessanter, als sich im Gegensatz dazu auf die typischen weiblichen Merkmale wie Busen, Po und Beine zu fixieren. Diese mögen sexuell sehr stimulierend wirken, was ich auch nicht absprechen oder herunterspielen will, sind aber eben nicht so außergewöhnlich und wandlungsfähig, wie diese kleine spielende Fettrolle. Ja, ich bekenne mich. Ich bin ein Unterkinnfettrollenfetischist!

      Liebe Leser, sollten Sie bislang noch nicht diese Neigung bei sich entdeckt haben, möchte ich hiermit Werbung in eigener Sache für diese meine Schwäche machen. Die sexuellen Merkmale besitzt jeder Mensch in unterschiedlichen Ausprägungen, stärker oder schwächer, runder oder eckiger, kleiner oder größer, dabei häufig auch nicht zum übrigen Körper proportioniert (wie bei Janine!), und wurden bereits in Millionen Romanen, Filmen ausgiebig thematisiert. Aber nicht so die so benannte Unterkinnfettrolle, womit sie einen Hauch von Exklusivität des Trägers aussendet und damit eine spezielle Individualität, das gewisse Etwas der Person unterstreicht. Nur wenn ein Mensch sehr markante Gesichtszüge oder besondere Abnormitäten aufweist wie etwa eine große Nase, einen breiten Mund, wulstige Lippen oder ähnliches, werde ich von meinem Augenschmaus Unterkinnfettrolle abgelenkt. Glücklicherweise kann ich bei Janine keine anderen Auffälligkeiten außer ihrem Busen, der hier bereits genügend gewürdigt worden ist, entdecken. Ihr Gesicht ist rundlich und ohne weitere nennenswerte Besonderheiten. Einzig ihr aufdringlich roter Mund wird später noch schnappartig unheilvoll in den Vordergrund treten. Die meisten, fast möchte ich so weit gehen zu sagen, »alle außer mir«, Menschen nehmen dieses Fettrollenspiel entweder nicht wahr oder würdigen es nicht so, wie ich es tue. Zum Glück, denn damit kann ich diese exklusive Ambition für mich beanspruchen. Bedauerlicherweise ist auf diese Beobachtung und Beschreibung kein Patent möglich, sonst wäre ich bereits stolzer Besitzer dieses Anspruches »Patent auf Klassifizierung der menschlichen Unterfettkinnrolle« und die Urkunde würde eingerahmt einen Ehrenplatz in meinem Arbeitszimmer eingenommen haben. Auf meine Anfrage beim zuständigen Amt hat man mir dort »sehr technisch« geantwortet: Patente auf derartige Beobachtungen gäbe es nicht, sondern nur auf neue technische Erfindungen! Schluss aus! Aber auch diese Aussage empfinde ich nicht als Niederlage. Nein, ich gehe soweit, in dem ich denke, dass die Öffentlichkeit nicht nur einen Anspruch auf meine Beobachtungen und auch Klassifizierungen der Unterkinnfettrolle besitzt, sondern zugleich diese Betrachtungen und Aufzeichnungen Eingang in die Schulmedizin und Wissenschaft finden sollten. Sämtliche Bestrebungen meinerseits in diese Richtung sind bislang auf Unverständnis und auch Ablehnung gestoßen. Und so habe ich beschlossen, mich zukünftig nicht mehr mit dieser »blockiert wissenschaftlichen« Ignoranz auseinandersetzen, und werde demnächst neue, andere Wege beschreiten, diesen unverzichtbaren ästhetischen Aspekt den Mitmenschen nahe zu bringen.

      Häufig gehe ich nur aus diesem einen Grund unter die Leute, suche mir einen geeigneten Platz, von dem aus ich die Beobachtungen vornehmen