kennen Sie zwar noch nicht persönlich. Dafür kennt er Sie besser, als Sie sich selbst. Das ist mein langjähriger Freund Ferdinand Papenburg, ein äußerst versierter und ideenreicher Privatdetektiv. Er und seine beiden Kollegen haben Sie seit einigen Monaten unter die Lupe genommen. Einen von seinen Freunden kennen sie recht gut. Es ist Hannes Kursawe.«
Kunzmann und Zischler blickten sich mit großen Augen an. Larousse sprang so rasch und energisch auf, dass sein Ledersessel krachend nach hinten wegkippte.
Er schrie mit hochrotem Kopf:
»Merde. Du billige Nutte. Das werde ich mir nicht länger anhören!«
»Monsieur Larousse. Setzen! Sofort!«, sagte Chantal.
Ihre dunkle Stimme klang, wie die einer strafenden Lehrerin.
Dazu passte ihre Mimik und ihr Zeigefinger, der auf den umgestürzten Stuhl deutete.
»Wenn Sie diesen Raum verlassen, wird in spätestens zwei Wochen in den französischen Zeitungen zu lesen sein, dass das Unternehmen LYONLA Insolvenz angemeldet hat und der Mitinhaber und Geschäftsführer in Untersuchungshaft sitzt. Compris?!«
Larousse stand einige Sekunden wie versteinert. Mit blassem Gesicht, das einer Totenmaske ähnelte, richtete er den Sessel wieder auf und nahm am Konferenztisch Platz.
»Ich warte!«, sagte Chantal laut und drohend.
Der Franzose zuckend mit den Schultern.
»Auf eine Entschuldigung selbstverständlich!«
»Je vous demande«, quetschte Larousse zwischen seinen Lippen hervor, ohne aufzublicken.
»Auf Deutsch bitte. Jeder hier im Raum soll es schließlich auch verstehen!«
Stille entstand im Raum. Man hätte eine Stecknadel fallen hören.
»Ich bitte um Entschuldigung«, entschied sich der Franzose. Doch dieses Mal blickte er Chantal in die Augen.
»Bon. Gut. Dann lassen Sie uns beginnen meine Herren«, sagte Chantal, und blickte Klaus Kunzmann, Eduard Zischler und Marlon Larousse der Reihe nach in die Augen. Hier, an diesem Konferenztisch, saß schon seit vielen Minuten nicht mehr die Edel-Nutte. Hier saß Chantal Mauriac; die harte, rachsüchtige und zielstrebige Unternehmerin.
Am Ende dieses sehr langen Tages unterzeichneten Klaus Kunzmann und Eduard Zischler einen Aufhebungsvertrag – mit sofortiger Wirkung. Darüber hinaus verpflichteten sie sich, 100 000 Euro auf ein Konto zu überweisen. Im Gegenzug verzichtete Chantal auf eine Anzeige, die zu einer hässlichen Untersuchung geführt hätte; dies mit der Folge, dass die beiden Herren als vorbestraft gegolten hätten. Danach konnten die beiden Männer den Raum verlassen. Ihr Büro durften sie nicht mehr betreten.
Ferdinand Papenburg kannte die Geschichte zwischen Chantal und Marlon Larousse. Damals, als sie Harald unterstützen wollte, dachte sie leichtes Spiel, mit dem athletisch gebauten Larousse zu haben. Doch da hatte sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben geirrt; sogar schwer geirrt. So fühlt es sich an, wenn eine arme Frau vergewaltigt wurde, dachte sie damals. Und sie war sich dessen sicher: Dieser Mann hatte schon vielen Frauen das Grausen gelehrt. Es war auch das erste Mal in ihrem Leben, dass sie nach diesem „Beisammensein“ weinte und Frauen verstehen konnte, die solchen Männern ein Messer zwischen die Rippen rammten. Das Allerschlimmste war, dass sie danach zwei Mal an einem Geschäftsessen mit diesem Mann und Harald teilnahm – und gute Miene zum bösen Spiel machen musste. Harald durfte dieses böse Geheimnis niemals erfahren. Er weinte damals vor Freude über den riesigen Erstauftrag.
Chantals offene Beichte waren für den Detektiv ein ganz besonderer Anreiz, sich wie eine Klette an Larousse zu kleben und alles daran zu setzen, so viel belastendes Material wie nur irgend möglich zusammen zu tragen.
Bereits nach zehn Minuten brach Larousse unter dieser Last in sich zusammen. Er wusste, dass er nicht die leiseste Chance hatte.
Dieser Mann hatte Harald schändlich hintergangen. Der Schaden bei HARLAM-CHEM war im Laufe der Jahre beträchtlich. Der Gutgläubigkeit von Harald war es zuzuschreiben gewesen, dass sich einige Männer bereichert hatten. Aber vor allem in Frankreich hätten die Unterlagen dazu geführt, dass LYONLA in sich zusammengebrochen wäre; dass Larousse auch Privatinsolvenz hätte anmelden müssen; unabhängig von diversen Gerichtsverfahren.
Chantal wollte eine rasche Abwicklung. Dieses erbärmliche Wesen durfte seine Villa und sein Privatvermögen behalten. Dafür würde sie für LYONLA bzw. für die 75 Prozent Anteile keinen Cent bezahlen. Notar Hochländer zog einen Einigungs-Vertrag aus seiner dünnen Aktentasche. Der blasse Hüne Marlon Larousse setzte mit Tränen in den Augen seine Unterschrift unter die Dokumente. Er unterschrieb auch, alles daran zu setzen, dass die Kunden in Frankreich, Spanien, Italien und in den Niederlanden erhalten blieben. Sollten in den kommenden Monaten zehn Prozent der Kunden, aus welchen Gründen auch immer, abspringen oder abwandern, wäre die Vereinbarung hinfällig. Dann würde auch sein Privatvermögen dahinschmelzen.
Als Larousse mit hängenden Schultern seine Augen schloss, und glaubte, dass der Kelch an ihm vorübergegangen war, drehte sich Chantal noch einmal um und sagte lächelnd:
»Ach ja. Dieses Ferienhaus in der Camargue. Das brauche ich zum Ausspannen.«
An dieser Stelle bekam Larousse zuerst einen Schreikrampf, dem ein Weinkrampf folgte. Selbstverständlich hatte Kurt Hochländer auch hierfür einen Vertrag vorbereitet.
Zwei weitere Verträge wurden an diesem Abend unterzeichnet; mit den Nachfolgern von Klaus Kunzmann und Eduard Zischler. Sie kamen aus den eigenen Reihen. Ferdinand Papenburg hatte sie auf Herz und Nieren überprüft und vorgeschlagen.
Wenige Tage später flog Chantal mit ihren Beratern nach Tianjin.
Tao Lin-Lin starrte die Frau ungläubig an, deren Brüste er vor knapp einer Woche genüsslich gestreichelt hatte.
»Wie hast du denn das so schnell geschafft?«, stammelte er einige Male.
Vor allem Notar Kurt Hochländer, er hatte schon viele Konzernlenker nach China begleitet, verstand die Welt nicht mehr, wie schnell und geräuschlos die Verhandlungen und Vertragsunterzeichnungen abgewickelt werden konnten. Als er sah, wie der schmächtige Chinese im Flur zu den Toiletten fast andächtig Chantals Brüste streichelte, war für ihn die Welt wieder in Ordnung. Allerdings dachte er:
»Ach du lieber Himmel. Diese Frau möchte ich nicht zum Gegner haben.«
Später hörte er zufällig, wie Mister Lin-Lin Chantal leise fragte:
»Hast du dir die Sache mit der Aufsichtsratsposition überlegt?«
»Noch zwei Wochen du Schlitzohr. Ich habe vielleicht eine bessere Idee. Denke doch einmal nach. Was fängst du schon mit einer gestressten und abgekämpften Chantal an?«
Und er sah, wie der Chinese die Hände faltete, nach oben blickte und grinsend flüsterte:
»Oh ihr Götter. Ihr solltet einmal überprüfen, ob es sich bei dieser Frau tatsächlich um ein menschliches Wesen handelt.«
Kapitel 12
Darauf hatte sich Chantal schon einige Wochen gefreut.
Nach Taunusstein wollte sie dieses Mal nicht fahren. Miranda sollte zu ihr in die Villa kommen.
Chantal lächelte über ihre total verrückte Idee. Noch einmal ließ sie ihr neues Schlafzimmer entrümpeln. Bevor sie damals nach dem Frühstück das Haus in Taunusstein verließ, hatte sie mit ihrem Smartphone viele Aufnahmen von der Inneneinrichtung des Hauses gemacht; selbstverständlich auch vom Schlafzimmer von Frau Dr. Miranda Meinhard. Ihr neues Schlafzimmer und das Bad mussten denen von Miranda ähneln; quasi wie eine Kopie sein. Sie sollte sich wohl und heimisch fühlen. Auch die Toilette und den in die Jahre gekommenen Whirl-Pool hatte sie erneuern lassen. Im Grunde genommen war dies kostenneutral. Dieser ekelhafte Kunzmann und der Finanzvorstand Zischler waren für diese Kosten aufgekommen; indirekt natürlich.
»Das ist der