zu schlafen?!«
Harald stand auf, und ging auf die Nackte zu. Er nahm sie in die Arme. Er drückte sie sanft an sich.
»Du bist wunderschön. Du hast eine wahnsinnig erotische Ausstrahlung. Gerade deshalb wollte ich nicht mit dir schlafen … bevor ich meinen ganzen Mut aufgebracht habe, um dir diese Frage zu stellen.«
Er gab ihr einen Kuss auf die Lippen und blickte in ihre Augen.
»Ich liebe deinen Körper. Aber noch wichtiger ist für mich diese Madam Chantal, von der du heute Nachmittag auf der Terrasse gesprochen hast. Du bist eine intelligente, fantasievolle, empfindsame und warme Frau. Du bist all das, was ich bei Isolde immer vermisst habe.«
»Entschuldige Harald. Ich habe weiß Gott viel Fantasie. Wir kennen uns erst seit ein paar Stunden. Wir haben uns beim Abendessen angeregt unterhalten. Dann hast du deinen tollen Schlafanzug angezogen, krabbelst ins Bett – und machst mir einen Heiratsantrag. Stelle dir einmal eine solche Szene in einem Film vor. Würdest du da nicht lachen oder zumindest herzhaft schmunzeln. Bitte. Bitte. Sage mir, dass das jetzt ein Scherz von dir war. Bitte!«
Harald starrte die Entgeisterte ratlos an.
»Eigentlich wollte ich dir das schon während des Abendessens sagen«, sagte er leise und zuckte mit den Schultern.
Chantal riss sich wieder los.
»Ich habe mit … Ach was, ich habe sie nicht gezählt«, schrie sie mit wilden Handbewegungen.
»Ich habe mit unendlich vielen Männern geschlafen. Daran würdest du doch immer denken müssen, wenn du mich in den Arm nimmst. Das würde ich sogar verstehen.«
Tränen kullerten über ihre Wangen. Gleichzeitig versuchte sie zu lachen.
»Das ist der Frankenwein. Der ist tückisch. Harald Lambers, du bist ein Spinner.«
»Ich sehe das völlig anders. Isolde war eine Hure. Sie ist immer noch eine Hure. Dagegen bist du eine Heilige … zumindest für mich. Wir sollten morgen noch einmal in aller Ruhe darüber sprechen. Bist du damit einverstanden?«
Behutsam lotste er die nackte, lachende und weinende Frau wieder ins Bett zurück. Dort schmiegte sie sich zitternd an den Verliebten.
»Nein. Damit warten wir nicht bis morgen«, schluchzte Chantal.
»Ich finde dich sympathisch, sehr sogar. Aber ich habe mir geschworen, niemals zu heiraten. Ich könnte nicht mehr in den Spiegel schauen. Mein Spiegelbild würde mich immer anschreien:
»Jetzt hast du es geschafft. Bislang warst du eine Liebesdienerin, eine Konkubine oder eine gutaussehende Escort-Begleiterin. Jetzt, nach vielen Jahren, bist du eine Nutte, die nicht nur ihren schönen Körper, sondern auch ihre verdammte Seele verkauft hat. Willst du das?! Kannst du das verantworten? Kannst du mich nicht ein bisschen verstehen?«
Stille entstand im Raum.
»Entschuldige. Das war wahnsinnig dumm von mir, dich so völlig unvorbereitet …«
Harald beugte sich zur immer noch zitternden Frau hinüber. Sanft streichelte er über ihre Wangen.
»Du bist doch eine kluge Frau. Was würdest du uns in dieser blöden Situation raten?«
Blitzartig richtete sich Chantal im Bett auf. Während sie Harald hastig sowohl das Oberteil als auch die Hose des Schlafanzuges auszog, quietschte sie fast wie ein junges Mädchen:
»Mit einem angezogenen Mann spreche ich heute kein einziges Wort mehr. Und ich rate dir, ab jetzt auch nicht mehr zu denken. Jetzt werden zwei andere miteinander kommunizieren. Dieser Bursche da …« sie fasste zwischen die Beine des völlig verdutzten Mannes … »muss doch ausgehungert sein. Ab heute nennen wir die beiden Akteure Cäsar und Cleopatra. Einverstanden?«
Es erklang ein Lachen, begleitet von einem »Hm. Hm.«
»Was heißt hier hm hm?!«
»Du hast mir doch verboten zu sprechen«, quetschte Harald zwischen den fast geschlossenen Lippen hervor.
Chantal schickte ihre Hände suchend auf die Reise. Bereits nach wenigen Sekunden begann sie leise zu kichern:
»Schau einer an. Cäsar nimmt schon eine kriegerische Haltung ein. Aber nimm dich in Acht mein Freund. Du solltest Cleopatra nicht unterschätzen.«
Es war eine lange Nacht geworden. Und am Morgen, die Sonnenstrahlen blinzelten interessiert durch die halbgeschlossenen Lamellen der großen Fenster, ging Cleopatra noch
einmal auf Erkundungsreise.
Am Frühstückstisch saß ein leicht lädierter und glücklicher Harald. Chantal wirkte munter und aufgekratzt. Schmunzelnd bearbeitete sie mit einem Löffelchen ihr Frühstücksei.
»Dein Vorschlag von gestern war alles andere als durchdacht. Künftig zusammen unter einem Dach – über Wochen, Monate oder gar Jahre. Das kann ich nicht verantworten. Das wäre geschäftsschädigend. Dein Unternehmen braucht einen ausgeschlafenen Kämpfer.«
Harald ließ seine Tasse klirrend auf die Untertasse sinken. Seine Mimik verfinsterte sich schlagartig.
»Willst du mir damit sagen, dass …«
Weiter kam er nicht. Chantal warf ihm mit einem schelmischen Lächeln ein Küsschen über den Tisch.
»Sei friedlich oh Gebieter des wackeren Cäsar. Ich möchte damit lediglich vorschlagen, dass wir uns jedes zweite Wochenende sehen. Dann bleibt unsere Liebe jung und prickelnd. Dann holst du dir Kraft und neue Inspirationen. Dann sind wir alle glücklich.«
»Und ich wache jeden Morgen auf, und starre auf einen leeren Platz neben mir.«
Chantal tätschelte die Hand des traurig Dreinblickenden und lächelte ihn dabei verliebt an.
»Ach was. Dann erinnerst du dich an die zurückliegenden Tage und Nächte. Und gleichzeitig freust du dich auf unser nächstes gemeinsames Wochenende. Du wirst sehen, das Leben wird bunt, abwechslungsreich und herrlich.«
»Habe ich eine andere Wahl?«
»Selbstverständliche gibt es immer Alternativen. Gib mir den Laufpass. Suche dir eine Andere. Die Welt ist voll von Frauen, die dich gerne heiraten und ausnehmen würden.«
Sie machte eine Kunstpause, und setzte dabei ihren geübten Schmollmund auf.
»Aber … dann wären wir traurig - Cleopatra und ich.«
Erneut machte sie eine kurze Pause, um leise fortzufahren:
»Was haben wir zu verlieren. Vielleicht werden wir auf diese Weise alt und glücklich.
Vielleicht sehe ich das in einem oder in zwei Jahren auch völlig anders.«
Dieser letzte Satz war entscheidend. Er entschied über eine Freundschaft, die über viele Jahre Bestand haben sollte – bis zum Tod von Harald Lambers. Aber das war Jahre später; sechzehn Jahre, um genau zu sein.
Es wurde noch ein wunderschöner Sonntag. Bevor sie sich am Abend verabschiedeten, rang Harald seinem Engel auf Zeit ab, ihn am darauffolgenden Wochenende in seiner Villa im Frankfurter Nordend zu besuchen; ausnahmsweise bereits schon am Freitagabend.
Kapitel 4
Die Fahrt zurück nach Frankfurt legte Chantal wie in Trance zurück. Nein. Mit Harald wollte sie nicht fahren. Sie war mit dem IC gekommen, und hatte die Rückfahrt gebucht. In 75 Minuten würde sie am Hauptbahnhof Frankfurt aussteigen. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken.
»Ist das ein Zeichen, dass du langsam alt wirst?«, schimpfte sie in sich hinein. Noch nie in ihrem Leben hatte sie länger als eine halbe Stunde über ein zurückliegendes Date nachgedacht. Vor einem Treffen – das war etwas ganz anderes. Da benahm sie sich wie ein Rassepferd vor einem wichtigen Rennen. Hinterher war der Ausklang angesagt; das Runterfahren. Eine Ausnahme war, wenn sie glaubte, einen Fehler gemacht zu haben; daraus lernen zu müssen. Oder wenn sich