sich anders entscheiden sollen? Blödsinn. Die Tür stand weiterhin offen. Aber eine enge Verbindung? Am Ende sogar eine Hochzeit? Und was dann?
Eigentlich fing das richtig schöne Leben erst an. Zwei oder drei Dates in der Woche. Normalerweise kultivierte Männer; spendable Männer. Schöne Hotels und exquisites Essen. Das alles aufgeben? Für einen einzigen Mann? Für Harald?
Aber warum, zum Teufel, quetschten sich ausgerechnet jetzt Szenen eines Treffens dazwischen? Vielleicht weil es eine grenzwertige Erfahrung war; am vergangenen Mittwoch, im Holiday Inn.
Er hieß Udo Althoff, war 45 und hatte ein großes Architektur-Büro in Mainz. Ja. Er war ein gutaussehender Mann; fast ein Model-Typ. Doch dieser stattliche Mann war von der Natur auch stattlich ausgestattet worden. Sie konnte sich des Eindruckes nicht erwehren, dass er nur kam, um sich abzureagieren; als wolle er einen Wettbewerb der Stellungen gewinnen. Dabei wurde er laut und vulgär. Mein Gott, dachte sie währenddessen viele Male. Dieser Kerl kann doch nur seltenblöd sein. Das hätte er doch weitaus billiger haben können. Okay. Er entschuldigte sich anschließend; sogar viele Male. Und er bestand darauf, ihr quasi als eine Art Schmerzensgeld, zwei Fünfhundert-Euro-Scheine in die Hand zu drücken. In drei Stunden hatte sie 2 500 Euro „verdient“. Trotzdem war sie geneigt, die zwei Fünfhundert-Euro-Scheine auf den Tisch zu legen, und ihm eine Adresse ihrer vielen Freundinnen von früher zu nennen. Doch sie hatte sich vorgenommen Stil zu zeigen. Ein nächstes Date würde es nicht geben. Sie verabschiedete sich sogar mit einem lächelnden Küsschen.
Wollte eine Stimme in ihr vielleicht zu verstehen geben, dass sie das alles hinter sich lassen könnte … wenn, wenn sie Harald heiraten würde. Er würde sie auf Händen tragen. Fraglos. Er war mehr als wohlhabend. Und er hatte Niveau.
»Er. Er. Er«, fauchte sie in sich hinein.
»Oh ja. Er ist sympathisch. Nein. Das stimmt so nicht. Ich liebe ihn. Zumindest habe ich mir das eingebildet; bilde es mir immer noch ein! Bislang habe ich noch keinen Mann geliebt. Das will ich auch in Zukunft nicht tun. Dafür bin ich nicht geschaffen. Ich brauche diesen verdammten Sex; schönen Sex; guten Sex. Dieses erregende Knistern bei immer anderen Männern; interessanten Männern. Irgendjemand … da oben … oder wo auch immer … muss sich etwas dabei gedacht haben, mich so zu programmieren. Ich will nicht lügen müssen. Ich will nicht betrügen müssen. Wir werden sehen wie es weitergeht; was das Schicksal für mich, vielleicht für uns, vorgesehen hat.
Am Freitag-Nachmittag war sie überrascht und beeindruckt. Zur Straßenseite hin wirkte die Villa mit ihren beiden Türmchen und den hohen Fenstern mit den graugrünen Fensterläden eher wie ein trutziges Überbleibsel aus längst vergangenen Tagen. Doch das war, wie sich rasch herausstellen sollte, nur Fassade.
In der riesigen und hohen Eingangshalle, mit dem geschwungenen und großzügigen Aufgang zum ersten Stock, dominierten zwei große und lachende Buddha-Statuen. Im überdimensionierten Salon hätte sich ihr Zwei-Zimmer-Appartement mit Sicherheit in einer Ecke des Raumes niedlich ausgemacht. An der Rückseite des altehrwürdigen Gebäudes war ein moderner Anbau entstanden. Die gigantische Fensterfront ließ einen Blick in den Japan-Garten mit vielen riesigen Bonsai-Gewächsen und einem Teich mit Brückchen zu.
Ein schmaler Pfad führte zu einem verwunschenen Häuschen in der hintersten Ecke des Grundstückes. Wie sich später herausstellte, wohnte dort der Gärtner des Vorbesitzers.
Sie hatte zwar schon von solchen Bauten im Nordosten von Frankfurt gehört. Aber das hier übertraf alle ihre Erwartungen.
Chantal begrüßte Harald mit einem innigen Kuss, um lachend anzufügen:
»Okay mein Freund. Du siehst eine beeindruckte Chantal. Wenn du das vorhattest, dann ist dir das gelungen. Trotzdem. Für mich zählt nur der Mensch Harald Lambers. Heute wird mir bewusst, warum ich bislang alle Einladungen in Privatwohnungen kategorisch ausgeschlagen habe.«
»Umso mehr freut es mich, dass du dich heute zu einer Ausnahme durchgerungen hast. Darf ich dich kurz durch das etwas zu groß geratene Wochenendhaus führen?«
Das Erdgeschoss wurde vom Salon mit offenen Kamin, einem Küchentrakt, dem Esszimmer mit Blick auf die Gartenanlage, Toiletten und einem Ruheraum eingenommen. Im Seitentrakt befand sich ein Schwimmbad. Die Fensterfronten reichten bis zum Boden. Hinter der Dusche und einer Sauna befand sich ein Fitness-Raum und ein Whirl-Pool.
Im Ersten Stock, und das fiel Chantal sofort auf, gab es zwei große Schlafzimmer; jedes mit einem Doppelbett. Dazwischen waren begehbare Kleiderschränke installiert worden; wie eine symbolische Mauer. Von jedem Schlafzimmer aus war ein überdimensioniertes Badezimmer zu erreichen. Im Seitentrakt, quasi über dem Schwimmbad, befanden sich drei weitere, große Zimmer; jeweils mit einem kleinen Bad und Toilette.
»Eine einzige Frage«, säuselte Chantal, letztlich doch sichtlich beeindruckt. »Das hier ist erkennbar dein Schlafgemach. Entschuldige die neugierige Frage: Ist das noch …« Sie hüstelte »… jungfräulich?«
Harald wurde von einem Lachanfall geschüttelt. Er hielt sich eine Hand vor den Mund, um sein Glucksen und Prusten zu unterdrücken.
Chantal musterte ihn ärgerlich und leicht pikiert.
»Entschuldige mein Schatz«, sagte er lachend. »Aber fast exakt diesen Satz habe ich heute Nacht im Traum gehört. Davon bin ich dann aufgewacht. Ich habe mich sogar im Bett aufgesetzt, und in die Dunkelheit hineingestarrt. Eine Stimme in mir hat gewettet, dass ein solcher oder ähnlicher Satz niemals von dir kommen würde. Okay. Okay. Die andere Stimme hat gewonnen. Was für ein Wahnsinn.«
»Jetzt ist es aber gut«, sagte Chantal mit süßsaurer Miene. »Ich wundere mich selbst über diese total bescheuerte Frage. Wenn ich das nächste Mal bei meinem Seelenklempner bin, werde ich …« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Quatsch. Ich sehe jetzt schon seine hochgezogenen Augenbrauen. Er wird auf die Uhr schauen und fragen, ob ich Zeit mitgebracht habe, viel Zeit.«
Der lachende Hausherr nahm die Escort-Dame in die Arme.
»Warum, um alles in der Welt, hast du ihm diese bescheuerte Frage gestellt?«, schimpfte sie in sich hinein. »Ausgerechnet eine Frau, und noch dazu eine Edel-Hure, die in vielen hundert Betten, zusammen mit zuvor wildfremden Männern … hat diese Frage gestellt. Du musst total bescheuert sein!«
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich im Moment freue«, schmunzelte Harald. »Ich liebe dich für diese herrliche Frage.«
Danach blickte er lange in diese dunklen und schönen Augen mit den langen Wimpern.
Diese Augen blitzten im Moment feurig und ein wenig angriffslustig, während sich in seine Augen kleine Tränen geschlichen hatten; lachende Tränen; glückliche Tränen.
»Mein Gott. Es fehlen mir die richtigen Worte, dir zu sagen …«
Er schob er seinen Gast, fast ein wenig theatralisch, von sich, und brummte mit einem gespielten Lachen:
»Ich hasse dich. Ich hasse dich. Ich hasse diese beschissene Welt.«
Doch eine Sekunde später klammerte er sich an Chantal, um schluchzend zu seufzen:
»Aber ich habe mir, ich habe uns, versprochen, dass ich dir diese Frage nicht mehr stellen werde.«
Nach vielen Sekunden der Stille hellte sich seine Miene zunehmend auf.
»Selbstverständlich habe bislang nur ich in diesem Bett geschlafen. Das musst du mir glauben.«
Plötzlich fühlte Harald eine Hand, ihre Hand. Die Finger tasteten sich klopfend und kriechend nach unten; fast wie auf einem Klavier. Die schlanken Finger öffneten vorsichtig den Reißverschluss der Hose, um danach weitere Zonen zu erkunden.
»Was sagst du dazu Cäsar? Weihen wir dieses schöne Schlafzimmer gemeinsam ein? Entjungfern wir es. Lass dieses Bett und diesen Raum sehen und hören, was die beiden zueinander sagen. Das wird sich in diesem Raum einbrennen – für ewig.«
Nach der „Einweihung“ schwammen sie ein paar Runden im erstaunlich großen Schwimmbad und plantschten ausgelassen. Immer noch nackt hüpfte Chantal anschließend