Madlen Schaffhauser

Damian - Vertrauen


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unheimlich gut tut.

      „Bald ist Ostern. Meinst du, wenn ich dir einen Schokoladenhase schicke, kommt er heil an?“

      „Auf keinen Fall.“

      „Warum nicht?“ fragt mein Vater verdutzt über meine schnelle Antwort.

      „Weil du sowieso die Ohren abgebissen hast, bevor der Hase in der Verpackung landet.“

      „Das stimmt doch gar nicht.“ bemüht sich mein Vater sich zu verteidigen, woran er jedoch kläglich scheitert.

      Ich bekomme einen Lachanfall und muss mir den Bauch halten, weil er anfängt zu schmerzen.

      „Wenigstens kannst du dich über deinen alten Herrn lustig machen. Mach nur weiter so.“

      Bei diesen Worten hält er bestimmt seinen Zeigefinger in die Höhe und wedelt damit drohend in der Luft herum. So wie er es in der Vergangenheit immer gemacht hat.

      „Ich brauche dich nicht zu sehen, um zu wissen, dass du deinen Finger nach oben streckst.“

      „Und ich weiss ganz genau, dass du dabei die Augen verdrehst.“

      „Wie recht du doch hast.“ Und wie gut es tut zu wissen, dass ich irgendwo immer noch die alte Jessica bin, wie vor dem ganze Irrsinn mit meinem Baby und Michael.

      „Hmm,“ räuspert sich mein Vater.

      Dieses Geräusch kenne ich nur allzu gut. Es deutet darauf hin, dass ihm etwas auf der Zunge liegt und werde glatt unruhig. So locker und gelöst wie ich eben noch war, so angespannt ist nun mein ganzer Körper. Ich bleibe still und warte mit steigender Panik ab, bis er seine Gedanken ausgesprochen hat.

      „Michael....“

      Wenn ich nur schon diesen Namen höre, wird mir eiskalt, aber ich versuche ruhig zu bleiben, während mein Vater weiterspricht.

      „er hat sich in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen.“

      Wie? Was? Wo? Viele Fragen stürmen auf mich herein. „Warum?“

      „Anscheinend hatte er ein erhebliches Problem mit Alkohol und Drogen.“

      „Drogen?“ Meine Stimme ist ein einziges krächzendes Würgen.

      „Er hat den Tod eures Babys einfach nicht verkraften können und das was er dir angetan hat, war für ihn fast weniger erträglich.“

      „Wo, was,..“ Ich brauche einen kurzen Moment, um mich zu fassen. „Woher weisst du das alles?“

      „Seine Mutter hat mich angerufen.“

      „Aus welchem Grund?“ Ich möchte nichts mehr mit Michael oder seiner Familie zu tun haben. Also warum bloss meldet sich Elise bei meinem Vater?

      Nur widerstrebend gibt er mir Antwort. „Michael möchte dich sehen.“

      Noch immer schnüren die Gefühle, die ein einziges Chaos in mir anrichten, die Kehle zu.„Wozu?“ Brauche ich das wirklich zu wissen?

      „Er möchte sich bei dir entschuldigen und dich um Verzeihung bitten.“

      „Nein!“ schreie ich in den Hörer, obwohl das gar nicht meine Absicht war.

      „Jess...“

      „Hast du etwa vergessen, was er mir alles angetan hat? Hast du vergessen, warum ich hier in England bin und nicht mehr in meiner Heimat lebe?“ Auch wenn mein Vater für meinen inneren Aufruhr nichts dafür kann, ist es dennoch er, der seinen Kopf hinhalten muss. Er ist der Puffer für mein Unbehagen.

      „Ich würde dir niemals vorschreiben, was du zu tun hast oder dich gar aufmuntern zu ihm zu gehen. Ich wollte dich nur darüber informieren, wo er ist. Was du tust oder lässt, ist ganz allein deine Sache. Das sieht sogar Elise so.“

      „Ich will ihn nicht sehen!“

      „Ist alles in Ordnung?“

      Erschrocken drehe ich mich zur Tür, in der Damian steht und mich mit zusammengezogenen Augen ansieht. Ich nicke kurz und wende meinen Blick wieder der draussen herrschenden Dunkelheit zu.

      Ich zucke mit den Schultern, um etwas von der Härte in meiner Stimme zu nehmen, obwohl mein Vater mich gar nicht sehen kann. „Entschuldige. Ich wollte nicht so grob sein.“

      „Keine Sorge, meine Kleine. Du hast alles Recht aufgewühlt zu sein.“

      7.

      Ich weiss nicht, wie lange ich schon auf der Bettkante sitze und vor mich hinstarre, das Smartphone noch immer in der Hand. Eigentlich dachte ich, dass mich Damian gleich mit Fragen durchlöchern würde, sobald ich das Gespräch beendet hätte. Doch als ich aufgelegt hatte und zur Tür sah, war er nirgends zu sehen.

      Irgendwie bin ich ihm dankbar, dass er mir den Raum gibt, den ich auch wirklich brauche, um wieder zur Ruhe zu kommen und doch wünsche ich ihn sehnlichst hierher. Hier zu mir. Ich vermisse seine starken Arme und seine beruhigenden Berührungen.

      In meinen Gedanken gehe ich immer und immer wieder jede Einzelheit der Unterhaltung zwischen meinem Vater und mir durch. Ich denke an Michael, der sich in den letzten zwölf Monaten unheimlich stark verändert hat und das überhaupt nicht zum Positiven.

      Dass er zu Alkohol griff, habe ich schon längst vermutet. Bereits damals, als wir noch zusammen wohnten. Aber Drogen? Das kann ich mir nun wirklich nicht vergegenwärtigen. Es war eine verdammt schwere Zeit, als wir unser Baby verloren. Er hatte daran genauso schwer zu nagen, wie ich. Doch dass er diesen Schmerz mit Drogen versuchte zu mildern, kann ich nicht nachvollziehen.

      Auch wenn ich es nicht möchte, wandern meine Gedanken ständig zu meinem Ex. Und zurück zu unserer gemeinsamen Vergangenheit. Wir hatten eine gute und schöne Zeit zusammen und uns immer respektiert. Bis zu jenem schrecklichen Tag.

      In den Tagen nach meiner Fehlgeburt stützte ich mich ganz auf Michael. War das möglicherweise ein Fehler? War ich etwa zu egoistisch? Habe ich alles von ihm genommen, was er mir geben konnte und ihm nichts dafür zurückgegeben?

      Damals war ich so in meinen Schmerz versunken, dass ich Michaels Stimmungen gar nicht beachtete und ihnen kein Gehör schenkte. Umso länger ich darüber nachdenke, umso mehr komme ich zur Erkenntnis, dass ich es war, die ihn dahin trieb, wo er jetzt ist. Alles ist meine Schuld. Diese Feststellung zehrt an mir und macht mich ganz benommen.

      Ich möchte nicht mehr an jene Zeit zurückdenken, als er mich beschimpfte, terrorisierte und sogar schlug. Denn die Schuldgefühle liegen auf meiner Brust, wie eine kaum aushaltbare Last. Sie treiben mir unweigerlich Tränen in die Augen und zerstören mein Selbstwertgefühl, das ich dank Damian langsam wieder aufgebaut habe.

      Warum muss ich immer wieder in die Vergangenheit katapultiert werden? Kann ich sie nicht einfach wegschliessen und bis in alle Ewigkeit im Verborgenen lassen? Vergessen und nach vorne schauen?

      „Bist du bereit, um darüber zu reden?“

      Erschreckt und verstört sehe ich in die schönsten Augen, die ich je gesehen habe. Damian steht direkt vor mir und betrachtet mich mit sorgenvoller Mimik. Ich habe gar nicht bemerkt, wie er zu mir kam. Meine Schultern sacken nach unten, als ich ihn länger als fünf Sekunden angestarrt habe und blicke zu Boden.

      Was soll ich ihm erzählen? Soll ich das aussprechen, was ich im Moment fühle oder soll ich ihm ein Alles in Ordnung Theater vorführen? Letzteres wird er mir garantiert nicht abnehmen. Trotzdem weiss ich nicht, was ich sagen soll. Es wäre sinnvoll mit jemandem über meine selbstzerstörerischen Gedanken zu sprechen, aber bin ich bereit dazu, es offen auszusprechen? Wenn ich es laut sage, kann ich es nicht mehr verleugnen.

      Ich spüre, wie mir eine warme Hand über die Wange fährt, wobei mir sein unverkennbarer Duft in die Nase steigt.

      Ein sanfter Druck an meinem Kinn bringt mich dazu, den Kopf zu heben und in sein Gesicht zu sehen, das nur wenige Zentimeter von meinem entfernt ist.

      „Das