Ich lege mich mit dem Oberkörper auf den Tisch und ringe um Atem. Es war unglaublich intensiv. Noch nie war ich ihm so nah, wie in den letzten Minuten. Während er mich nahm, wurde mir eines klar. Ich gehöre zu ihm und genau als das wollte er mich markieren, was mir ein wunderschönes Gefühl bereitete und es immer noch tut. Denn mit meinem Entscheid, dass ich bei ihm einziehen werde, obwohl er mich nicht heiraten möchte, bin ich mehr als glücklich. Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht mehr ausmalen, auch wenn es heisst, dass ich keine Kinder haben werde.
Die Nacht war kurz. Nachdem er mich aus dem Büro in sein, unser Schlafzimmer, dass das hier jetzt auch mein Zuhause ist, an das muss ich mich noch gewöhnen, gebracht hatte, haben wir uns ein weiteres Mal geliebt. Dieses Mal langsam, zärtlich und mit vielen Küssen. Danach fiel ich in einen festen Schlaf. Doch schon nach wenigen Stunden schrillte der Wecker auf meinem Smartphone. Ich stellte ihn auf stumm und kuschelte mich wieder an den Mann, dem mein Herz gehört.
Nach unserem heftigen Streit auf seinem Anwesen in Eastbourne war dies die erste Nacht, in der wir wieder im selben Bett schliefen und genau aus diesem Grund fehlte mir heute der innere Antrieb um aufzustehen. Ich wäre liebend gern liegen geblieben, nur hat mich Damian aus den Federn gezerrt, mir befohlen mich unter die Dusche zu stellen und mich für die Arbeit fertig zu machen. Was wollte ich schon ändern? Schliesslich ist er mein Boss.
Also stehe ich jetzt vor dem riesigen Spiegel im Bad und trage gerade Wimperntusche auf, als ich höre wie Damian ins Zimmer kommt. Wahrscheinlich hat er seine Morgenzeitung gelesen, sich über die Tagesgeschäfte informiert und dazu einen Kaffee getrunken. So wie er es jeden Morgen macht.
„Fertig?“ fragt er mich gerade in dem Moment, als ich meine Schminke zur Seite lege und noch ein letztes Mal durch die Haare fahre, bevor ich zu ihm ins Zimmer gehe. „Du siehst wie immer zum anbeissen aus.“
Ich hebe abwehrend die Hände in die Höhe, wohingegen er mit einem schelmischen Funkeln in den Augen auf mich zukommt.
„Wir müssen los. Schon vergessen?“ sage ich lächelnd zu ihm und stolziere mit verführerischem Hüftschwung an ihm vorbei.
„Du Biest.“ knurrt er hinter mir und legt die Hand auf mein Kreuz, als wir den Flur entlang zum Aufzug gehen.
Pietro steht schon vor dem Gebäude und öffnet uns die Wagentür, kaum treten wir auf den Gehweg. Er strahlt bis über beide Ohren, während ich einsteige und tippt sich wie immer an seine imaginäre Hutkrempe.
„Hast du deinem Bodyguard eine Lohnerhöhung versprochen oder was?“
„Nein, der verdient sowieso schon viel zu viel. Nicht wahr, Pietro?“ Dabei sieht er in den Innenspiegel und die Blicke der beiden Männern treffen sich.
„Certo.“ antwortet Pietro schmunzelnd in seiner Muttersprache und startet den Motor des Rolls Royce.
„Warum?“ fragt mich Damian, gleichzeitig fädelt sich unser Chauffeur in den Verkehr ein.
„Weil er lächelt, als hätte er Weihnachten und Geburtstag zusammen.“
„Er ist Italiener. Die strahlen immer.“
Könnte es sein, dass Pietro schon von meinem Einzug weiss? Könnte es sein, dass er sich darüber so sehr freut, dass er lächelt wie ein Marienkäfer?
Da fällt mir ein, dass Damian und ich vereinbart haben, es heute Rose und Mira zu erzählen. Rose gemeinsam und Mira werde ich es alleine sagen. Vor den anderen Mitarbeitern werden wir weiterhin geheim halten, dass wir ein Paar sind.
Ich bin doch tatsächlich ein wenig nervös. Wie werden meine beiden Freundinnen reagieren? Eigentlich kann ich mir nichts anderes denken, als dass sie sich für mich, für uns freuen, aber bevor ich nicht ihre Gesichter gesehen habe, nachdem sie von unserer Neuigkeit erfahren haben, wandere ich doch irgendwie im Ungewissen.
„Aufgeregt?“ fragt Damian von der Seite.
Ich zucke mit den Schultern. „Irgendwie schon.“
„Kein Grund zur Sorge.“ Sanft drückt er meine Hand, die auf seinem Bein liegt.
„Ich weiss.“
Schon nach wenigen Minuten sind wir vor dem Meyers Empire. „Wenn ich weiterhin jeden Morgen aus deinem Phantom steige, wissen die Mitarbeiter schnell Bescheid, dass etwas zwischen uns läuft.“ sage ich, als Pietro anhält.
„Egal.“
Verdutzt sehe ich Damian an. „Aber du wolltest doch, dass niemandem ausser Rose und Mira etwas von unserer Beziehung zu Ohren kommt?“ Seit wann ist es ihm gleichgültig, wenn die anderen das mit uns wissen?
Er sieht mir fest in die Augen. „Du gehörst zu mir und das kann von mir aus die ganze Welt wissen.“
„Aber wenn sie...“
„Wenn es blödes Gerede gibt, fliegen die Verantwortlichen. Ich bin ihr Boss und das sollten sie gefälligst gut im Hinterkopf behalten.“
Damian hat sich wie um hundertachtzig Grad gewendet. Noch vor wenigen Wochen, nein was sage ich, vor wenigen Tagen durfte auf keinen Fall jemand von unserer Affäre erfahren und nun kann es jeder wissen? Vor nicht mal einer Woche dachte ich, dass es zwischen uns aus wäre und jetzt das.
Mira kommt wenige Minuten nach mir ins Büro gestürzt. Ihre Wangen sind gerötet, ihr Atem geht schnell und ihre Haare, die sie erst kürzlich geschnitten hat, stehen in alle Richtungen.
„Sag nichts. Ich sehe beschissen aus.“ begrüsst sie mich, während sie sich aus ihrer Jacke schält.
„Guten Morgen.“ Jeden weiteren Kommentar bleibt mir in der Kehle stecken, als sie mir einen wütenden Blick zuwirft.
„Ich habe schon seit Jahren nicht mehr verschlafen und ausgerechnet heute, wo ich ein wichtiges Meeting habe, komme ich zu spät. Wie sehe ich aus?“ fragt sie mich.
„Irgendwie anders, aber gut.“
Sie streckt mir die Zunge heraus und ich muss mich beherrschen, nicht loszulachen. Es ist einfach amüsant ihr bei ihren fahrigen Bewegungen zuzusehen. So erlebt man sie nur sehr selten.
„Wie war die Hochzeit?“
„Es war eine sehr schöne Feier und die Braut hat einfach traumhaft ausgesehen. Alles passte. So möchte ich auch irgendwann mal heiraten.“
Ihre Erzählung gibt mir einen Stich ins Herz. Aber ich habe mich gleich wieder gefangen. „Und wer hat den Brautstrauss gefangen?“
„Eine Cousine des Bräutigams, obwohl ich mich sehr bemüht habe ihn zu fangen. Am liebsten hätte ich sie umgestossen und ihr den Strauss aus den Händen gerissen. Aber wir waren auf einer Hochzeitsfeier, da konnte ich doch wohl schlecht so etwas bringen.“ Sie fängt wild an zu gackern und ich falle amüsiert in ihr Gelächter. „Aber sieh mich jetzt an.“ Sie deutet auf ihr Gesicht. „So kann ich mich beim Meeting niemals zeigen.“
„Brauchst du Unterstützung?“ Eigentlich wollte ich ihr gleich von meinem Umzug erzählen, doch das muss sich noch etwas gedulden.
„Kannst du mir die Mappe von Ocean Tree aus der zweiten Schublade holen?“
Ich gehe an ihren Tisch und öffne das zweite Fach. „Hier ist sie nicht.“ sage ich ihr, als ich die Akte nicht finden kann.
„Sie muss aber da sein. Schau mal in der Ersten.“ Sie versucht mit den Fingern ihr Haar zu bändigen und es sieht wirklich schon besser aus.
Kaum öffne ich die obere Schublade, sehe ich die Ocean Tree Mappe. „Da haben wir dich ja.“ und lege sie auf den Tisch.
Gerade als ich die Lade wieder schliessen möchte, fällt mein Blick auf eine Verpackung, die mich sofort in meine Vergangenheit zurückwirft.
Genau wie jetzt sitze ich in meinem Büro, im Schreibtisch den Test versteckt, den ich in der Mittagspause in der Apotheke von nebenan geholt, aber noch nicht über mein Herz gebracht habe ihn zu machen.