ist dann passiert?“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich darüber reden kann und ob du es überhaupt hören willst.“
„Natürlich möchte ich wissen, was dich so fertig macht, dass du fast eine Stunde bewegungslos auf der Bettkante sitzt und dabei ins Leere blickst.“
„Es ging um Michael.“
„Was ist mit deinem Ex?“ Er klingt äusserst beherrscht.
Ich weiss, dass er nichts von Michael hören möchte, aber irgendwie ist er immer wieder ein Thema.
„Er ist in einer Psychiatrie.“ antworte ich so gefühllos wie möglich. Scheitere aber kläglich daran.
Er spukt den nächsten Satz förmlich heraus. „Da gehört er auch hin!“ Ich erkenne seine Wut, die hinter seiner gleichgültigen Art brodelt. Aber wenn es um Michael geht, kann er sich nur mit grosser Mühe beherrschen. „Warum geht dir das so Nahe?“
„Weil ich dafür verantwortlich bin.“
„So ein Schwachsinn. Das glaubst du doch selbst nicht?“
„Doch. Ich bin...“
„Hör auf dir die Schuld für etwas zu geben, für das du nichts kannst.“ unterbricht mich Damian. Seine angespannte Miene hat sich noch mehr verhärtet.
„Ich habe unser Baby verloren und ihm kein bisschen geholfen über den Schmerz hinwegzukommen. Ich habe nur an mich gedacht. Ich wollte so rasch wie möglich aus meiner Trauer heraus. Nur ich war mir wichtig. Wie es Michael bei der ganzen Sache ging, war mir egal.“
„Hast du etwa vergessen, was er dir angetan hat?“ Seine Stimme ist laut und ich zucke unter seinem barschen Ton zusammen.
„Genau das ist das Problem. Wenn ich zumindest ein wenig für ihn dagewesen wäre, wäre ganz bestimmt alles anders gekommen.“
„Glaubst du das wirklich?“
„Ja.“ Ich sehe ihm fest in die Augen, auf denen ein dunkler Schatten liegt. „Er hätte jetzt kein Alkoholproblem und müsste sich keiner Entziehungskur für Drogen unterziehen. Er hätte mich nie geschlagen oder terrorisiert.“ Ich zucke kaum merkbar mit den Achseln. „Es ist meine Schuld, dass es so gekommen ist.“
Seine Hände liegen mit einem Mal auf meinen Schultern und drücken mich sanft. „Ich verbiete dir auch nur eine Sekunde an diesen verdammten Mist zu glauben, den du soeben verzapft hast. Du kannst nichts dafür, dass er auf dich losgegangen ist oder dass er jetzt in einer Psychiatrie ist. Ich bin sogar erleichtert über diese Neuigkeit.“
„Wie?“ frage ich ihn entsetzt.
„So kann er dir nicht mehr zu nahe kommen.“
„Er möchte, dass ich ihn besuche.“
„Was?“ Fassungslos starrt er mir in die Augen und zieht sie dann zu Schlitzen. „Darüber hast du hoffentlich keinen einzigen Moment nachgedacht.“
„Doch.“
„Nein!“ Damian ist schneller auf den Beinen, als ich es je für möglich gehalten hätte. „Du wirst ihn nicht besuchen.“ Sein harter Ton durchschneidet den Raum.
Er möchte sich umdrehen und davon gehen, aber ich halte ihn schnell am Arm zurück.
„Bitte hör mir zu.“
Als er meine Hand abschüttelt, glaube ich schon, dass er den Raum verlassen würde, ohne mir eine Chance zur Verteidigung zu geben, dabei bleibt er stehen, wo er ist.
Ich fahre mit der Zunge über meine trockenen Lippen und schlucke bevor ich mit meiner Rechtfertigung beginnen kann. „Er möchte sich bei mir entschuldigen und mich um Verzeihung bitten.“
„Das...“
Ich stoppe seine Worte, indem ich die Hand in die Höhe strecke. „Ich habe darüber nachgedacht ihm diese Chance zu geben, dennoch werde ich ihn nicht besuchen. Ich bin nicht bereit dafür. Jedenfalls jetzt noch nicht.“
„Noch nicht?“
„Wenn ich es eines Tages kann, werde ich zu ihm gehen. Es wird für mich und Michael das Beste sein, um mit der Vergangenheit abzuschliessen.“
„Trauerst du ihm etwa nach?“
„Was soll diese alberne Frage?“
„Beantworte sie mir!“ Seine Augen sind schmal und sein Kiefer arbeitet, als er auf eine Antwort wartet.
„Ich werde sie dir beantworten, allerdings möchte ich dann, dass du mich alleine lässt.“ fauche ich ihn gekränkt an. „Keine Sekunde weine ich ihm hinterher und das du mich das wirklich fragst, tut mir weh.“ Ich atme tief ein und wieder aus. „So furchtbar meine Erlebnisse auch sein mögen, umso einmaliger und kostbarer ist das, was ich hier habe.“
„Und was hast du hier?“ Er klingt kalt und schroff und irgendwas schwingt in seiner Stimme mit, das ich nicht richtig beurteilen kann. Sein Gesicht ist völlig verkrampft.
Habe ich irgendwas verpasst oder etwas Falsches gesagt? Ich durchforsche mein Gedächtnis, komme dennoch zu keinem Grund, warum er sich plötzlich von mir distanziert. Es gelingt mir nicht, seine Reaktion nachzuvollziehen. Um mich nicht weiter in Gedanken zu verlieren, beantworte ich seine Frage. „Dich.“ und sehe ihm fest in die Augen. „Dank dir kann ich wieder lachen. Dank dir bin ich wieder glücklich. Dank dir kann ich das Leben wieder geniessen und fühle mich ge...“ Ich kann mich gerade noch rechtzeitig unterbrechen. Fast hätte ich ausgesprochen, was ich ihm schon seit Monaten sagen möchte, mich aber eisern davor behüte es zu tun, weil er, das was mir auf der Zunge liegt, nicht hören möchte und während ich ihn ansehe, hoffe ich, dass er mich nicht bittet weiterzusprechen. Doch genau das tut er.
„Und du fühlst dich?“
Ich spiele nervös an meinen Fingernägeln herum, befeuchte meine Lippen und schlucke einen dicken Kloss hinunter, der in meiner Kehle steckt. „Geliebt.“
„Nein.“ Er schüttelt energisch seinen Kopf. „Das darfst du nicht.“
Obwohl es mich zutiefst verletzt, wie er über mein Geständnis reagiert, bleibe ich erstaunlich ruhig. „Ich kann meine Gefühle nicht steuern. Ich habe mich schon bei unserer ersten Begegnung in dich verknallt und wenn ich es erklären könnte, würde ich es tun, nur fällt es mir ja selbst schwer es zu verstehen. Ich bin an jedem Versuch mich von dir fernzuhalten kläglich gescheitert. Es zieht mich einfach magisch zu dir hin. Ich bin glücklich und verliebt.“ Ich stosse die Luft aus, von der ich nicht mal bemerkt habe, dass ich sie angehalten habe.
So jetzt ist es raus. Jetzt weiss er, wie ich für ihn fühle und wünsche mir, dass er meine Gefühle nicht mit Füssen treten wird.
Ich reibe meine Hände an der Jeans ab, die sich ganz feucht anfühlen. Mir bricht der Schweiss am ganzen Körper aus, mir wird übel, weil er nicht auf meine Beichte reagiert.
„Damian?“ Ich spreche seinen Namen aus, weil ich dieses Schweigen zwischen uns nicht mehr ertrage.
Er wendet mir sein Gesicht zu, das er eben noch dem Fenster zugedreht hatte. „Ich kann dir nicht das geben, was du dir wünschst.“ Auf seinem Gesicht spiegeln sich Erschöpfung, Skepsis und Hoffnungslosigkeit.
„Aber du gibst mir doch schon alles, was ich brauche.“
„Irgendwann willst du mehr und das kann ich dir nicht schenken. Ich bin nicht der Richtige dafür.“
Er braucht nicht genauer zu werden. Ich weiss ganz genau, auf was er anspielen will. Heirat, Kinder, Familie. Das war immer mein Wunsch. Vor fast einem Jahr habe ich erfahren, dass ich schwanger bin. Familienplanung gehörte zu jenem Zeitpunkt noch nicht in Michaels und meine nähere Zukunft. Doch sobald wir erfahren hatten, dass wir ein Kind bekommen, konnten wir es kaum erwarten, es in den Händen zu halten. Während der Schwangerschaft gehörte ich zu den glücklichsten Frauen der Welt. Bis ich mein Baby verlor.
Zwar war es ein schwerer Schicksalsschlag,